An die Rollatoren Mädels. Heidi Hollmann
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Es gibt aber weitaus Schlimmeres, nämlich, als Vater nach Hause kam, nahm er Brandgeruch wahr und eilte ins Haus. Das heißt, er versuchte aufzuschließen, was nicht möglich war.
Mutter hatte sich von innen eingeschlossen und weigerte sich permanent, jemanden reinzulassen. Ihr Mann hätte es ihr verboten. Vater blieb nichts anderes übrig, als einen jungen Mann im Nachbarhaus zu bitten, die Tür einzutreten.
Es war für Hetti und mich nicht einfach, einen Heimplatz für die alten Leute zu „ergattern.“
Warten Sie mal bis November, das tut sich einiges“, wurde mir versprochen. Endlich war für Mutter gesorgt und Vater folgte ihr, weil er uns versprochen hatte, seine Frau nicht allein in die „Diaspora“ zu schicken. Ein weiterer Heimbewohner war verstorben und Vater nachgerückt.
Wir ihre einzigen Töchter bitten seit dem inständig und demütig den lieben Gott, oder wer auch immer dafür zuständig sein mag, uns durch einen Blitzschlag, oder sonstige Vergünstigungen den Heimaufenthalt zu ersparen. Wir wären auch mit herabfallenden Dachziegeln zufrieden. Alles Gute soll ja bekanntlich von oben kommen.
Übrigens gibt es Möglichkeiten, die auch schon einige unserer weiblichen Ahnen genutzt haben müssen. Merkwürdiger Weise sind eine Reihe vornehmlich weibliche Verwandte, nachweisbar einem Unfall zum Opfer gefallen. Und alle, wir sind eine langlebige Familie, befanden sich im hohen Alter. Das wäre doch auch eine schöne Möglichkeit für uns, nur diese Herrschaften können wir nicht mehr dazu befragen, wie sie das angestellt haben. Elektroautos standen damals ja noch nicht zur Debatte.
Ich denke, wir können getrost noch ein Weilchen abwarten, bis diese Lautlosen auf den Markt kommen.
Bis dahin wird auch mein Gehör nicht mehr das sein, was es einmal war und ich werde das leise Summen nicht mehr mitkriegen. Es sei denn, man baute unsinniger Weise Motorengeräusche ein, wie es neulich in der Zeitung stand. Es heißt also: Abwarten!
Ich habe eine Bekannte, die als Köchin in einem Altenheim tätig war und die mir sagte, ehe sie in so was reinkäme, würde sie, falls es eben noch eben ging, Hand an sich legen.
Es gäbe ja so viele Möglichkeiten. „Dem Himmel sei Dank!“ meinte sie abschließend und schüttelte sich.
Auch ich könnte mich schütteln, vor und nach den Besuchen im Altenheim, in dem unsere Eltern ihr Altersdasein eher fristen, als genießen.
Ab und zu erboten sich meine beiden bereits erwachsenen Enkelmädchen, uns zu begleiten. Eine Liebestat für die ich ihnen immer sehr dankbar war.
Großherzig schenkte die Uroma ihnen sofort das Mobiliar des ganzen Hauses. Keine Sorge, alles wäre ihr Eigentum, versicherte sie. Die Mädchen spielten mit, bedankten sich artig und wenn die Ur-Oma insistierte, sie müssten doch nun endlich heiraten, so langsam sähe man ihnen das Alter an, stimmten sie auch dem zu. Wenn sie Geld brauchten, würde die Urgroßmutter ihnen natürlich damit unter die Arme greifen.
Dabei weiß sie nicht mehr, was Geld überhaupt ist. Die Umwandlung in den Euro hat sie damals schon nicht mehr mitbekommen.
Am Mittag vertraten sich die beiden Mädchen ihre Beine und kamen mir lachend in dem langen Flur entgegen. Vor der hauseigenen Kapelle waren X-Rollstühle geparkt, wie in Kindergärten die Fahrzeuge der kleinen Insassen. Es war nicht immer alles trist und traurig. Unsere Mutter, früher recht drall, nahm im Heim konstant ab. Ohne meckern zu wollen, bei dem Essen, würde sich bei mir sogar mein stattliches Körpergewicht reduzieren, worüber ich glücklich wäre, aber bitte sehr nicht unter der Prämisse, dort etabliert zu werden.
