Bel-Ami. Guy de Maupassant

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Bel-Ami - Guy de Maupassant

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zögerte, errötete und wurde verwirrt. Endlich murmelte er:

      »Es ist nur ... ich habe keinen passenden Anzug ...«

      Forestier war starr.

      »Was? Du hast keinen Frack? Teufel noch mal! Das ist doch etwas Unentbehrliches! In Paris kann man ein Bett vielleicht entbehren, einen Frack nie. Dann griff er plötzlich in seine Westentasche, zog eine Handvoll Geld hervor und legte zwei Zwanzigfrancsstücke vor seinen alten Freund hin, wobei er in einem herzlichen und vertrauten Ton sagte:

      »Du gibst sie mir wieder, wenn du kannst. Leihe oder kaufe dir die nötigen Kleidungsstücke, indem du eine Anzahlung gibst. Jedenfalls erwarte ich dich morgen um halb acht in. meiner Wohnung, 17 Rue Fontaine, zu Tisch.«

      Duroy war verwirrt, aber er nahm das Geld und stammelte:

      »Du bist wirklich zu liebenswürdig, ich danke dir herzlich ... Verlaß dich darauf, ich werde es nie vergessen.«

      »Gut, gut!« fiel ihm der andere ins Wort. »Nicht wahr, wir trinken noch ein Bier?« Und er rief: »Kellner, noch zwei Bock!«

      Dann, als sie ausgetrunken hatten, fragte der Journalist:

      »Willst du noch ein Stündchen bummeln?«

      »Aber gewiß!«

      Und sie brachen auf und gingen in der Richtung nach Madeleine.

      »Was sollen wir tun?« fragte Forestier. »Man sagt, in Paris hat man stets was zu tun, wenn man bummelt. Das ist nicht wahr. Wenn ich abends bummeln will, weiß ich nie, wohin ich gehen soll. Eine Fahrt ins Bois macht nur Spaß, wenn noch ein Weib dabei ist, und da hat man nicht immer eins bei der Hand. Die Cafés mit Musik mögen meinen Drogisten mit seiner Frau zerstreuen, mich nicht. Was also tun? Nichts! Man müßte hier einen Sommergarten haben, wie den Park Monceau, der nachts geöffnet wäre, wo man ausgezeichnete Musik hörte und unter den Bäumen Erfrischungen nehmen könnte. Das wäre kein eigentliches Vergnügungslokal, aber ein Ort, wo man sich behaglich aufhalten könnte. Man müßte hohe Eintrittspreise nehmen, um hübsche Damen herbeizulocken. Man sollte da auf kiesbestreuten Fußwegen herumspazieren können, die elektrisch beleuchtet wären, und sich setzen können, wenn man Lust hätte, um von fern und nah Musik anzuhören. So etwas gab es früher bei Muzard, aber das war zu sehr Balllokal, zuviel Tanzmusik und zuwenig Platz, zuwenig Schatten und Dunkelheit. Es müßte ein sehr schöner, sehr großer Garten sein. Das wäre herrlich! ... Also, wo willst du hin?«

      Duroy war noch immer verlegen und wußte nicht, was er vorschlagen sollte. Endlich entschloß er sich:

      »Ich kenne die Folies Bergère noch gar nicht, da möchte ich ganz gern einmal hin.«

      »Donnerwetter!« rief Forestier, »die Folies Bergère? Da werden wir ja kochen wie im Backofen. Aber meinetwegen, es ist dort immer lustig.«

      Sie gingen wieder zurück, um die Rue du Faubourg-Montmartre zu erreichen.

      Die erleuchtete Fassade des Theaters warf grellen Schein auf die vier Straßen, die sich an dieser Stelle kreuzten. Eine Reihe von Droschken wartete auf den Schluß der Vorstellung.

      Forestier ging hinein, Duroy hielt ihn zurück:

      »Wir haben ja noch keine Billetts.«

      Worauf der andere sehr selbstbewußt erwiderte:

      »Wenn ich dabei bin, braucht man nicht zu bezahlen.«

      Als er sich den drei Kontrolleuren näherte, grüßten sie ihn, und dem mittelsten reichte er die Hand. Der Journalist fragte: »Haben Sie noch eine gute Loge frei?«

      »Aber gewiß, Herr Forestier.«

      Er nahm den Zettel, der ihm gereicht wurde, öffnete die gepolsterte, kupferbeschlagene Tür, und sie befanden sich im Theaterraum.

