Schwarze-Witwen-Mambo. Birgid Windisch
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Seufzend wandte sich Magda um und versuchte, ein neutrales Gesicht aufzusetzen, was ihr nur teilweise gelang. Sie war einfach nicht gut darin, sich zu verstellen und jeder Tote berührte sie tief. Sie trat ans Auto, öffnete die Tür und lächelte die Frau mitfühlend an, wobei sie sah, wie das Verstehen in ihre Augen trat und Entsetzen, die Angst darin ersetzte. Die Frau schlug die Hände vors Gesicht und machte Anstalten, auszusteigen, doch Magda schob entschlossen ihre Beine, die sie schon halb aus dem Auto gehoben hatte, wieder hinein und schloss die Autotür. Sie band Fränzchen los, vertröstete ihn auf später, führte ihn zum Auto und hob ihn hinein. Dann fuhr sie Frau Lang hinunter zu ihrem Haus. „Haben sie jemanden, der sich um sie kümmern kann? Eine Freundin vielleicht, oder Verwandte, die ich anrufen kann?“, erkundigte sich Magda und wandte sich fürsorglich zu ihr um. Die Frau schluckte angestrengt und runzelte die Stirn. „Seine Wanderfreunde mögen mich nicht und die Dorfbewohner wahrscheinlich auch nicht. Höchstens den Pfarrer, oder meine Nachbarin, die kennen mich besser und wissen, dass die Gerüchte nicht wahr sind, die im Dorf herumgehen.“ Leise schluchzte Frau Lang auf und Magda legte tröstend die Hand auf ihren Arm. Dann stieg sie aus und hakte die Frau unter. Zusammen gingen sie den Weg zum Haus. Frau Lang nahm mit zitternden Fingern den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und versuchte, aufzuschließen, bekam den Schlüssel aber nicht einmal in das Schlüsselloch hinein. Vorsichtig nahm Magda ihn aus ihrer eiskalten Hand und schloss die Eingangstür auf. Dann zog sie der willenlosen Frau die Jacke aus, führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie in den Sessel. Sie sah sich suchend um, nahm die Decke, die ordentlich gefaltet auf einem Hocker lag, legte sie über ihre Beine und steckte sie sorgfältig fest. „Ich gehe nur mal hurtig zur Nachbarin, bin gleich wieder da. Soll ich ihnen noch etwas bringen?“ Frau Lang schüttelte den Kopf mit leerem Blick und Magda ging leise hinaus. „Mist, jetzt hab ich gar nicht gefragt, auf welcher Seite die Nachbarin wohnt!“, schimpfte sie dabei leise vor sich hin. Aber das Problem erledigte sich von selbst, denn als Magda zum Tor gehen wollte, öffnete es sich bereits mit leisem Quietschen. Vor ihr stand eine Frau im mittleren Alter, gepflegt, mit sichtbar besorgtem Gesichtsausdruck. „Guten Tag, ich bin die Nachbarin, Frau Lieblich, kann ich helfen, ist etwas passiert?“ Magda sah sie forschend an, beschloss, dass sie ihr vertrauen könne und nickte freundlich. „Das können sie in der Tat. Es gab leider einen Todesfall. Der Herr des Hauses kam ums Leben, mehr kann ich ihnen leider nicht sagen. Aber seine Frau hat, wie sie sich denken können, einen schweren Schock erlitten und ich fürchte, wir können sie momentan nicht alleine lassen. Würden sie das übernehmen und bei ihr bleiben, bis es ihr besser geht?“ Entsetzt sah die Frau Magda an. „Aaabbbbber jjjja, ggggern.“ „Frau Lang ist im Wohnzimmer!“ Magda legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm, trat einen Schritt zurück und ließ Frau Lieblich an sich vorbeigehen. Dann schloss sie hinter ihr die Haustür und ging zum Gartentörchen, das sie leise hinter sich zumachte.
V I E R
Magda fuhr schnell wieder zurück zu Eddie, wo sie ein Stück mit Fränzchen den Hang hinauflief. Eifrig schnüffelnd, verrichtete der endlich seine Geschäfte und Magda betrachtete derweil sinnend die Umgebung. Eine Apfelbaumpflanzung mit kleinen Bäumchen fiel ihr ins Auge und sie bewunderte die Größe, oder vielmehr, der Mangel daran. Genau meine Pflückhöhe, dachte sie dabei lächelnd. Unter einem Unterstand links davon standen einige landwirtschaftliche Gerätschaften – unter anderem ein umgebauter Rasenmäher, mit dem man herumfahren und möglicherweise auch anders geartete Arbeiten, außer Rasenmähen, erledigen konnte. Oder einfach nur herumfahren? Das würde mir auch gefallen, schoss es ihr durch den Kopf. Fränzchen knurrte plötzlich leise und Magda kam mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück. Sie betrachtete interessiert, wie er das Nackenfell hochstellte. „Das hab ich ja noch nie gesehen, Fränzchen!“ Sie bückte sich und fuhr ihm über den Kamm. Doch der Hund sah starr zum Waldrand hin, wo Magda einen Moment lang dachte, etwas aufblitzen gesehen zu haben. Sie kniff die Augen zusammen, holte ihr Handy heraus und fotografierte den Waldrand einige Male sorgfältig. Vielleicht konnte man auf einer Vergrößerung mehr erkennen. „Was machst du denn da schon wieder - Waldbilder?“ Sie zuckte heftig zusammen, sah Ben neben sich stehen, der sie freundlich anlächelte und bemerkte, dass Fränzchen begeistert wedelte und keinerlei Interesse am Wald mehr zeigte.
