An die Rollatoren Mädels. Heidi Hollmann

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An die Rollatoren Mädels - Heidi Hollmann

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denn ihre Männer wären, hatte er wissen wollen.

      „Die schlafen oben unterm Dach,“ bekam er zur Antwort.

      Meine Güte, das war harter Tobak für einen Außenstehenden! Ich sagte dem Arzt, der eigentlich seine Schweigepflicht verletzt hatte, dass es sich um meine Schwester, deren Freundin und deren Vater gehandelt haben müsste.

      Er versuchte, mich noch ein wenig auszuhorchen, was ihm auch gelang.

      „Nein, die Damen sind nicht lesbisch und deren Männer auch nicht schwul“, konnte ich den konsternierten Mediziner beruhigen.

      Später sprach ich Hetti davon, wie klein die Welt doch wäre und auch, dass es keine Zufälle gäbe, was sich wieder mal bewiesen hätte und worüber wir schon oft in Harnisch geraten waren.

      Der alte Herr war vordem in der unteren Etage ausgerastet. Er schrie laut um Hilfe. Seine Tochter war nach unten geeilt, wo sie ihren Vater mit weit aufgerissenen und glasigen Augen auf sein Vertiko starren sah.

      „Bitte, nimm den Tiger dort runter,“ kreischte er.

      Seine Tochter war versucht, ihrem Impuls nachzugehen und wahrheitsgemäß zu behaupten: „Ich sehe keinen Tiger!“ Sie besann sich eines Besseren, ging auf das wilde Tier zu, stieß zwei fauchende Laute aus und führte die willfährige Bestie am imaginären Halsband aus dem Raum.

      Ihr Vater war zunächst dankbar, beruhigte sich aber kaum mehr, so dass die Tochter in ihrer Not den Notarzt, eben jenen, der mir die ganze Story brühwarm erzählt hatte, alarmierte.

      Just, als der eintraf, verfiel der alte Herr in eine Art von Agonie.

      Ausschleichend wurden die Medikamente, wie es im Medizinerjargon heißt, abgesetzt. Halleluja! Pillensucht durch Vereinsamung! Das stand für mich fest. Ich kannte den alten Herrn. Obwohl seine Tochter mit Familie im selben Haus wohnte, litt er unter den vielen Stunden des Alleinseins. Mittags brachte sie ihm das Essen runter, manchmal kam er auch nach oben.

      Fast sämtliche Freunde waren ihm weggestorben. Wie wichtig Freunde sind, wurde mir mal wieder bewusst.

      Dass sie nicht am Straßenrand wachsen, ist ja hinlänglich bekannt. Auch das jeder etwas dafür tun muss, ist eine alte Jacke. Auf ihre Verschiedenartigkeit einzugehen, ist ebenso wichtig.

      Aber kann man das immer? Ich habe es oft versucht. Freundschaften sind mir bis ins hohe Alter erhalten geblieben, es sind auch manche zerbrochen.

      „Wo viel gehobelt wird, fallen Späne,“ wie man zurecht sagt.

      Ich gehe immer wieder mal in Gedanken meine Freundinnen durch. Auch meine männlichen Freunde, die meist die Partner meiner Freundinnen sind.

      Sie alle haben einen gemeinsamen Nenner, der Zuverlässigkeit heißt. Man muss sich aufeinander verlassen können. Sonst lastet die Betonung des Wortes „Verlassen“ auf der ersten Silbe. Verlassen werden genügend Menschen. Auch das hat ein jeder von uns schon erlebt.

      Unter dem Zeichen des Wassermann geboren, habe ich das Glück, leicht Freundschaften schließen zu können, „Ohn` Anseh`n der Person“ sozusagen, wie es so schön blöd heißt. Mir ist es völlig egal, ob eine Freundin in einem gehobenen Job tätig ist, oder als Putzfrau arbeitet.

      Ob sie reich ist oder arm oder tugendhaft oder weniger moralisch.

      „Ich bin nicht der Nabel Welt“ und „Jedem Tierchen sein Pläsierchen,“ habe ich mir zum Grundsatz gemacht.

      Auch bemühe ich mich, meine stärkste Schwäche, nämlich nachtragend zu sein, zu minimieren. Dazu brauchte ich die Unterstützung des Herrn Alzheimer, fürchte ich. Mein Gedächtnis, vor allem das der Langzeit, funktioniert erstaunlich gut. Zu gut! Im Bösen und zum Glück auch im Guten. Eine gute Tat, mir gegenüber vollbracht, lässt sie mich ein Leben lang nicht vergessen.

