Examens-Repetitorium Familienrecht. Martin Lipp
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Examens-Repetitorium Familienrecht - Martin Lipp страница 38
a) Verbot der Doppelehe (§ 1306)
94
Das Eheverbot der Doppelehe ist Ausdruck des in unserem Kulturkreis selbstverständlich gewordenen Prinzips der Monogamie (vgl. § 172 StGB). Eine Doppelehe ist nach § 1314 Abs. 1 Nr. 2 aufhebbar, soweit keine Heilung nach § 1315 Abs. 2 Nr. 1 eintritt. Antragsberechtigt ist jeder Ehegatte und die zuständige Verwaltungsbehörde, die sogar antragsverpflichtet ist (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3: „soll“).
95
Skurril ist außerdem das Antragsrecht der „dritten Person“ in dieser Konstellation. Geschaffen ist hier die Möglichkeit eines Ehegatten (der Erstehe), die von seinem Partner entgegen § 1306 geschlossene (spätere) Ehe zur Aufhebung zu bringen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Antragsberechtigung auch dann noch besteht, wenn die Erstehe des „Dritten“ mit dem jetzt zum zweiten Mal verheirateten Partner inzwischen bereits geschieden wurde. Einen solchen Fall hatte der BGH zu entscheiden:[28]
96
Ein russisches Paar hatte 1984 in Russland die Ehe geschlossen; diese war auf Antrag der Ehefrau 1995 in Moskau geschieden worden. Nach wenigen Monaten heiratete sie in Deutschland einen deutschen Mann. Ein Jahr später wurde das Moskauer Scheidungsurteil für unwirksam erklärt und im selben Jahr diese Ehe erneut und endgültig geschieden. Der frühere (russische) Ehemann beantragte nun Aufhebung der mit dem deutschen Partner geschlossenen Zweitehe, weil – rechtlich zutreffend – seine (frühere) Frau im Zeitpunkt der zweiten Eheschließung (1995) noch mit ihm verheiratet war. Die Vorinstanzen gaben dem Antrag statt.
97
Der BGH hat dem Antrag mit überzeugender Begründung nicht stattgegeben: zwar sei auch ein inzwischen geschiedener Ehegatte antragsberechtigt,[29] allerdings führe ein Verstoß gegen das Verbot einer bigamischen Ehe nur noch ex nunc zur Aufhebung, sodass ein Nebeneinander von zwei Ehen in der Vergangenheit nicht mehr verhindert werden kann. Existiert nun aber aufgrund einer zwischenzeitlichen Scheidung die Erstehe nicht mehr, kann das Ziel des Eheverbots nicht mehr erreicht werden, der „dritten Person“ durch Beseitigung der bigamischen Ehe ihre Rechtsposition aus der Erstehe zu sichern. In diesem Fall – so der BGH – muss der die Aufhebung beantragende (frühere) Ehegatte besondere, objektiv-eigene Interessen geltend machen, um die Aufhebung zu erreichen (etwa Belange der aus der Erstehe hervorgegangenen Kinder). Das Interesse an der Wahrung der staatlichen Ordnung (Grundsatz der Einehe) genüge dafür nicht. Werden solche eigenen Interessen nicht vorgetragen, stelle sich der Aufhebungsantrag als unzulässige Rechtsausübung dar. Deshalb war der Antrag unzulässig.
98
Einen Sonderfall der Doppelehe regeln §§ 1319, 1320 bei Wiederverheiratung nach fälschlicher Todeserklärung. Dieser Fall ist nicht als Eheverbot, sondern nur als Aufhebungsgrund geregelt; die alte Ehe wird mit der Schließung der neuen Ehe aufgelöst und bleibt aufgelöst, selbst wenn die Todeserklärung aufgehoben wird.
b) Inzestverbot (§ 1307)
99
Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern (vgl. § 1589). Dies gilt auch, wenn das Verwandtschaftsverhältnis durch Annahme als Kind erloschen ist. Der Beischlaf zwischen Verwandten (nicht die Eheschließung) ist außerdem strafbar (§ 173 StGB). Eine Heilung dieses Fehlers ist nicht möglich; die Verwaltungsbehörde soll auch hier einen Aufhebungsantrag stellen (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3). Die Regelung ist – insbesondere in Bezug auf den Straftatbestand bei Geschwisterinzest – verfassungs- und EMRK-konform.[30]
100
Dieses Eheverbot spiegelt ein in der Gesellschaft tief verwurzeltes Tabu. Es begründet sich zum einen daraus, dass es bei einer Fortpflanzung innerhalb des Familienverbands statistisch zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von genetischen Defekten kommt, zum anderen soll die Rolle jedes Familienmitglieds nicht durch das Nebeneinander von unterschiedlichen statusrechtlichen Verbindungen unklar werden.[31]
101
Ist die Verwandtschaft i.S.v. § 1307 durch Adoption begründet worden und liegt damit eine rein rechtliche, keine biologische Verbindung der Eheschließenden vor, „soll“ ebenfalls eine Ehe unterbleiben, aber es kann Befreiung erteilt werden, § 1308. Ein Verstoß ist sanktionslos, aber der Standesbeamte muss die Trauung verweigern, wenn er das Eheverbot erkennt.
Zweiter Teil Eheschließung und Eheaufhebung › § 3 Eheschließung › IV. Fehlerquellen im Einzelnen › 3. Willensmängel
3. Willensmängel
102
Fall 8:
M und F haben 2018 geheiratet, um einem wenige Monate vorher von F geborenen, vermeintlich von M stammenden und von ihm anerkannten Kind eine Familie zu geben. Zwei Jahre später bringt F ein zweites Kind zur Welt. Nun wird rechtskräftig festgestellt, dass M nicht der Vater des ersten Kindes ist. M will sich von der inzwischen arbeitslos gewordenen F „augenblicklich scheiden“ lassen.
103
Willensmängel nach § 1314 Abs. 2 Nr. 2–4 berechtigen zur Aufhebung der Ehe, es sei denn, die Ehe wurde bestätigt, indem der betroffene Ehegatte nach Entdecken des Irrtums oder der Täuschung oder nach Aufhören der Zwangslage zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will, § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 4.
a) Irrtum (§ 1314 Abs. 2 Nr. 2)
104
Die Ehe kann aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt. Fälle dazu sind selten. Das AG Prüm wurde berühmt, als es einem Aufhebungsantrag stattgegeben hat, weil eine der deutschen Sprache unkundige Vietnamesin an einer Zeremonie teilgenommen und erst Jahre später erfahren hat, dass es sich um ihre eigene Trauung und nicht – wie gedacht – um den Erwerb einer Lebensversicherung handelte.[32]
105
Sind türkische Eheleute bei der standesamtlichen Trauung in Deutschland trotz der Erläuterungen des Standesbeamten der Meinung, dass diese noch keine Rechtsfolgen erzeuge, sondern die Ehe erst mit der traditionellen religiösen Hochzeitsfeier zustande komme, liegt kein zur Aufhebung berechtigender Irrtum nach § 1314 Abs. 2 Nr. 2 vor.[33] Auch bei einem Irrtum