„Hallo Ben, bevor du da warst, hat der Hund wild geknurrt, die Nackenhaare aufgestellt und dabei zum Waldrand hingeschaut. Da ich nichts erkennen konnte, außer einem kurzen Aufblitzen, habe ich vorsichtshalber ein paar Fotos davon gemacht!“ Ben nickte stirnrunzelnd. „Wäre ja nicht das erste Mal, dass uns ein Mörder bei der Arbeit beobachtet.“ „Oder ein sensationsgeiler Spanner!“, gab Magda düster zurück.
Ben nahm ihr das Handy aus der Hand und vergrößerte das Foto. „Hier könnte tatsächlich einer stehen, schau mal!“ Magda beugte sich über das Smartphone und kniff die Augen dabei zusammen. „Es hat keinen Sinn. Ich muss es im Büro anschauen, wenn ich meine Lesebrille aufhabe.“ „Stimmt, du bist ja jetzt schon im Lesebrillenalter.“ Ben grinste frech und wurde schlagartig ernst. „War es Mord?“ Magda nickte zögernd. „Ich denke schon. Eddie hat mich gleich weggeschickt, du weißt ja, wie er ist. Ich solle keine Spuren zertrampeln. Als ob ich das schon jemals getan hätte.“ Ben lachte leise. „Du doch nicht.“ „Genau!“ Magda stupste ihn leicht in die Seite. „Doch so wie der Mann da lag, als hätte er einen Herzanfall erlitten, daneben jedoch Erbrochenes, weckte es anscheinend Eddies Verdacht und er hat gleich die Kavallerie angefordert.“ „Gut so!“, meinte Ben kurz. „Lieber einmal zu viel, als zu wenig!“ Magda nickte düster. „Hast du auch wieder recht.“ „Wie gut, dass wir unsere Susi haben. In anderen Revieren wird gerade an den Gerichtsmedizinern gespart.“ Ben musste lachen. „Na, bei uns herrschte in den letzten Jahren kein Mangel an Morden und so war sie wirklich gut ausgelastet und konnte schlecht wegrationalisiert werden, wegen mangelnder Arbeit.“ „Wohl wahr“, flachste nun auch Magda. „Wenn ich auch für die Odenwälder Bevölkerung, speziell des Mümlingtales, hoffe, dass die Morderei nicht weiter so ausartet. Ab und zu ein Mördchen würde mir schon reichen. Nur so viel, dass wir nicht die Übung verlieren.“ Ben schüttelte den Kopf, in sich hineinlachend. Wenn das jemand hören würde, der seine Chefin nicht kannte, würde er wahrscheinlich denken, dass sie sich an Morden regelrecht erfreute, dabei war Magda nur auf Gerechtigkeit aus. Es störte sie so vieles, aber ganz besonders, dass Tötungsdelikte oft weniger hart bestraft wurden, als Raub. Für sie war jedes Menschen- (und Tier-) leben wichtig – wichtiger als jedes materielle Gut, sei es Geld, Schmuck oder was auch immer.
„Anne hat sich gleich auf die Arbeit gestürzt und wahrscheinlich bereits ihr obligatorisches Taschentuch gefunden“, versuchte er Magda aus ihren Gedanken zu reißen, was ihm auch gelang, wie er erleichtert erkannte, denn ein zartes Lächeln verschönte ihr Gesicht. „Wollen wir mal nach den beiden schauen?“ „Gerne“, sagte Ben und nahm ihren Arm, als sie ins Rutschen kam.
Magda ging mit Fränzchen auf der rechten Seite und schaute sich interessiert nach allen Seiten um. „Schaust du mehr links und ich guck rechts, dass uns nichts entgeht?“ Ben nickte. „Mach ich!“ „Da!“ Triumphierend bückte sich Magda und hob ein Taschentuch mit behandschuhter Hand vom Wegrand auf. „Du machst Anne Konkurrenz. Sie wird nicht erfreut sein!“ Ben hielt lächelnd einen Plastikbeutel auf. „Vielleicht hat es ja gar nichts mit unserem Fall zu tun“, meinte Magda unsicher und ging vorsichtig weiter. Kurz darauf waren sie bei Anne und Eddie angekommen, die inzwischen Verstärkung von Susi und Freddy bekommen hatten. Susi war eben dabei, die Leiche mit Hilfe von Eddie umzudrehen, während Freddy eifrig fotografierte