Da bleib ich lieber korpulent bis zum seligen Ende meiner Tage. Selbst auf die Gefahr hin, meine Lebenszeit zu verkürzen, wie Ärzte es ihren Patienten gern plausibel zu machen versuchen, um sie zum Abnehmen zu bewegen.
Da halte ich es lieber wie eine meiner Schwägerinnen, die mehr als füllig geworden, meinte, den Sargträgern müsste der Schweiß den Steiß runterlaufen, wenn man sie zu Grabe trüge.
Sie hat einen deftigeren Ausspruch getan im Hinblick auf die Schweißrichtung. Recht hat sie. Ein bisschen Egoismus muss sein, zumal es uns alten Menschen schmeckt und Essen nicht zu Unrecht als „Rentnersex“ bezeichnet wird. Das heißt, so lange wir noch das essen können, was wir wollen. Keinen Einheitsfraß konsumieren müssen wie bei Militär oder in so manchen Krankenhäusern und leider auch in Altenheimen.
Mutter hatte so sehr abgenommen, so dass ihre Prothesen weder oben noch unten in ihrem Kiefer Halt fanden. Sie lockerten sich immer mehr und eines Tages im Beisein von Hetty und mir, fiel unserer Mutter die Prothese aus dem Mund. Die obere oder untere, ich weiß es nicht mehr, ist auch unwichtig. Sie landete geradewegs in ihre auf dem Schoß ruhenden hohlen Hände. Mutter zuckte erschreckt zusammen. Wir hörten sie in ihrem Platt ein überraschtes: „Watt ist datt dann?“ murmeln. Wieder einmal:
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht!“
Bei mir gibt`s im Moment immer weniger zum Lachen. Wenn ich nur an diese gleichermaßen grässlichen, wie effizienten Kompressionstrümpfe denke, wird mir manchmal ein wenig plümerant.
Als ich sie verschrieben bekam, die Dinger sind sauteuer, fragte mich die auch nicht mehr ganz so junge Ärztin mit einem bedauernden Blick auf meine sich schlängelnden Krampfadern, ob ich vielleicht welche mit Spitze oben dran haben wollte und in Schwarz. Wollte ich, kosten ohnehin nicht mehr und nicht weniger. Sexy sind sie sowieso nicht, ob oben ohne, oder mit. Aber immerhin nett von der Medizinerin gemeint.
Bei jedem Wetter, selbst bei 40 ° im Schatten trage ich treu und brav meine Medizinischen.
Es gibt Dinge, die einem das Alter einfach auferlegt und man ist gut beraten, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren. Das müssen Jüngere manchmal schon praktizieren, wie meine flotte auf Marylin Monroe getrimmte Friseurmeisterin, die den ganzen Tag über stehend, ohne diese hilfreichen Plagegeister überhaupt nicht würde arbeiten können.
Morgens, wenn ich die erste Schlacht geschlagen habe, den ersten Strumpf unter vielen Verrenkungen und dementsprechendem Gekeuche übergezogen habe, brauche ich erst einmal eine dicke Pause, wie bei vielen anderen Verrichtungen auch, seit ich in die Jahre gekommen bin.
Wenn der Zweite dann endlich wie eine feste Pelle mein Bein umschnürt, ist das schon die halbe Miete. Der Tageseinstieg schon nicht mehr ganz so katastrophal. Geschafft! Geschafft im Doppelsinn!
Abends dann allerdings erneutes Theater, diese schwarzen Zwillinge wieder in den Griff zu bekommen. Nur andersherum, wobei mir das Gekeuche ob der Anstrengung, sie wieder loszuwerden, nicht erspart bleibt. Das frenetische Keuchen bekommt Armin trotz seiner Hörstürze mit, falls er sich in der Nähe befindet.
Unsere Rhythmen sind in allem schon immer sehr verschieden, aber es ist durchaus möglich, dass wir beim Ausziehen im Schlafzimmer auch mal als Duo zusammenstoßen.
Bei meinen unvermeidbaren Geräuschen, vor allem am Abend könnten Nachbarn wer weiß was von uns Oldies annehmen; würden wir in einer Neubauwohnung zu Hause sein. Schön in jeder Beziehung, im eigenen soliden Heim wohnen zu dürfen.
Die frühere Kabarettistin Isa Vermehren und spätere Nonne behauptete einmal in einem Fernsehinterview,