Bobbie oder die Liebe eines Knaben. Hugo Bettauer

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Bobbie oder die Liebe eines Knaben - Hugo  Bettauer

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haben mich doch vorher sprechen wollen und mir sagen lassen, ich möchte sie anklingeln. – Wie, dies ist Ihnen gar nicht eingefallen? Nein, so etwas! – Ja, Sie haben recht, Herr Professor, sicher ein dummer Streich von einem Buben. Also verzeihen Sie, daß ich Sie gestört habe. – Nein, jetzt fahren wir noch nicht aufs Land, erst in vier Wochen. Papa kann noch nicht fort und Mama will ihn nicht allein lassen. – Ich danke, Herr Professor, ich werde es ausrichten. –

      Zu dumm«, brummte Bob in sich hinein, als er die Treppe hinabeilte. »Fällt so einem Burschen nichts anderes ein, als den alten Brummel zu ärgern. Gertie wird aber lachen, wenn ich es ihr sage.«

      Frau Holgerman kam ihm auf der Treppe entgegen.

      »Bobbie, willst du nicht lieber schon zu Hause bleiben? Es ist ja halb ein Uhr!«

      »Mama, Gertie wartet unten auf mich, wenn es dir aber lieb ist, so ruf ich sie herein.«

      »Tue das, Bobbie, du weißt doch, ich freue mich immer, wenn Gertie bei uns ist. Vielleicht erlaubt ihr die Mama, daß sie bei uns zu Tisch bleibt.«

      »Hurra, fein!« schrie Bob, ich werde Frau Sehring die Erlaubnis schon abbetteln.« Und draußen war er.

      Gertie war aber nicht unten. Bob schaute die Straße entlang, nach rechts und nach links, von Gertie keine Spur.

      IV. Kapitel. Gertie ist nicht zu Hause

      »Kleine Mädchen sind ungeduldig und wollen nicht warten,« murmelte Bob in sich hinein. »Wenn ich erst einmal mit Gertie verheiratet bin, werde ich sie zur Geduld erziehen. Aber vielleicht ist sie auch nur fortgegangen, weil irgend so ein alter Narr stehen blieb und gesagt hat: »Ein schönes kleines Mädchen! Wie heißt du, mein liebes Kind? und sie dabei streicheln wollte. Das mag Gertie nicht leiden, und es ist mir ganz recht, daß sie es nicht leiden mag. Viele Erwachsene bilden sich ein, daß es Kindern angenehm ist, wenn man Bemerkungen über sie macht und sie anfaßt. Das ist aber Kindern gar nicht angenehm, sondern sehr lästig und ich werde es bei unseren Kindern nie tun!«

      Unter solchem Selbstgespräch hüpfte er über die Straße in das Haus, in dem Gertie wohnte, eilte die Treppe hinauf und läutete.

      Gerties Mutter öffnete und war sehr verwundert, daß der Kleine nach seiner Spielgefährtin fragte.

      »Kind, ich dachte, ihr seid zusammen in den Park gegangen?

      »Jawohl, Frau Sehring, wir waren im Park. Aber dann wurde ich nach Hause gerufen, weil ein dummer Junge mir einen Streich gespielt hat, indem er so tat, als hätte Professor Brummel mich angerufen. Und als ich endlich wieder herunterkam, war Gertie, die unten auf mich warten wollte, weg. Nun, sie wird in den Garten zurückgegangen sein. Frau Sehring, darf Gertie bei uns speisen? Mama läßt darum bitten, und es gibt auch etwas besonderes Gutes heute.«

      Frau Sehring zögerte mit der Antwort:

      »Bobbie, ich will euch ja nicht die Freude stören. Aber Gertie ißt so oft bei euch, und ich kann eure Freundlichkeit nicht erwidern; das sollte eigentlich nicht sein.«

      »Frau Sehring, am liebsten wäre es mir und Mama und Papa, wenn Gerti täglich bei uns wäre. Und das mit dem Erwidern soll Sie nicht bekümmern. Wenn ich groß bin, werde ich oft genug zu Ihnen zum Tee kommen.«

      Frau Sehring lächelte wehmütig.

      »Oh, Bobbie, wenn du groß bist, dann denkst du an Gertie gar nicht mehr, hast andere Freunde und Freundinnen und wirst dich wundern, daß du einmal soviel mit einem armen, kleinen Mädchen beisammen sein konntest.«

      Bob geriet ordentlich in Harnisch.

