Examens-Repetitorium Familienrecht. Martin Lipp
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Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › IV. Fehlerquellen im Einzelnen › 1. Ehefähigkeit
a) Ehegeschäftsfähigkeit (§ 1304)
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Die Ehefähigkeit (vgl. die Überschrift vor § 1303) beschreibt die beiden persönlichen Voraussetzungen für eine Eheschließung, nämlich die Ehemündigkeit (§ 1303) und die Geschäftsfähigkeit (§ 1304). Nach § 1304 kann eine Ehe nicht eingehen, wer geschäftsunfähig ist (§ 104 Nr. 2). Das ist in mehrfacher Hinsicht missverständlich:
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(1) Ist ein Eheschließender geschäftsunfähig, gilt nicht etwa § 105 Abs. 1 mit der Folge einer Nichtehe, sondern es liegt nach § 1314 Abs. 1 Nr. 2 lediglich eine aufhebbare Ehe mit der Begrenzung durch § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 (Bestätigung; beachte aber S. 2) vor.
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(2) Im Falle einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit i.S.v. § 105 Abs. 2 gilt ebenfalls nicht § 105 Abs. 1, aber auch nicht §§ 1304, 1314 Abs. 1 Nr. 2, sondern §§ 1314 Abs. 2 Nr. 1, 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 3: die Ehe ist wirksam, aber aufhebbar. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass § 1314 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 ebenfalls missglückt ist, denn wer bewusstlos ist, handelt überhaupt nicht; es fehlt also am Ehekonsens mit der Folge einer Nichtehe.
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(3) Die Geschäftsunfähigkeit kann partiell sein und hat womöglich keinen Einfluss auf die Eheschließungsfähigkeit. Der maßgebliche Grund, eine in diesem Sinne besondere Ehegeschäftsfähigkeit anzuerkennen, liegt in dem spezifischen Typus der hier vorliegenden personalen Willenserklärung und in einer durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Auslegung. Dies hat das OLG Braunschweig lehrbuchartig zusammengefasst:[21]
„Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 Nr. 2, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Anordnung der Betreuung ist auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten ohne Einfluss. Trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit kann eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein.[22] Selbst bei einer partiellen Geschäftsunfähigkeit kann der Betroffene für die Eingehung einer Ehe geschäftsfähig bleiben, wenn er insoweit zu der notwendigen Einsicht und freien Willensbestimmung fähig ist (sog. Ehegeschäftsfähigkeit[23]). Für die Ehegeschäftsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Eheschließende in der Lage ist, das Wesen der Ehe zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen. Bei der Ehegeschäftsfähigkeit geht es um ein besonderes „Rechtsgeschäft“, dessen Inhalt mehr als sonstige typische Rechtsgeschäfte von in der Gesellschaft fest verankerten Vorstellungen geprägt wird. Es muss deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Beeinträchtigung der Geistestätigkeit auch auf die Ehe erstreckt und ob der Ehewillige insoweit die notwendige Einsichtsfähigkeit besitzt und zur freien Willensentscheidung in der Lage ist, mag diese Einsichtsfähigkeit auch für andere Rechtsgeschäfte fehlen (…). Nach § 104 Nr. 2 sind für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit nicht so sehr die Fähigkeiten des Verstandes ausschlaggebend, als die Freiheit des Willensentschlusses.[24] Eine Person, die in der Lage ist, ihren Willen frei zu bestimmen, deren intellektuelle Fähigkeiten aber nicht ausreichen, um bestimmte schwierige rechtliche Beziehungen verstandesmäßig zu erfassen, ist deswegen noch nicht geschäftsunfähig.“
b) Ehemündigkeit (§ 1303)
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Ehemündig ist, wer die natürliche, körperliche und die notwendige persönlich-charakterliche Reife aufweist, um eine Ehe einzugehen. Dabei orientiert sich das Gesetz an der Volljährigkeit (§ 2): Eine Ehe „darf nicht“ vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden (§ 1303 S. 1) und mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, „kann“ eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden (§ 1303 S. 2). In letzterem Fall handelt es sich automatisch um eine Nichtehe; bei Zweifelsfällen kann das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe über einen Feststellungsantrag (§ 121 Nr. 3 FamFG) geklärt werden. Das Standesamt muss die Ehemündigkeit vorab klären und wird keinen Minderjährigen trauen (§ 1310 Abs. 1 S. 1). Wird die Ehe trotzdem von einer 16 oder 17 Jahre alten Person eingegangen, so ist die Ehe aufhebbar (§ 1314 Abs. 1 Nr. 1), wobei die zuständige Behörde den Aufhebungsantrag stellen „muss“ (§ 1316 Abs. 3 S. 2). Diese strikte Regelung wurde mit Wirkung zum 22.7.2017 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen[25] eingeführt, vor allem um Zwangsheiraten von eingereisten ausländischen Minderjährigen zu verhindern bzw. die Wirksamkeit zu versagen. Die Regelung ist nicht ohne Kritik geblieben, zumal ausländische Rechtsordnungen das Ehemündigkeitsalter teilweise sehr viel früher ansetzen (zu den Konsequenzen im Internationen Privatrecht vgl. Rn. 114). Dass man 16- und 17-Jährigen nun den Zugang zur Ehe ausnahmslos (insb. ohne Prüfung im Einzelfall) untersagt, kann deshalb problematisch werden, weil man ihnen damit auch alle mit der Ehe verbundenen Rechte vorenthält und damit nicht immer den bezweckten Schutz des Minderjährigen erreicht.[26]
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Schon nach bisherigem Recht „sollte“ eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Allerdings konnte einem Minderjährigen nach § 1303 Abs. 2 a.F. auf seinen Antrag durch das Familiengericht Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit erteilt werden, wenn er selbst das 16. Lebensjahr vollendet hatte und sein zukünftiger Ehepartner volljährig war. Widersprach der gesetzliche Vertreter des Antragstellers dem Antrag, so durfte das Familiengericht die Befreiung nur erteilen, wenn der Widerspruch nicht auf triftigen Gründen beruht (§ 1303 Abs. 3 a.F.). Erteilte das Familiengericht die Befreiung, so bedurfte der Antragsteller zur Eingehung der Ehe nicht mehr der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › IV. Fehlerquellen im Einzelnen › 2. Eheverbote
2. Eheverbote
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Die vom Eheschließungsrecht negativ formulierten Eheverbote[27] (§§ 1306–1308) teilen sich in so genannte trennende (bzw. dauerhafte) und aufschiebende Eheverbote. Im Gesetzestext kommt die Unterscheidung durch die Formulierung „darf nicht geschlossen