Ort des Bösen. J.P. Conrad

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Ort des Bösen - J.P. Conrad

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ihren leblosen Körper unsanft auf den Küchenboden fallen. Das Messer landete direkt neben ihrem Kopf mit den weit aufgerissenen Augen.

      Er blieb mehrere Sekunden regungslos und schwer atmend stehen und starrte auf sein Werk. Dann überkam ihn augenblicklich die Ernüchterung: Er hatte sie getötet! Aus reiner, rasender Eifersucht und seiner latenten Gewaltbereitschaft, die ihn schon so oft zuvor in Schwierigkeiten gebracht hatten, hatte er ihr Leben unwiederbringlich ausgelöscht. Es hatte keine fünf Sekunden gedauert. Der grausame Höhepunkt seiner Karriere als Raufbold und Taugenichts war somit erreicht. Er spürte, wie Panik allmählich von ihm Besitz ergriff. Nicht einmal wegen der Taten an sich, die er begangen hatte. Nein, mit einem Mal sah er sein wertvollstes Gut, seine Freiheit, in Gefahr, sah sich für Jahrzehnte im Zuchthaus sitzen. Eingesperrt in einer nicht einmal zehn Quadratmeter messenden Zelle, die für ihn fortan bestimmen würde, wo es lang ging: Nirgendwo hin. Unvorstellbar.

      Soweit durfte es nicht kommen!

      Aufgewühlt schaute er sich um. Er ging zur Kammer und suchte nach brauchbaren Putzutensilien. Er fand Eimer, Scheuermittel und auch Gummihandschuhe; alles selten genutzt oder fabrikneu. Dann begann er, akribisch seine Spuren zu beseitigen und sich nach und nach aus dem Ort des Geschehens und Iris‘ Leben auszuradieren. Nichts sollte mehr darauf hinweisen, dass er je dort gewesen war. Glücklicherweise hatte er außer ein paar Klamotten keine persönlichen Sachen bei ihr gehabt. Er stopfte sie in eine Plastiktüte und hing sie zum Mitnehmen an die Wohnungstür. Dann nahm er sein Foto, das er ihr vor Monaten geschenkt hatte, aus ihrem Portemonnaie und vergewisserte sich, dass auch sonst keines von ihm irgendwo zu finden war. Alles, was er anfasste, wischte er anschließend sorgsam mit einem feuchten Lappen ab.

      Nach getaner Arbeit schlich er sich, schweißnass und völlig erschöpft, aus der Wohnung und reinigte beim letzten Schließen der Tür noch die Klinken.

      Das Baby ließ er schreiend zurück.

      Sonntag, 05. Oktober 2014 20:39 Uhr

      Jack Calheys Finger trommelten nervös neben dem Touchpad seines Notebooks, während die letzten Mails abgerufen wurden. Seine Anspannung wich sofort Ernüchterung, als der Ladevorgang abgeschlossen war. Es war wieder keine Nachricht von Felix dabei; erneut kein Lebenszeichen von seinem Freund.

      Grace, die gerade ins Wohnzimmer kam, hatte den zunächst gespannten und dann sichtlich enttäuschten Gesichtsausdruck ihres Mannes bemerkt.

      »Wieder nichts?«, fragte sie mitfühlend, stellte ihre dampfende Teetasse auf den Couchtisch und setzte sich neben ihn.

      »Nein«, antwortete er zerknirscht.

      Sie zog die Beine an und ließ sie unter ihre Decke mit dem Kilt-Muster schlüpfen. Anschließend legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und sah auf den Bildschirm.

      »Von wem ist denn die Mail mit ›Hat das jetzt endlich mal geklappt?‹?«

      Jack lachte trocken und rieb sich die müden Augen mit Daumen und Zeigefinger. »Von meinem Dad. Er hat einen neuen Provider und ist mit dem Einrichten der E-Mail Zugangsdaten hoffnungslos überfordert.«

      »Aber jetzt scheint’s ja geklappt zu haben. Schreib ihm das doch zurück«, schlug Grace vor.

      »Nicht jetzt. Das artet nur in eine nicht enden wollende Debatte mit ihm über den Sinn und Nutzen von modernen Kommunikationsmitteln wie dem Internet aus. Dann mischt sich noch meine Mutter ein und am Schluss hänge ich sowieso wieder für mindestens eine Stunde am Telefon.«

      Grace brummte verstehend und nahm die Tasse vom Tisch. Sie pustete hinein, so dass die kleinen Dampfwölkchen sich im Wohnzimmer auflösten. Jack spürte ihren besorgten Blick auf sich ruhen. Sie wusste, dass er beunruhigt war und sie wusste auch, warum: Sein Freund Felix Byrne war vor dreizehn Tagen zu einer eigentlich nur kurzen Recherchereise in die schottischen Highlands aufgebrochen. Außer einer Mail, die er unmittelbar nach seiner Ankunft von seinem Handy aus geschickt hatte, hatte Jack seitdem kein Lebenszeichen mehr von ihm erhalten. Das passte weder zu Felix noch war es so verabredet gewesen. Eigentlich hätten sie sich vor drei Tagen, an Graces Geburtstag, sehen wollen.

