Ort des Bösen. J.P. Conrad
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Читать онлайн книгу Ort des Bösen - J.P. Conrad страница 6
Wie gefährlich konnte das schon werden?
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Grace, fast schon ängstlich.
»Hast du doch gehört«, antwortete er nur knapp, denn er musste jetzt etwas Wichtiges erledigen, das keinen Aufschub duldete. Er nahm das Notebook auf seinen Schoß und ging ins Internet.
»Du bist weder Polizist noch Privatdetektiv«, stellte Grace zu Recht fest. »Also was soll der Blödsinn? Lass doch die Profis ihre Arbeit machen und misch dich nicht immer ein!« Sie schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Gott, ich klinge wie meine Mutter!«
»Aber wenigstens siehst du nicht aus wie sie, das macht einen Vorteil von mindestens fünfzig Prozent für mich aus«, antwortete er trocken, den Blick konzentriert auf das Display seines Computers gerichtet.
Grace beugte sich in sein Sichtfeld und ihre blonden Haare fielen ihr vors Gesicht.
»Du bist ein sturer Vollidiot«, sagte sie, aber ein Hauch von Ironie schwang in ihrer Stimme mit. »Was machst du denn da jetzt?«
Eine Antwort erhielt sie nicht, Jack war gerade viel zu sehr beschäftigt. Allerdings verriet ihr ein Blick auf den Bildschirm, was er vorhatte, denn er war gerade dabei, die Flugverbindungen von Heathrow nach Schottland zu checken.
Montag, 06. Oktober 2014 09:40 Uhr
Der Hörer flog auf die Gabel und Detective Chief Inspector Hubert Macintosh kratzte sich mit unzufriedener Miene am Kopf.
»Tja«, war sein erster Kommentar, der nicht gerade von Enthusiasmus triefte.
Jack hatte dem für ihn einseitigen und recht kurzen Gespräch keinerlei hilfreiche Informationen entnehmen können. Ungeduldig rutsche er auf seinem Stuhl etwas weiter nach vorne.
»Und?«
»Also gesucht wird wohl nach ihm. Der zuständige Beamte ist allerdings gerade nicht da.«
Jacks Mundwinkel wanderten nach unten. »Klingt ja super professionell.«
»Ich habe vollstes Vertrauen in die Kollegen da oben«, erklärte Macintosh und hob besänftigend die Hand. »Sie befolgen ihre Vorschriften für die Suche nach vermissten Personen. Es ist schließlich ihre Pflicht.«
Er hielt kurz inne, als ginge ihm etwas durch den Kopf, das mit dem Telefonat zusammen hing. Jack bemerkte das.
»Was?«
Der Inspektor machte eine herunterspielende Handbewegung. »Nichts.« Er bedachte sein Gegenüber mit einem eindringlichen Blick.
»Diese Miss Spencer hat Ihnen wirklich keine weiteren Anhaltspunkte zu seinem Vorhaben geben können?«
»Nicht mehr, als er mir selbst gesagt und geschrieben hat. Er wollte drei Tage fort bleiben und sich bei Alice zwischendurch telefonisch melden.«
»Und das hat er nicht getan«, vervollständige der Macintosh den Satz nickend. Er fuhr sich mit den Fingern durch seinen ergrauten Schnauzbart. Dann sah er auf seine Armbanduhr und ließ angestrengt etwas Luft aus seinem Mund entweichen.
Jack kannte den Inspektor nun seit fast vier Jahren; seit sie sich bei den Ermittlungen im Mordfall des Industriellen Byron Moore zum ersten Mal begegnet waren. Der schlanke, hochgewachsene Mann war ein Kriminaler der alten Garde, der stets Anzug und Krawatte trug und, sehr zum Leidwesen seiner Frau, voll in seinem Beruf aufging. Er war ein oft mürrisch wirkender Charakter, insbesondere wenn es um die mit seiner Arbeit einhergehende Bürokratie ging, dafür aber umso geschärfter in seiner Ermittlungsarbeit.
