Skyline Deluxe. Marianne Le Soleil Levant

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Skyline Deluxe - Marianne Le Soleil Levant

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nach, viele besonders eitel, weil sie sich etwas auf ihr Talent einbildeten. War es nicht ein Gottesgeschenk? In Japan legte man doch Wert auf Demut. In Asien war die Person doch eher zweitrangig. Sich wichtig tun, galt als unfein. Eine schöpferische Seele könnte ein guter Grund für seine spontane Zuneigung so intensiver Ausprägung zu dieser Fremden sein. Ähnliche Gemüter zogen sich durch deckungsgleiche Schwingungen an. Eine Art Telekinese. Sie könnte dann im Geist über ein aktuelles Werk versunken sein. Wenn es aber diesen Gleichklang zwischen ihrer beiden Wesen gibt, musste sie das auch spüren und doch irgendwie reagieren. Oder war ihre Aufmerk­samkeit wirklich so andächtig auf eine andere Angelegenheit gesammelt? Meine Güte, zu viele Gedanken. Reagierte sie vielleicht einfach wie Frauen anderer Nationen, aller Nationen, die nicht gerade im technologischen Rückstand archaischem Totemkult huldigten? Sie war doch in Thailand. Im Fünf-Sterne-Hotel. Also Kosmopolitin. Hatte sie heute noch ein Rendezvous? Dann wäre sie doch hergerichtet und geschminkt. Würde sich nicht zurück­genommen präsentieren. Wartete sie einfach auf ihren Ehemann oder eine andere lang vertraute Person? Eine gute Freundin?

      Tom sinnierte. Nein, sie wartet nicht. Ihr Verhalten zeugt von einer Pragmatik das Frühstück zu vollziehen, welche deutlich macht, sie werde den Saal nach Abschluss des Mahles genauso profan verlassen, da sie danach hier nichts mehr verloren hätte.

      Ein Besteck fallen lassen? Sie war ja am übernächsten Tisch. Warum sollte sie sich bücken? Nein, man hob kein Besteck vom Boden auf. Das tat das Personal und man bekam frisches. Sie würde keine Reaktion zeigen. Wäre nur blöd. Ansprechen, im Sinne, was sie heute vorhätte, war plump. Ihm zu plump. Man hat ja auch so seinen Stolz. Und einfach plump. Er wollte ihre Intelligenz nicht beleidigen. Komplimente kämen nicht in Frage. Sie müsste eine Oberflächlichkeit unterstellen, den Vorschub von Allgemeinplätzen durchschauen. War sie doch offenkundig nicht auf optische Wirkung aus. Seine spezielle Begeisterung, bezogen auf ausge­rechnet diese, von ihm festgestellte und daher vor allem ihn persönlich berührende Unscheinbarkeit könnte einer Unbekannten kaum anders als verquer, fast gezwungenermaßen seltsam vorkommen. Womöglich eher beleidigend. Die Glaubwürdigkeit von etwas wie: „Hallo, ich finde Sie so wundervoll unscheinbar“, war eindeutig so minimal, wie es unmittelbar blöd klang.

      Komplizierte Darlegungen mussten scheitern. Es wäre schnell peinlich. In einem öffentlichen Raum schier unerträglich. Vor all den anderen Japanern furchtbar. Bei all den Problemen entdeckte er jetzt ein neues. Was, wenn sie bald ginge?

      Das war die Lösung! Sie musste schließlich auch wieder gehen. Sie sah, wie er schon eruiert hatte, nicht nach endlosem Frühstück aus und es war eh bald Schluss damit. Er würde gehen und an den Aufzügen warten. Wie zufällig. Ein Telefonat oder Email auf dem Smartphone vortäuschen, bei ihrem Erscheinen wegen der Ab­lenkung vom Telefon beim Betreten des Lifts stolpern und so ein Missgeschick zur Kontaktaufnahme herstellen, höfliche Entschul­digung anbringen. Da konnte man sich vorstellen und vielleicht den Namen erfahren. So beginnt ein Gespräch.

      Alter Trick. Funktioniert. Wahrscheinlich sogar bei Japanern.

      Japanerinnen.

      Guter Plan.

      Ab sofort keine verfänglichen Blicke mehr in ihre Richtung und dezent das eigene Frühstück abwickeln, um dann über die Wiederaufnahme gelassenen Zeitungslesens eine zeitliche Puffer­zone aufzubauen, die sich am Fortgang des ihren orientierte, damit er nicht zu früh zu den Liften aufbrach. So eine Tageszeitung konnte man schließlich so lange lesen, wie man wollte und jederzeit weglegen, wenn man zum Beispiel zu einem festgesetzten Zeitpunkt, aber nicht früher als nötig, quasi zu einem Termin aufbrechen sollte.

      Das wäre auf gewisse Art sogar den Tatsachen entsprechend. Genial.

      Die hochflexible Tätigkeit des Zeitungslesens bot zusätzlich die Möglichkeit, unauffällig in Bewegung zu bleiben. Beim Umblättern den Stand der Dinge ohne augenscheinliches Interesse zu recher­chieren. Er studierte Abschnitte vorgeblich bewandert. Abschnitte des Wirtschaftsteiles. Die eine und andere Meldung schien es ihm auch angetan zu haben. Dann belustigte er sich über die geliebte Comicseite, um sympathisch zu wirken, sollte es doch zu einer unbemerkten Wahrnehmung seitens der Angebeteten kommen.

