BIZARR. Sharon Lee

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BIZARR - Sharon Lee

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schmaler, dick gewölbter Umschlag. Dr. Wiederkehr nickte ihr zu: «Los, stecken Sie ‘s ein!»

      Ein beklemmendes Gefühl überkam Carla Fuchs, als sie die vielen Geldscheine erblickte. Nicht, dass sie etwas gegen viel Geld gehabt hätte, doch das konnte sie nicht annehmen. Unvermittelt brachte sie zum Ausdruck, dass sie wohl an ein solides Honorar gewöhnt war, diese Summe jedoch ihre Vorstellung um ein Vielfaches übertraf. Sie hatte noch nicht einmal zugesagt. Während sich die Detektivin überlegte, ob sie sich auf diesen sonderbaren Fall einlassen wollte, war Dr. Wiederkehr schon überzeugt davon. Es war sein letzter Wunsch.

      Mager war er geworden. Die Wangenknochen und das Kinn stachen markant hervor, die Haut war fahl und von Pigmentflecken übersät, die Haare auf seinem Kopf wild zerzaust. Auf der ausgeklappten Tischfläche stand das Essen, ein Teller Griess mit Marmelade, unberührt; auch die Teetasse war noch randvoll. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, bat er sie darum, ihm den Tee zu reichen. Nachdem er kurz daran genippt hatte, gab er ihr die Tasse zurück. Jede Bewegung führte er bewusst aus, um seine Kräfte zu dosieren. Genauso kontrolliert fing er nun an zu sprechen:

      «Stellen Sie sich vor, Sie weilen an einem Fest, eingeladen von einem Freund. Einige der Gäste sind Ihnen bekannt. Sie setzen sich an einen der Tische und bestellen eine Tasse Tee.»

      «Rotwein würde ich bevorzugen.»

      «Sie bestellen ein Glas Rotwein», fuhr Dr. Wiederkehr unbeirrt fort. «Ein Ihnen noch unbekannter Gast nähert sich dem Tisch und setzt sich zu Ihnen. Gleichzeitig entdecken Sie Ihren Freund, der Ihnen eifrig zuwinkt. Sie stellen das Glas Wein ab und gehen in den hinteren Teil des Raumes, um ein paar Worte mit Ihrem guten Freund zu wechseln. Er erzählt Ihnen, dass der unbekannte Mann an Ihrem Tisch mehrere Jahre im Gefängnis gesessen habe. Er sei wegen Giftmordes an seiner Ehefrau verurteilt worden.»

      Erstaunt musterte Fuchs Dr. Wiederkehr. Was wollte er ihr sagen? Es hörte sich an, als wolle er ihr ein Sinnbild vermitteln.

      «Jetzt frage ich Sie, Carla: was tun Sie, nachdem Sie von Ihrem guten Freund gehört haben, dass der Mann ein verurteilter Giftmörder ist? Gehen Sie zurück an Ihren Platz? Und was ist mit Ihrem Glas Wein? Es stand eine Weile unbeaufsichtigt herum. Der Unbekannte, oder jeder andere im Raum, hätte Zugang zu Ihrem Glas gehabt. Würden Sie sich wirklich hinsetzen, genüsslich einen Schluck – oder gar zwei – davon trinken und tun, als ob die Welt noch dieselbe sei?»

      «Wenn ich auf das Wort meines guten Freundes vertrauen kann - natürlich nicht!»

      «Sehen Sie, das meine ich. Ob Sie Ihrem guten Freund vertrauen können oder nicht, können Sie letztendlich nur einschätzen, jedoch nie wissen. So funktioniert Ihr Verstand. Er wird beeinflusst von Freunden, Bekannten, Personen der Öffentlichkeit oder den Medien. Wenn Sie die Quelle als glaubwürdig einschätzen, halten Sie die Information für wahr.»

      «Da bin ich mit Ihnen einig.»

      Beharrlich fügte Dr. Wiederkehr an: «Finden Sie die Wahrheit heraus, ich bitte Sie darum.»

      «Ich wünschte, Sie würden mir die Wahrheit erzählen.»

      «Es geht um Gerechtigkeit. Lügen haben Leben zerstört, ich lebte wie in einem Gefängnis. Mein Geld konnte mich nicht aus den Ketten befreien, eisernen Ketten, die ich mir selber angelegt hatte. Dabei wünschte ich mir immer Ruhe und Freiheit. Wissen Sie, Freiheit lässt sich nicht mit Geld kaufen. Freiheit findet im Kopf statt, das ist meine Überzeugung.»

      Etwas verwundert war sie schon. Wenn ein Mann wie Dr. Wiederkehr nicht von Freiheit sprechen konnte – wer dann?

      «Ich hoffe, Sie verstehen mich, dass ich nach Erklärungen suche, weshalb Sie Ihre Freiheit vermissten.»

