Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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2.3.1 Trennungstheorie
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Von der organschaftlichen Bestellung zum Vorstand, durch die der Vorstand seine Vertretungs- und Handlungsbefugnis für die Gesellschaft erhält, ist sein schuldrechtliches Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Nach der sog. Trennungstheorie sind die korporationsrechtlichen und die schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Vorstandsmitglied und SE streng zu trennen. Dies ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs. 1 S. 1, 5, Abs. 3 S. 1 und 5 AktG.[43]
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Die teilweise vertretene Einheitstheorie[44] widerspricht sowohl dem Wortlaut des § 84 AktG als auch seiner Entstehungsgeschichte. Überzeugende sachliche Vorteile der einheitlichen Behandlung bestehen ebenfalls nicht. Die einheitliche Behandlung ist auch nicht praktikabel, da das Organverhältnis – wie bereits gezeigt – eine vom Anstellungsvertrag unterschiedliche Entwicklung nehmen kann.[45]
2.3.2 Rechtsnatur
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Der Anstellungsvertrag des Vorstands ist ein Dienstvertrag gem. §§ 611, 675 BGB. Die Vorstandsmitglieder sind jedoch keine Arbeitnehmer. Sie üben aufgrund ihrer Organstellung die Arbeitgeberfunktion für die SE aus. Der Anstellungsvertrag ist damit ein Vertrag über die Leistung unabhängiger, durch aktienrechtliche Vorgaben geprägter Dienste.[46]
2.3.3 Vertragsabschluss
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Bei Abschluss des Anstellungsvertrages vertritt der Aufsichtsrat die SE. Dies ergibt sich aus §§ 84 Abs. 1 S. 5, 112 AktG. Anders als bei der Bestellung ist die Entscheidung über den Abschluss und den Inhalt des Anstellungsvertrages nicht zwingend dem Aufsichtsratsplenum zugewiesen. Da § 107 Abs. 3 S. 2 AktG nur auf § 84 Abs. 1 S. 1 und 3 AktG verweist, kann der Abschluss und die Verhandlungen über den Inhalt des Anstellungsvertrages dem Personalausschuss überlassen werden. Bei der Entscheidung des Personalausschusses ist allerdings dafür Sorge zu tragen, dass der Anstellungsvertrag vom Personalausschuss nicht vor dem Beschluss des Aufsichtsratsplenums über die Bestellung zum Vorstand abgeschlossen wird.[47]
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Die Höchstdauer für den Anstellungsvertrag beträgt gem. Art. 46 Abs. 1 SE-VO sechs Jahre, um den Gleichlauf mit der Bestellung herzustellen.[48] Im Anstellungsvertrag kann gem. § 84 Abs. 1 S. 5 HS 2 AktG jedoch vorgesehen werden, dass der Anstellungsvertrag für den Fall der Verlängerung der Bestellung unverändert für die Zeitdauer der Weiterbestellung fortlaufen soll.
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Ein Sonderproblem besteht, wenn der Anstellungsvertrag nicht mit der Gesellschaft abgeschlossen wird, zu der das Organverhältnis besteht. Eine solche Drittanstellung wird häufig in Konzernverhältnissen auftreten. Der Anstellungsvertrag ist in diesem Fall ein Arbeitsvertrag. Bedenken an der Zulässigkeit bestehen deshalb, weil das arbeitsrechtliche Weisungsrecht mit der autonomen Leitungsbefugnis des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG kollidiert. Anders als beim Geschäftsführer einer GmbH, der als Organ ohnehin gem. § 37 Abs. 1 GmbHG den Weisungen der Gesellschafterversammlungen unterliegt, ist die Zulässigkeit einer Drittanstellung bei der AG und damit auch bei der SE im dualistischen System umstritten.[49] Auch wenn man aufgrund des Vorrangs des Organverhältnisses die grundsätzliche Möglichkeit einer Drittanstellung bejaht, ist davon in der Praxis aufgrund der faktischen Schwierigkeiten und der nicht vollständig geklärten Rechtslage abzuraten.[50]
2.3.4 Vertragsinhalt
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Die Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag sind in § 84 AktG nicht geregelt. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten sind im Anstellungsvertrag von den Vertragsparteien frei auszuhandeln.[51]
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Der aus der Sicht des Vorstands wesentliche Anspruch aus dem Anstellungsvertrag ist der Vergütungsanspruch. Der Vergütungsanspruch unterteilt sich in der Regel in das Fixgehalt und einem variablen Gehaltsbestandteil.
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Insbesondere bei börsennotierten Großunternehmen wird den Vorstandsmitgliedern daneben über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (Stock-Option Programs) die Möglichkeit eingeräumt, Aktien der Gesellschaft zu erwerben. Das Optionsrecht richtet sich in der Regel nach dem Erreichen bestimmter im Vorhinein definierter Unternehmensergebnisse oder der Erreichung eines bestimmten Börsenkurses. Als weiterer Vergütungsbestandteil werden Vorstandsmitgliedern in der Regel Sachbezüge, wie z.B. die Nutzung eines Dienstwagens, eventuell mit Fahrer, der Abschluss von Versicherungen sowie die Gewährung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesagt.[52]
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Bei der Bemessung der Vergütung sind dem Grundsatz der Vertragsfreiheit durch den zum 5.9.2009 neu gefassten § 87 AktG Grenzen gesetzt. Durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) wurden u. a. die Kriterien für die Bemessungsgrundlage der Vorstandsvergütung im Rahmen von § 87 AktG neu geregelt. Dies hatte somit auch unmittelbar Auswirkungen auf die dualistisch verfasste SE. Denn Änderungen im nationalen Aktienrecht gelten uneingeschränkt für die SE gem. Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO, soweit für diese in der SE-VO keine Sondervorschriften bestehen.[53] Nach § 87 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Zudem darf die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe überschritten werden und bei börsennotierten Gesellschaften ist die Vergütungsstruktur an eine nachhaltige Unternehmensentwicklung anzupassen. Die Auslegung und Anwendung dieser Norm haben in der Vergangenheit mehrfach zu öffentlichen Diskussionen und im Mannesmann/Vodafone-Fall[54] auch zu einem Strafprozess geführt. Auslöser für die Neufassung der Norm war insbesondere die Finanz- und Wirtschaftskrise, da die bisherigen Vergütungssysteme mitverantwortlich dafür gemacht wurden, dass die Geschäftsleiter übermäßige geschäftliche Risiken eingingen.[55]
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Eine Vorgabe, wie die Vorstandsbezüge zu bemessen sind, lässt sich in allgemein verbindlicher Form nicht machen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Fest steht, dass die im Gesetz genannten Vergleichsmaßstäbe (Aufgaben des Vorstands, Lage der Gesellschaft, übliche Vergütung) kumulativ zu beachten sind. Kriterien für die Leistung des Vorstands bilden gem. Ziff. 4. 2. 2 des DCGK die Aufgaben des jeweiligen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die Üblichkeit der Vergütung unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds und der Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt. Bei der Lage des Unternehmens ist auf dessen eigene wirtschaftliche Situation, seinen unternehmerischen Erfolg und seine Zukunftsaussichten abzustellen, unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds.