Himmel. Harald Winter

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Himmel - Harald Winter

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einen Moment schwankte er unsicher und hätte sich beinahe wieder setzen müssen, aber er schaffte es. So musste es jemandem ergehen der plötzlich erblindete. Aber er war nicht blind. Oder doch? War das vielleicht eine seltsame Form von Blindheit von der er einfach noch nichts gehört hatte? Jonathan schloss die Augen. Das Licht drang nur noch stark gedämpft durch seine Lider. Als er die Augen wieder öffnete strahlte es hell wie zuvor. Er konnte also sehen. Zumindest den Unterschied zwischen hell und dunkel. Vielleicht gab es hier, wo immer dieses hier auch war, einfach nichts anderes zu sehen. Was für ein Ort soll das sein? Und wo war Linda? Sie hatte im Auto neben ihm gesessen. Ging es ihr gut, oder war sie... Mit voller Wucht fegte eine Welle aus Angst und Nervosität über ihn hinweg. Die Fesseln die die seltsame Situation seinem Geist auferlegt hatte zerrissen bei dem Gedanken an seine Frau. Er breitete die Arme aus, drehte sich hektisch im Kreis und tappte ziellos herum; suchte nach etwas das er berühren konnte; nach etwas Realem. Aber hier gab es nichts außer diesem kühlen, glatten Boden und dem Bett auf dem er gelegen hatte. Das musste die Hölle sein. Oder etwas ganz ähnliches. Jonathan ließ die Arme sinken und blieb schwer atmend stehen. „Linda!“ schrie er so laut er konnte. Seine Stimme wurde von keinem einzigen Hindernis zurückgeworfen und verklang einfach im Nirgendwo. Es gab keinen Nachhall, kein Echo. Er hatte schwach und kraftlos geklungen. Kein Schrei; eher ein heiseres Krächzen. Wenn sie noch nebeneinander im Wagen saßen und er sich alles andere zusammen fantasierte dann würde sie ihn hören; wenigstens wenn sie nicht bewusstlos war. Oder... daran wollte er gar nicht denken. Wenn er aber tatsächlich irgendwo anders war - in einem Krankenhaus zum Beispiel – dann war sie wahrscheinlich zu weit entfernt. Jonathan drehte sich erneut um die eigene Achse. Ein seltsames Krankenhaus musste das sein. Vielleicht war er doch in einem Irrenhaus gelandet; hatte den Tod seiner Frau nicht verkraftet und war ausgerastet. Er wäre nicht der Erste gewesen. Aber selbst in einem verdammten Irrenhaus hatten die Räume Wände. Das hier schien nicht einmal ein richtiger Raum zu sein. „Linda!“ schrie er noch einmal so laut er konnte, aber wieder wurde seine Stimme einfach verschluckt als wäre er von dichter Watte umgeben. Jonathan spürte den starken Impuls sich einfach auf den Boden zu setzen und darauf zu warten, dass etwas geschah. Dass jemand kam, um sich um ihn zu kümmern. Nur mit äußerster Mühe konnte er der Versuchung widerstehen. Wenn er nachgab würde er vielleicht nie mehr aufstehen. Ohne zu wissen wohin stolperte er weiter, die Arme vor sich ausgestreckt wie ein Blinder, der keine Ahnung hatte welche Hindernisse sich ihm in den Weg stellen würden.

      Jonathan blieb keuchend stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn... besser gesagt wollte er es. Sein Handrücken berührte trockene Haut, die sich wie Pergament anfühlte. Vielleicht lag es daran, dass er seit Stunden nichts mehr getrunken hatte; vielleicht auch länger. Oder... Idiot schalt er sich. Immer noch spukte der Gedanke, dass er bei dem Unfall gestorben war in seinem Kopf herum. Dabei wusste er doch genau, dass Tote nicht mehr nachdachten. Wenn kein Strom mehr durch die Nervenzellen floss, dann erlitt ein Mensch das selbe Schicksal wie ein Computer dem man den Stecker zog. Das war seine Überzeugung seit er denken konnte. Nun ja. Vielleicht auch erst seit ein wenig später. Der Gedanke an ein Leben nach dem Tod war für ihn genauso lächerlich, wie der an einen fliegenden Elefanten. Er legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Nach wenigen Augenblicken schloss er gequält die Augen. Überall nur dieses verdammte Licht. Was hätte er nicht alles für ein Wenig undurchdringliche Dunkelheit gegeben; oder auch nur für einen einfachen Schatten. Wenn er nur nicht mehr diese grauenvolle Wüste aus Licht durchqueren musste in der etwas schreckliches lauerte. Irgendwo; verborgen und unsichtbar. Das spürte er nun ganz deutlich. Immer mehr verlor er sich in einer absurden Gedankenwelt. Obwohl er sich dessen bewußt war, konnte er nichts dagegen tun. Jonathan senkte den Kopf und taumelte weiter. Hier konnte es nicht überall so aussehen. Irgendwo musste ein Ausgang sein; oder etwas ähnliches. Er hoffte nur, dass er sich nicht ständig im Kreis bewegte. Hatte er nicht irgendwo gelesen, dass Wanderer die sich verirrten, oft aufhörten sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren, dadurch schließlich alle Orientierungspunkte übersahen und sich aus einem Grund, den er nicht mehr wusste ohne es zu wollen im Kreis bewegten? Hier gab es keine Orientierungspunkte, auf die er achten konnte, also woher zum Teufel sollte er wissen, ob er vielleicht genau am dem Punkt an dem er sich gerade befand schon gewesen war? Er konnte nur sicher gehen wenn er stehen blieb. Aber was dann? Die Bewegung war das einzige das ihm half seinen Verstand zu bewahren. Er taumelte weiter. Und immer weiter.

      Jonathan rieb sich die Augen, presste die Lider fest zusammen und öffnete sie wieder. Es war immer noch da. Wenn ihm die eigene Fantasie keinen Streich spielte dann war da etwas, dessen Umrisse sich zusehendes aus der monotonen Helligkeit schälten während er näher und näher kam. Irgendwie sah es aus wie ein... Berg. Ja. Zerklüftete Felsen die so hoch aufragten, dass sich die Gipfel seinen Blicken entzogen. Wo bin ich hier nur gelandet? Jonathan schüttelte leicht den Kopf. Nichts um ihn herum schien irgend einen Sinn zu ergeben. So etwas konnte es – durfte es einfach nicht geben. Er kannte keinen Ort, an dem es unentwegt gleißend hell war. Dann war da noch der Boden sich anfühlte wie fugenlose Fliesen. Welcher Raum war so groß, dass man ohne mit irgendetwas zusammenzustoßen laufen konnte, bis man einfach nicht mehr konnte? Nein. Entweder war er bereits verrückt geworden und sprang sabbernd in einer Gummizelle umher während er sich das alles hier einbildete, oder aber er befand sich nicht mehr in der Welt in die er hineingeboren worden war. Jonathan runzelte die Stirn. Beide Möglichkeiten schienen ihm nicht sonderlich einladend zu sein, wobei die Erste noch weniger erschrecken war, als die andere. Um sich abzulenken konzentrierte er sich wieder auf den Berg, dem er sich auch während seiner Überlegungen stetig genähert hatte. Er war jetzt nah genug, um zu erkennen wie gewaltig dieses Felsengebilde wirklich war. Vor ihm ragte ein richtiges Bergmassiv auf; mindestens 3000 Meter hoch und wenigstens fünf Kilometer lang. Es sah aus als hätte jemand ein Stück aus einem Gebirge geschnitten und es hierher versetzt. Aber wie? Wozu? Hier schien niemand außer ihm zu sein, und das jemand das alles hier nur wegen ihm inszenierte erschien ihm ziemlich unwahrscheinlich. Es war nichts besonderes an ihm das diesen Aufwand rechtfertigte. Also musste etwas anderes dahinter stecken. Vielleicht war es völlig normal, dass diese ewige Ebene an irgend einer Stelle von einem Berg unterbrochen wurde. Normal nach den Maßstäben die hier galten. Wo auch immer dieses Hier eigentlich war. In deinem Kopf. Jonathan wurde langsamer als er den Fuß des Gebirges erreichte. Er legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Der Fels schien beinahe senkrecht über ihm aufzuragen. Irgendwo weit oben verschwand er in einer Art von leuchtendem Nebel. Was sollte er tun? Versuchen die Wand nach oben zu klettern um zu sehen was hinter diesem Nebel war? Den Berg nicht weiter beachten und weiter ziellos über die Ebene wandern, die wenn er Pech hatte tatsächlich unendlich war? Oder einfach die Tatsache akzeptieren, dass er den Verstand verloren hatte und sich einfach hinsetzen und darauf warten, dass jemand kam und ihn in eine Zelle brachte? Natürlich nicht ohne ihm vorher eine Spritze mit einem Mittel zu verpassen, das sich von einer Droge nur durch den Beipackzettel unterschied. Unschlüssig drehte er sich einmal im Kreis während sich in seinen Beinen ein seltsames Ziehen auszubreiten begann das von seiner zunehmenden Nervosität zeugte. Er musste etwas tun. Und zwar schnell. Bevor der animalische Teil seiner Persönlichkeit, der in jedem Menschen schlummerte – bei manchen weniger gut verborgen als bei anderen, die Kontrolle übernahm und ihn zu einer völlig irrationalen Handlung zwang die schlimme Konsequenzen für ihn haben mochte. Unwillkürlich musste er grinsen, als er sich fragte was denn angesichts der Umstände in denen er sich befand eine rationale Handlung sein mochte, die keine Gefahr bedeutete. Die verfügbaren Auswahlmöglichkeiten, die diese Bedingungen erfüllten erschöpften sich höchstwahrscheinlich darin, sich hinzusetzen und einfach gar nichts zu tun. Dieses Verhalten mochte das Risiko auf die Gefahr zu verhungern eingrenzen. Jonathans Grinsen verschwand schnell als ihm bewusst wurde, dass er sich tatsächlich bald mit diesem simplen Problem auseinandersetzen würde müssen. Wo sollte er hier etwas zu essen herbekommen; oder auch einfach nur Wasser? Er würde lange vor dem Zeitpunkt verdurstet sein an dem der Hunger unerträglich wurde. Es ist eigentlich scheißegal was du tust. Also kannst du auch gleich auf den Berg klettern. Jonathan war noch nicht bereit den Pessimismus seiner inneren Stimme zu teilen, aber er musste ihr doch in einem Punkt recht geben. So absurd es auch klingen mochte so konnte der Versuch den seltsamen Berg zu besteigen die einzig sinnvolle seiner begrenzten Möglichkeiten sein. Vielleicht konnte er von dort oben aus etwas sehen das ihm vom Boden aus verborgen blieb. Vielleicht war dort oben auch irgend etwas...

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