Die Frau vom Schwarzen See. Anna-Irene Spindler

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Die Frau vom Schwarzen See - Anna-Irene Spindler

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Puffmutter feucht glänzten. Dann bat sie Agnes noch kurz zu warten und verschwand in ihrem Privatsalon. Mit einer eleganten ledernen Reisetasche kam sie wieder zurück.

      „Was würde es denn bei deinem Mann für einen Eindruck hinterlassen, wenn du mit einem schäbigen Stoffbündel auftauchen würdest.“

      Sie drückte Agnes die Tasche in die Hand, ging zurück an ihren Schreibtisch und beugte sich wieder über ihre Bücher.

      „Danke“, murmelte Agnes.

      Als sie die Bürotür hinter sich zuzog, war auch dieses Kapitel ihres Lebens beendet. In ihrem schäbigen Quartier öffnete Agnes die neue Tasche um ihre wenigen Habseligkeiten darin zu verstauen. Zu ihrer Überraschung war sie nicht leer. La Rosaria hatte das Kleid hineingepackt, das Agnes im Bordell immer getragen hatte. Die Netzstrümpfe und die Schnürstiefel waren ebenfalls in der Tasche. In einem der Stiefel steckte ein Zettel.

      ‚Für den Fall, dass es mit dem Farmer nicht klappt! Viel Glück!‘

      Wer hätte das gedacht. Da hatte die knallharte Geschäftsfrau doch tatsächlich auch eine weiche Seite. Leise vor sich hin summend packte Agnes ihre Sachen. Es waren nicht viele. Nur die wenigen Dinge, die sie aus dem Böhmerwald mitgebracht hatte. Zusätzlich noch die beiden einfachen Arbeitskleider von Mariele. Hinter dem Ziegelstein unter dem Bett holte sie die Ersparnisse heraus. Zwölf Dollar waren ihr geblieben. Zwölf Dollar für ein Jahr Schufterei! Ganz egal, was in Kanada auf sie wartete, es konnte nicht schlimmer sein, als das Leben hier in Five Points.

      Pünktlich um halb sieben Uhr stand sie am nächsten Morgen vor der St. Anthony Church. Father Gregory kam gerade zum Kirchenportal heraus. Er wollte sie zum Grand Central Depot begleiten.

      „Guten Morgen! Und? Aufgeregt?“, fragte er.

      „Guten Morgen Father. Das kann man wohl sagen. Als wir im Böhmerwald losgezogen sind, hatte ich bei Weitem nicht so viel Angst. Aber da war ich auch nicht allein. Mariele war bei mir.“

      „Glaub mir, sie ist auch heute noch da. Ich bin sicher sie schaut vom Himmel auf dich herunter und ist mächtig stolz auf dich.“

      „Ach Father! Hoffentlich geht Alles gut! Hoffentlich ist er ein guter Mann“, seufzte Agnes.

      „Timothy Walsh ist ein guter Menschenkenner. Wenn er deinen Mann für einen anständigen Kerl hält, dann ist er das auch“, sagte Father Gregory.

      Er tätschelte ihr beruhigend den Arm und griff nach der Reisetasche.

      „Können wir?“, fragte er.

      Agnes atmete tief ein. Dann straffte sie die Schultern und nickte.

      „Ich bin bereit.“

      Nebeneinander gingen sie die Anthony Street entlang zum Bahnhof.

      Mai 1871

      Agnes schloss die Augen und lehnte den Kopf zur Seite. Mit einem Ruck fuhr die Kutsche los. Ihre Schläfe schlug gegen den hölzernen Rahmen des Fensters. Aber Agnes spürte es nicht. Bleierne Müdigkeit hatte sie in eine gnädige Lethargie versetzt. Sie hörte und fühlte nichts mehr. Eine halbe Ewigkeit schaukelte sie nun schon kreuz und quer durch das Land. Die entsetzliche Reise schien kein Ende nehmen zu wollen. Wenn sie morgens vollkommen gerädert auf irgendeiner Pritsche in irgendeiner Poststation aufwachte, war sie sicher, dass sie dazu verdammt war sich bis ans Ende ihrer Tage in irgendeiner Kutsche durchrütteln zu lassen. Ihr Körper war übersät mit blauen Flecken und der Staub, der durch die offenen Fenster ins Wageninnere gelangte, hatte sich in jeder Faser ihrer Kleidung und in jeder Pore ihres Körpers festgesetzt. Er war in ihren Augen, in ihren Ohren und in ihrer Nase. Und er knirschte zwischen den Zähnen.