      »Nein, Frau Sehring,« rief er mit rotem Kopf, »nie werde ich sie vergessen und nie mich um andere Mädchen kümmern, das sage ich Ihnen! Und wenn Gertie nur wollen wird, so werden wir auch immer beisammen bleiben. Ich weiß wohl, es gibt Jungens, die sich aus Mädchen nichts machen, oder jeden Tag mit einer anderen spielen wollen. Aber ich, ich muß immer an Gertie denken, auch wenn wir nicht beisammen sind. Und sie darf bei uns bleiben, nicht wahr, Frau Sehring?«

      Frau Sehring nickte lachend: »Gut, es sei, aber nun rasch in den Park, laß‘ meine Tochter nicht so lange warten. Und sie soll, bevor sie zu euch geht, noch heraufkommen, um sich die Hände und das Gesicht zu waschen.«

      V. Kapitel. Gertie ist verschwunden

      Bob rannte im Park die schattige Allee entlang, ohne das Mädchen zu finden. Er eilte nach dem Spielplatze, der nun fast ganz verödet dalag. Von Gertie war nichts zu sehen. Auf und ab rannte der Knabe, und ein seltsam banges Gefühl, beschlich ihn; er fühlte, wie sein Herz ungewohnt stark zu klopfen begann. Zuerst leise, dann halblaut, schließlich mit ganzer Lungenkraft schrie er den Namen Gerties, aber niemand meldete sich. Nun erblickte er den alten, invaliden Parkwächter.

      »Lieber, guter Herr, haben Sie das kleine Mädchen gesehen, mit dem ich vorhin gespielt habe?«

      Der alte Mann gab Bob einen Nasenstüber.

      »Bist ja selbst mit ihr fortgelaufen, habe euch noch nachgeblickt.«

      »Ja, aber ist sie nicht allein wieder zurückgekommen?«

      Der Wächter verneinte und bot Bob eine Prise aus einer schwarzen Horndose an, die aber Bob zurückwies. Aufgeregt begann der Junge wieder umherzulaufen und nach Gertie zu schreien. Schließlich blieb er stehen, wischte sich die Schweißtropfen aus der Stirn und überlegte:

      »Ein dummer Junge bin ich! Natürlich, Gertie ist zurück in den Park gegangen und der Wächter hat sie eben nicht gesehen. Alte Männer werden oft vergeßlich und zerstreut. Gertie hat eine Weile gewartet und ist dann nach Hause gegangen, während ich hierhereilte. Aber da hätte ich ihr doch unterwegs begegnen müssen. Nein, sie wird in unser Haus gegangen sein. Ja, so ist es, und nun ist Gertie bei uns und gleich wird Papa zum Essen kommen.«

      Eduard öffnete dem jungen Herrn, der ihn fast anschrie:

      »Ist Gertie hier gewesen?«

      »Nein.«

      »Haben Sie immer selbst die Türe geöffnet, wenn es klingelte?«

      Der Diener bejahte, und Bob stürmte, ohne etwas zu sagen, über die Straße hinüber. Fast stürmisch zog er bei Frau Sehring die Türklingel und fragte mit gepreßter Stimme die alte Dame, ob Gertie nun zurückgekommen sei.

      Frau Sehring erblaßte und fuhr sich nervös über die vorgebundene Schürze.

      »Nein, aber was soll denn das bedeuten? Wo kann Gertie nur stecken?«

      Bob zitterte am ganzen Körper, sah aus weit aufgerissenen Augen vor sich hin und murmelte: »Ja, wo mag Gertie nur sein?«

      Frau Sehring begann zu weinen, sie taumelte und mußte sich an die Wand lehnen.

      Bob, dem ebenfalls das Weinen nahe war, tröstete: »Nun, Frau Sehring, ein kleines Mädchen ist keine Stecknadel, die verloren geht und nicht gefunden werden kann. Sie wird schon gleich kommen, Frau Sehring, regen Sie sich nur nicht auf, es könnte Ihnen schaden, und Gertie wäre sehr betrübt, wenn sie es wüßte. Ich laufe eben mal rasch zu uns hinüber, Papa wird schon zu Hause sein und Rat wissen.«

      In Wirklichkeit war es Bob aber gar nicht wohl zumute und bange Ahnungen bedrückten sein kleines Herz gar schwer. Herr Holgerman

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