      Geschickt erkannte er an der abnehmenden Nahrung vor ihr und darauffolgenden Zurechtlegung des Besteckes auf dem Teller den kurz bevorstehenden Abschluss ihres Morgengedecks. Beinahe wäre ihm der Lesestoff ausgegangen. Seine Nervosität quälte Tom dabei, seine Szene zu vollenden. Bei einer so zierlichen Person wäre ein Nachschlag unwahrscheinlich. Sie würde nicht verweilen und Löcher in die Luft gucken. Da würde er sich zu sehr täuschen. Dem ernsthaften, wie unwillkürlich mechanischen und dadurch in seiner Einbildung echt wirkenden Blick auf seine Armbanduhr, es hingen für einen Frühstücksaal, des bevorstehenden Tages wegen zweckmäßig Uhren an den Wänden, fügte er das sportliche Zusammenfalten der Zeitung hinzu, woraufhin er im Vergleich zu seiner vorangegangenen Wissbegierde, die Umgebung betreffend etwas sehr teilnahmslos aufstand und zielstrebig den Saal verließ. Das könnte reell in plötzlicher Eile Erklärung finden.

      Inzwischen war er erst richtig nervös geworden. Er hatte vergessen, der Dame am Eingang freundlich zuzunicken. Das geschah nicht aus Zeitdruck. Er durfte sich ja wohl nicht umdrehen. Im Gang versuchte er zu schlendern, was dem jüngst verstrichenen Hand­lungen widersprach. An den Aufzügen druckste er herum. Wie lange konnte man da lungern, ohne komisch zu wirken? Ohne einen der Knöpfe zu drücken, gedrückt zu haben. In Richtung des Saales durfte er nicht schauen. Erst mal nicht. Wenn es die sprichwörtlichen Kohlen zum Sitzen gab, so stand Tom auf brennenden Spießen. Sekunden dehnten sich. Minuten blähten sich zu Dekaden. Andere Hotelgäste, ein japanisches Paar, erschienen, erfassten den nicht aktivierten Anforderungsknopf, sahen verdutzt zu Tom, der eigene Verwunderung vortäuschte und Gesten vollführte, die eine Zerstreutheit zur Ursache des Versehens veranschaulichten. Er wedelte mit seinem Mobiltelefon. Daran hielt er sich unbewusst fest. Die Nervosität war reichlich echt und ungelegen. Aus Toms Warte verstanden. Lächeln. Der Mann hatte den Knopf inzwischen betätigt. Höllische Sekunden verstrichen bis der Aufzug kam. Tom suchte vermeintlich etwas auf dem Bildschirm des Fernsprechgerätes. Das Paar stieg ein. Tom blieb zurück, was ihm noch weit entgeistertere Blicke des Paares durch die sich schließende Metalltür verschaffte.

      Eine fröhliche alte Europäerin, Portugiesin oder Spanierin flitzte heran, setzte eine ironisch enttäuschte Miene auf, lächelte ihn an und trat in einen gleich anschließend ankommenden Fahrstuhl ein, den vier Personen zügig verlassen hatten. Drei schnatternde Thai Teenies aus besserem Hause und ein ernster, sachlich leger gekleideter Amerikaner mittlerer Jahre, Halbglatze, leicht untersetzt.

      Keiner davon nahm Tom zur Kenntnis. Die Portugiesin machte weiter lächelnd auffordernde Bewegungen, ihr in dem Lift Gesellschaft zu leisten. Wie es aller Logik zu Folge sinnvoll erschien. Tom winkte freundlich ab. Die Türen schlossen sich auch diesmal, ohne ihren Zweck an ihm erproben zu dürfen. So als Tür wollte man einfach durchschritten werden. Wieder konnte die kleine alte Frau ihr Minenspiel der Betrübtheit aufführen, lächelte aber durch den letzten Spalt abermals. Tom zögerte. Seine zum erfolgreichen Einstieg in die gewünschte Kontaktaufnahme notwendige Haltung schmolz dahin, wie Eis in der Mittagshitze der Stadt. Er drückte den Knopf. Bevor noch jemand kam. Die unendlichen Zeiteinheiten begannen. Er hielt es nicht mehr aus und drehte den Kopf nach rechts.

      Während sie auf ihn zukam, sah sie ihm direkt in die Augen. Unverblümt offen und eisengerade. Ihre Gesichtszüge blieben regungslos. Sympathisch und verbindlich, aber ohne erkennbare Emotion. Tom versuchte eine auszumachen und war doch ein bisschen erfahren mit der scheinbaren Ausdruckslosigkeit asiatischer Gesichter. Man musste nur die Signale zu deuten wissen. Die Mimik der Asiaten unterschied sich von der extrovertierten, europäischen Version. Trotzdem existierte eine. Vielleicht könnte er ein minimales Lächeln, ein klitzekleines Hochziehen der Mund­winkelenden nachweisen, das einem Gesicht diesen sympathischen Ausdruck verlieh. Oder bildete er sich das ein. Wunschdenken. Wenn, waren es allerhöchstens o,o2 mm ihrer Mundwinkel.

      Immerhin

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