      Wie bequem war sie doch zu ihrem neuerlichen Abenteuer aufgebrochen! Leider war diese Bequemlichkeit nur von kurzer Dauer gewesen. Es hatte sich herausgestellt, dass die Gleise noch nicht fertig verlegt worden waren. Obwohl man ihr ein Billet bis Chicago verkauft hatte, endete die Fahrt in dem komfortablen Zug bereits fünfundzwanzig Meilen vor der Stadt. Sie musste in eine Kutsche umsteigen. Seither ruckelte und zuckelte sie in unterschiedlichsten Gefährten über staubige Straßen. Lediglich unterbrochen von der Überfahrt mit der Fähre von Chicago nach Milwaukee.

      Zu ihrem eigenen Erstaunen, hatte sie sich sehr schnell mit den Gepflogenheiten des Reisens vertraut gemacht und alle Herausforderungen des Umsteigens und der Quartiersuche souverän gemeistert. Keine Verzögerung, kein Achsbruch, kein Umweg, keine Zwangspause wegen unpassierbarer Wege hatte sie erschüttern können. Aber jetzt, nach so vielen Tagen auf der Straße, war sie mit ihrer Kraft und ihrer Geduld am Ende.

      Vor einer halben Stunde hatten sie die Grenze nach Kanada passiert. Wenn man dem Kutscher Glauben schenken durfte, würden sie den Ort Cudeca gegen Mittag erreichen. Noch vor drei Tagen, wäre Agnes bei dieser Aussage vor Aufregung völlig aus dem Häuschen gewesen. Inzwischen würde sie erst glauben, dass sie tatsächlich angekommen war, wenn sie mit ihrer Reisetasche in der Hand auf dem Marktplatz von Cudeca stand.

      Wenigstens saß sie allein in der Postkutsche. Ein Luxus, der ihr zum ersten Mal zuteil wurde, seit sie unterwegs war. Kein dicker, schwitzender, Tabak kauender Mann, der an ihre Schulter gelehnt schnarchte. Keine nach aufdringlichem Parfüm stinkende Frau, mit Federn am Hut, die ihr bei jedem Ruckeln der Kutsche über das Gesicht wischten. Kein plärrendes, sabberndes Kleinkind, das mit klebrigen Fingern nach ihren Haaren grabschte. Nein! Außer ihr wollte keine Menschenseele nach Cudeca.

      Agnes öffnete die Augen und sah zum Fenster hinaus. Ganz allmählich hatte sich die Landschaft verändert. Das endlose Grasland war jetzt durchzogen von Büschen. Auch war es hier viel hügeliger als in der Gegend, die sie in den vergangenen Tagen durchquert hatten. Am Horizont erhob sich ein bewaldeter Bergzug, hinter dem im Dunst gezackte Berggipfel in den Himmel ragten. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Tatsächlich! Viele der Gipfel waren weiß! Aufgeregt streckte Agnes den Kopf zum Kutschenfenster hinaus. Zum ersten Mal seit vielen Tagen genoss sie den Ausblick.

      Und wie aus dem Nichts war sie plötzlich da, die Vorfreude auf das was am Ende der Reise auf sie wartete. Die Bedenken und Ängste, die sie begleitet hatten, seit sie in New York in den Zug gestiegen war, verflogen. Die mittellose Magd, Wäscherin, Kellnerin Agnes Pangerl hatte sie Tausende Meilen hinter sich gelassen. Hier saß jetzt Agnes Mundl die Farmerfrau! Nie gekanntes Selbstbewusstsein durchströmte sie bei diesem Gedanken. Und ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit gegenüber dem unbekannten Mann, der sie aus dem elenden Leben herausgeholt und zu seiner Ehefrau gemacht hatte. Sie würde ihm eine gute Frau sein. Es gab nichts, was sie nicht konnte. Auf dem Feld, im Stall, im Garten, im Haus würde sie hart arbeiten und ihn nach besten Kräften unterstützen. Wie es wohl aussehen mochte, ihr neues Zuhause? Ob es wohl Felder gab, auf denen sie Getreide anbauen würden? Oder Kartoffeln und Rüben? Vielleicht konnten sie ja sogar Flachs aussäen. Mit welchen Tieren Andreas Mundl wohl die Felder bestellte? Mit Ochsen oder mit Pferden? Wenn er Kühe oder Ziegen hielt, konnte sie Käse machen. Wuchsen Obstbäume auf der Farm, würde sie Marmelade einkochen oder die Früchte für den Winter dörren. Vielleicht gab es ja sogar einen Backofen. Dann konnte sie runde knusprige Brote backen.

      Voller Begeisterung klatschte sie in die Hände. Oh nein! Andreas Mundl würde es nicht bereuen, sie geheiratet zu haben!

      Mit einem Ruck kam die Kutsche zum Stehen. Agnes war eingenickt und rutschte von der Bank.

      „Aua!“, schrie sie empört und rieb sich die schmerzenden Knie.

      „Wir sind da Ma’am!“,

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