Er hatte Jack einmal überredet, in einem mehr als waghalsigen Einsatz als Lockvogel zu fungieren, was dieser fast mit dem Leben bezahlt hätte. Seitdem gab es zwischen den beiden ein stilles Abkommen: Man half sich hier und da gegenseitig bei Ermittlungen, beziehungsweise Recherchen ein wenig auf die Sprünge – sofern es gesetzlich vertretbar war. Macintosh war an der Einhaltung der Vorschriften viel gelegen, so schien es zumindest. Aber Jack wusste, dass auch er diese hin und wieder zu seinen Gunsten auslegte, um ein Verbrechen aufzuklären. Dies hatte ihm und seinem Kollegen Steven Highsmith sogar einmal, wenn auch nur kurzzeitig, eine Suspendierung eingebracht. Jetzt stand der Inspektor, der schon jenseits der Sechzig war, kurz vor seiner Pensionierung.
Steve, den Jack ebenso lange kannte, war ihm inzwischen ein guter Freund und Vertrauter geworden. Auch er hatte ihm schon mehr als einmal wertvolle Informationen zu laufenden Ermittlungen zukommen lassen, was er aber aus rein freundschaftlichem Antrieb heraus tat. Es war ein Glücksfall für Jack, diesen ›Verbündeten‹ bei Scotland Yard zu haben.
Sie schwiegen einen Moment. Jacks Blick fiel auf die Wand mit den Informationen zu einem aktuellen Fall, der jüngst in London für Aufsehen gesorgt hatte.
»Wie kommen Sie mit der ›Behind the Door‹ Geschichte voran?«, fragte er im Plauderton. Er erntete sofort einen strafenden Blick des Kriminalen und machte daraufhin eine abwehrende Handbewegung. »Keine Angst, ich bin nicht an dem Fall interessiert!«
Macintosh sah zur Ermittlerwand und seufzte. »Vier Leichen, laut Videoüberwachung zwei Täter, wobei einer eindeutig eine Frau ist.«
»Eine Frau? Wow.«
Der Inspektor hob drohend den Finger. »Calhey, ich warne Sie! Wenn ich auch nur eine Zeile darüber in Ihrem Käseblatt lese…«
Detective Inspector Highsmith betrat den Raum, was für die beiden Wartenden einer Erlösung gleich kam. Jack konnte im Gesicht seines guten Freundes jedoch nicht das von ihm erhoffte, zufriedene Lächeln entdecken.
»So leid es mir tut, aber das Mobiltelefon ist nicht zu orten.«
»Okay«, sagte Macintosh direkt, als ob er mit diesem Ergebnis bereits gerechnet hätte. »Danke, Steve.«
»Er hat es also tatsächlich ausgeschaltet?«, fragte Jack zweifelnd und fügte sofort hinzu: »Das würde er nie tun, das weiß ich. Er kann nicht ohne das Ding sein, das hat er mir selbst mal gesagt. Er muss immer erreichbar sein und vor allem seine Mails abrufen können.«
»Eine Volkskrankheit«, murrte Macintosh, der selbst ein Smartphone besaß, von dem Jack aber wusste, dass er es fast ausschließlich als Ersatz für einen Notizblock benutze.
»Es muss es nicht zwangsläufig ausgeschaltet haben«, erklärte Highsmith. »Der Akku kann beispielsweise leer sein.«
»Was allerdings bedeuten würde, dass Felix nicht mehr in der Lage war, ihn zu laden oder zu wechseln«, brummte Jack grübelnd. An den Inspektor gewandt, der bereits den Mund zu einem Kommentar geöffnet hatte, sagte er: »Das Ladekabel hatte er eingepackt. Alice hat es selbst gesehen!«
»Zudem setzt eine erfolgreich Ortung auch voraus, dass das Gerät Satellitenkontakt hat und sich in keinem Funkloch befindet«, fuhr Highsmith fort. »In den Highlands kann das allerdings durchaus