      «Frei war ich nie, ganz im Gegenteil. Glücklich war ich nur in wenigen Augenblicken. Das Äussere täuscht oft. Man zeigt keine Schwäche. So wurde ich erzogen. Mein Vater war ein Mann mit Prinzipien und Überzeugungen. Er hatte klare Vorstellungen und wehe, etwas ging seine eigenen Wege.»

      Dr. Wiederkehr hüstelte. Die Erinnerungen regten ihn sichtlich auf. Fuchs wollte seine Kräfte nicht unnötig strapazieren und antwortete zurückhaltend:

      «Ich verstehe.»

      «Sie kommen ganz nach Ihrem Vater. Ich erinnere mich an die guten Zeiten, die ich mit ihm, dem erfolgreichen Rechtsanwalt, auf dem Tennisplatz verbracht habe. Die Hartnäckigkeit haben Sie von ihm geerbt, das Aussehen von Ihrer Mutter. Sie war eine bildschöne Frau, leider ist sie viel zu früh von uns gegangen – ganz wie meine Frau Marie.»

      «Ihre Frau habe ich immer bewundert. Und sie war eine vorzügliche Köchin.»

      «Ich habe sie geliebt, meine Marie. Sie hätte gewollt, dass Sie die Wahrheit finden.»

      «Wenn es Ihr innigster Wunsch ist, werde ich es zumindest versuchen. Aber Sie - Sie kennen doch die Wahrheit oder wenigstens einen Teil davon? Geben Sie mir wenigstens einige Anhaltspunkte!»

      «Ich kann nichts weiter dazu sagen.»

      «Wenig Informationsgehalt, um ein Verbrechen aufzuklären. Gibt es eine Leiche?»

      «Ja, ein Mensch ist tot.»

      Sein Zustand verschlechterte sich, Dr. Wiederkehr hatte kaum mehr Kraft zu sprechen. Augenblicklich wurde Carla Fuchs klar, dass sie nur noch wenig Zeit mit ihm hatte.

      «Wenn die Wahrheit bedeutet, dass Sie wirklich einen Menschen getötet haben und ein Geständnis ablegen möchten, dann wäre dies ein Fall für die Polizei. Sie wissen, ich bin Detektivin.»

      «Ich hätte Sie nicht rufen lassen, wenn ich an Ihnen gezweifelt hätte.»

      Carla Fuchs wurde nicht schlau aus ihm. Wenn Dr. Wiederkehr tatsächlich einen Menschen umgebracht hatte – warum hatte er sie rufen lassen? Er hatte ohnehin keine Strafe mehr zu befürchten. Weshalb machte er Andeutungen und sprach in Rätseln anstatt ihr die volle Wahrheit zu erzählen? Der einzige Hinweis war die Leiche. Doch auch diese müsste sich erst einmal finden lassen.

      Ein ungeheurer Verdacht überkam sie plötzlich, als in ihr der Gedanke an Dr. Wiederkehrs Enkelin auftauchte: vor langer Zeit war sie ins Gerede gekommen - er wollte ihr doch nicht etwa mitteilen, dass er Lynn getötet und jahrelang geschwiegen hatte? Als Lynn verschwunden war, vor zehn Jahren, hatte er schwer gelitten. Genauer genommen war Dr. Wiederkehr nie darüber hinweg gekommen. Der Fall der vermissten Lynn - der bildschönen Lynn, die bis zur Heirat hatte Jungfrau bleiben wollen - hatte die Kleinstadt in Atem gehalten. Die Anteilnahme am Schicksal der Familie war gross gewesen. Emotionale Unterstützung aus der Gesellschaft, Worte der Hoffnung, versuchten die Wiederkehrs über den Verlust hinweg zu trösten. Lynn war nie mehr aufgetaucht, weder lebendig noch tot.

      Carla Fuchs musste Dr. Wiederkehr fragen: «Geht es um Lynn? Ist es ihre Leiche, von der Sie sprachen?»

      Dr. Wiederkehr wurde noch fahler im Gesicht und sein Mund zitterte, so dass er sich nur mit Mühe artikulieren konnte: «Frau Fuchs, ich ertrage das nicht länger. Eher sterbe ich! Ich allein bin verantwortlich, dass sie umgebracht wurde. Ich bin ein Mörder.»

      Fuchs fühlte, wie sehr ihm Lynn noch immer am Herzen lag und verstummte. Von Verarbeitung war nicht die Rede, die Wunde in seiner Seele war nicht verheilt. Was war sein Auftrag: sollte sie die Leiche von Lynn finden? Zahlte er ihr deswegen so viel Geld? Ihr schauderte.

      «Aus Ihren Andeutungen schliesse ich, dass Lynn

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