      »Wie lange ist er jetzt weg?«, fragte sie.

      »Dreizehn Tage.« Jack war überhaupt nicht wohl in seiner Magengrube. Er scrollte im Mailprogramm etwas nach unten und suchte diese letzte Nachricht von Felix; sie stammte vom dreiundzwanzigsten September. Er öffnete sie und las erneut den Text, in der Hoffnung, darin irgendeine versteckte Botschaft oder sonst einen Anhaltspunkt für das ungewöhnliche Verhalten seines Freundes zu finden.

      Der Betreff war: ›Bin angekommen‹. Dann folgte ein knapp formulierter Inhalt:

       Hi Jack.

       Bin angekommen! Gleann Brònach liegt landschaftlich schön, aber ziemlich isoliert. Ein Netz zu kriegen, ist Glückssache. Die Leute sind schräg drauf, komme mir wie ein Alien vor. Zimmer ist ok, aber zu teuer. Morgen dann der große Tag, bin gespannt optimistisch. Bis später.

       Gruß Felix

      »Was wollte er da?«, fragte Grace, die über Jacks Schulter mitgelesen hatte.

      »Für sein neues Buch rechechieren, was sonst. Er jagt wieder Geistergeschichten und ähnlichem Gruselkram hinterher, aber diesmal aus der Neuzeit.«

      Obwohl er Felix‘ Berichten zu seinen Nachforschungen stets gebannt zugehört und auch seine Publikationen gelesen hatte, hatte die Thematik auf ihn selbst nie einen so faszinierenden Reiz ausgeübt, wie auf seinen Freund. Jacks Interessen lagen, schon alleine bedingt durch seinen Job als Reporter für den ›Loughton Courier‹, in nüchternen Fakten. Das Plakatieren von Skandalen, das Bloßstellen von politischen und wirtschaftlichen Verfehlungen und das

      Aufzeigen von Missständen waren sein Beruf und zugleich seine Berufung. Meistens nicht eben ruhmreich und sehr oft auch mit großer Antipathie ihm gegenüber verbunden, aber einträglich und befriedigend. Und vor allem: Seine Arbeit machte ihm Spaß!

      Felix Byrne, der sechs Jahre älter war als Jack, war hauptberuflich Automechaniker mit Spezialisierung auf Motorräder. Und so hatten sie sich auch kennen gelernt: Jack hatte auf Empfehlung eines Bekannten seine Yamaha mit einem Kupplungsschaden zu ihm gebracht; das war vor über sieben Jahren gewesen. Man war ins Gespräch gekommen, hatte gefachsimpelt und sich schnell angefreundet. Das war noch zu einer Zeit, als Jack keine feste Freundin, geschweige denn eine Ehefrau hatte. Er war damals ständig mit dem Motorrad unterwegs und fast jeden zweiten Tag in Felix‘ Werkstatt gewesen; zum Schrauben und quatschen. Oder sie hatten sich abends auf ein Ale im Pub getroffen. Was anfänglich Felix‘ Hobby gewesen war, nämlich Geschichten über Geister, Sagengestalten und sonstige mysteriöse Phänomene, hatte er irgendwann, dank seiner fundierten Kenntnisse, zu einem zweiten Standbein ausbauen können. Bereits zwei Bücher hatte er inzwischen zu diesem Thema veröffentlicht und sie verkauften sich erstaunlich gut. In den einzelnen Kapiteln beschrieb Felix zunächst die Ereignisse an sich: Die Sichtung von Toten und Geistern, schauerliche Vorkommnisse wie Massensuizid oder blutende Wände, Selbstentzündungen und ähnliches. Er belegte anhand der von ihm akribisch recherchierten Quellen, wie die Menschen auf diese Geschehnisse reagierten. Es war zu Hexenprozessen gekommen, zur Aufgabe ganzer Dörfer und Landstriche oder zu plötzlichem, religiösem Wahn. Dann, im zweiten Teil erläuterte Felix die verschiedenen Theorien aus vorhandenen Dokumentationen und von führenden Experten auf den jeweiligen Gebieten, die er selbst interviewt hatte. Alles in allem eine Menge Arbeit für zweimal knapp dreihundert Seiten.

      Felix‘

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