      Tabakdunst verschleierte wie ein leichter Nebel den Hintergrund, die Bühne und die entfernten Teile des Theaters. Dieser Nebel, der ununterbrochen in feinen bläulichen Streifen aus sämtlichen Zigarren und Zigaretten der Besucher emporstieg, ballte sich an der Decke und bildete unter der mächtigen Wölbung einen Wolkenhimmel von Rauch um den Kronleuchter und über der dicht mit Zuschauern besetzten Galerie.

      In der geräumigen Vorhalle am Eingang, die zu den Wandelgängen führte, schweiften aufgeputzte Mädchen inmitten einer Menge dunkelgekleideter Männer umher, eine Gruppe von Frauen wartete auf die Ankömmlinge, und hinter den drei Schanktischen thronten drei geschminkte, welke Verkäuferinnen von Getränken und Liebe. In den hohen Scheiben hinter ihnen spiegelten sich ihre Rücken und die Gesichter der Vorübergehenden.

      Forestier drängte sich schnell durch alle diese Gruppen und schritt rasch vorwärts, wie ein Mann, auf den man Rücksicht zu nehmen hat. Er trat an die Logenschließerin heran und sagte:

      »Loge siebzehn!«

      »Bitte, hier, mein Herr!«

      Sie wurden in einen kleinen hölzernen Kasten eingeschlossen, der keine Decke hatte, rot tapeziert war und vier Stühle gleicher Farbe enthielt, die so eng aneinander standen, daß man sich kaum zwischen ihnen hindurchschieben konnte. Die beiden Freunde setzten sich. Nach rechts und links schlossen sich in weitem Bogen, dessen Enden auf die Bühne stießen, eine lange Reihe ähnlicher Kästen an, wo gleichfalls Menschen saßen, von denen man nur Kopf und Brust sehen konnte.

      Auf der Bühne machten drei junge Männer in eng anliegenden Trikots, ein großer, ein mittlerer und ein ganz kleiner, abwechselnd Trapezkunststücke. Zunächst trat der große mit kurzen, schnellen Schritten an die Rampe vor, lächelte und grüßte mit einer Kußhand. Unter dem Trikot sah man die Muskeln seiner Arme und Beine arbeiten; er drückte seine Brust möglichst kräftig heraus, um seinen etwas zu dicken Bauch zu verbergen. Sein Gesicht glich dem eines Friseurgehilfen, und ein tadelloser Scheitel teilte sein Haar genau in der Mitte des Kopfes. Mit graziösem Sprung faßte er das Trapez und umkreiste es dann, mit den Händen daran hängend, wie ein rollendes Rad. Bisweilen hing er mit ausgestreckten Armen und steifem Körper unbeweglich wagerecht in der leeren Luft, indem er sich allein durch die Kraft seiner Handgelenke festhielt. Dann sprang er ab, grüßte nochmals lächelnd unter dem lauten Beifall des Parketts und trat wieder an die Wand zurück und zeigte bei jedem Schritt dem Publikum das Spiel seiner Muskeln.

      Duroy hatte wenig Interesse für die Darbietung. Er wandte seinen Kopf und beobachtete unaufhörlich die hinter ihm vorbeiflutende Menge von Männern und Kokotten.

      Forestier sagte: »Sieh dir mal die Leute im Parkett an, nichts als Spießbürger mit ihren Frauen und Kindern, alles brave, dumme Gesichter, die sich das hier ansehen wollen. In den Logen sitzen die Stammgäste der Boulevards, einige Künstler und Halbweltdamen, hinter uns findest du die seltsamste Mischung, die es in Paris geben kann. Was das für Männer sind? Beobachte sie mal: alles mögliche, alle Berufe und Klassen, aber das Gesindel überwiegt. Da sind die Kommis, Bankangestellte, Beamte, Verkäufer, ferner Reporter, Zuhälter, Offiziere in Zivil, Bummler im Frack, die grade im Restaurant gegessen haben und von der Großen Oper zu den Italienern rennen, und schließlich noch eine ganze Menge verdächtiger Individuen, aus denen man nicht recht klug wird. Was die Frauen angeht, so gibt es hier nur eine Art: die Halbwelt vom Americain. Sie verkaufen sich für ein oder zwei Goldstücke, wobei sie von Fremden auch fünf nehmen, und winken ihren ständigen Kunden zu, wenn sie frei sind. Man kennt sie alle seit zehn Jahren, man sieht sie jeden Abend das ganze Jahr hindurch in denselben Lokalen, mit Ausnahme, wenn sie einmal eine heilsame Kur im Frauengefängnis von St. Lazare oder im Lourcine

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