      Aber über eins komme ich nur besonders schwer oder gar nicht hinweg. Das ist Verrat, den bisher nur eine einzige Freundin an mir begangen hat.

      Sie hatte kurzfristig morgens per Mail ein vereinbartes Treffen abgesagt. Sie begründete das mit dem Hinweis, durch das Hüten ihres kleinen Enkels, keine Kraft mehr an dem betreffenden Nachmittag zu haben, um mit mir auch noch etwas zu unternehmen.

      Das war für mich völlig o.k. Kräfte wachsen schließlich nicht auf Bäumen.

      Ich hatte den schon verplanten Nachmittag also für mich, fuhr mit dem Wagen in aller Ruhe zum Einkaufen und traute meinen Augen nicht, als ich vor mir eben jene Freundin im Beisein einer anderen Freundin in ihrem Wagen puppenlustig vor mir herfahren sah.

      Ich war wie erstarrt, dachte: „Morgens sterbender Schwan und nachmittags von den Toten auferstanden! Wie passt das zusammen!“

      „Nee, nicht mit mir!“ war mir klar. Ich startete dann gleich eine E-Mail mit dem Hinweis, die Welt wäre klein und es gäbe keine Zufälle. Sie sollte wissen, dass ich sie und ihre Begleiterin wahrgenommen hatte. Zwei volle Tage später erst, eine mir unverständliche Verzögerung, wurde mir dann auf gleichem Wege mitgeteilt, dass ich bitte Verständnis haben sollte.

      Wie konnte ich das? Ich habe ihr nicht mehr geantwortet, zumal sie in der bewussten Mail ohnehin mitgeteilt hatte, mir nicht mehr so oft schreiben zu wollen.

      Manchmal sehen wir uns noch zufällig, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es keine Zufälle gibt. Wir wohnen dicht beieinander. Einmal trafen wir uns bei einer Museumsführung und wir unterhielten uns, als wenn nichts dazwischen gelegen hätte. Erkundigten uns gegenseitig nach den Enkeln und so etwas wie eine alte Vertrautheit keimte wieder auf.

      Ich sammle anscheinend Freunde, wie andere Leute diverse Wertgegenstände. So könnte man meinen. In Wirklichkeit sind Freunde von hohem Wert, wenn sie echte Freunde sind. Wozu für mich Verrat das Letzte ist und wo mir das Verzeihen verdammt schwer fällt. Ich wurde von meiner Freundin Lotte darauf aufmerksam gemacht, Typen anzuziehen, die irgendwie aus der Norm fallen. So vorsichtig drückte sie sich jedenfalls aus. Als Psychologin musst sie es ja wissen.

      Ich dachte darüber nach. Sie war nicht im Unrecht! Eine meiner Freundinnen die besonders an mir hing, war im Grunde genommen eine sehr aggressive Frau. Mir gegenüber selten, eigentlich nur einmal, was mich tief verunsichert hat. Guste hat einmal, das ist mir von einer ihr nahen Verwandten gebeichtet worden, eine Pizzeria auseinandergenommen und die Stühle durch die Luft gewirbelt, gewütet, wie ein Taifun. Den Grund weiß ich nicht mehr. Vielleicht war die Pizza angebrannt oder nur der Himmel weiß, warum sie sich so aufgeknöpft hat. Bei mir flippte sie auch einmal aus, weil ich sie gebeten hatte, die Chormusik im Autoradio leiser zu stellen. Daraufhin wurde sie dermaßen fuchsig:

      „Hast du was gegen Chormusik?“ schnauzte sie. Ich verneinte. Da fing sie an zu brüllen, sie liebte geradezu solche Musik und ich sollte mich schämen, nichts dafür übrig zu haben. Dann war der Spuk augenblicklich vorbei. Sie saß unvermittelt wieder seelenruhig da. Auch weiß ich von diesem „Pizzeria-Schreck,“ dass ein Räuber sie in ihrem Schreibwarengeschäft einmal mit vorgehaltener Pistole zur Kasse gebeten hatte. Ganz schön mutig von ihm!

      Statt ihm Geld auszuhändigen, schlug sie ihm erst die Pistole aus der Hand, danach eins auf die Nuss, wobei der Dieb zu Boden ging. Erst nach getaner Arbeit wurde sie selber ohnmächtig und neben dem Räuber liegend von einem (Zufälle gibt es nicht) vorbeikommenden Polizisten erstversorgt, bis der Krankenwagen eintraf. Ich könnte einen Roman speziell über meine gesamten Freundinnen schreiben. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, warum man

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