Münchhausen. Karl Immermann

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Münchhausen - Karl  Immermann

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einig werden konnte. Zwar ließ sich von dem Hofe nicht, wie der Roßkamm Marx sagte, behaupten, es sei darin, als ob man sich bei einem Grafen befinde, dagegen nahm man, wohin man blickte, bäurischen Wohlstand und einen Segen wahr, welcher dem hungrigsten Menschen zurufen mußte: Hier kannst du dich mal satt essen, die Schüssel ist immerdar voll.

      Der Hof lag ganz allein an der Grenze der fruchtbaren Börde, da wo sie in das Hügel- und Waldland übergeht. Die letzten Felder des Hofschulzen stiegen schon sacht die Anhöhen hinauf, und eine Meile von dort war Gebirg. Der nächste Nachbar der Bauerschaft wohnte eine Viertelstunde vom Hofe. Um diesen breitete sich alles Besitztum, welches eine große ländliche Wirtschaft nötig hat, aus; Feld, Wald, Wiese, unzerstückelt, in geschlossenem Zusammenhange.

      Von der Anhöhe herab liefen die Felder durch die Ebene, bestens bestellt. Es war aber um die Zeit der Roggenblüte; der Rauch ging von den Ähren und wallte in den warmen Sommerlüften, ein Opfer der Scholle. Einzelne Reihen hochstämmiger Eschen oder knorrichter Rüstern, zu beiden Seiten der alten Grenzgräben gepflanzt, faßten einen Teil der Kornfelder ein und bezeichneten, von weitem her kenntlich, die Marken des Erbes, bestimmter als Steine und Pfähle vermögen. Ein tiefer Weg zwischen aufgeworfenen Erdwällen führte quer durch die Felder, mündete rechts und links an verschiedenen Orten in Seitenpfade aus und führte, wo das Getreide aufhörte, in ein kräftig bestandenes Eichenwäldchen, unter welchem sich erdgelagerte Säue gütlich taten, dessen Schatten aber auch für den Menschen erquicklich waren. Dieser Kamp, welcher dem Schulzen sein Holz lieferte, drang bis wenige Schritte vom Gehöfte vor, umfaßte es von beiden Seiten und gab so zugleich gegen die Ost- und Nordwinde Schutz.

      Nur mit Stroh war das Wohnhaus, welches sich in seinen weiß und gelb angestrichenen Wänden von Fachwerk zweistöckig erhob, gedeckt, aber da diese Bedeckung immer sehr wohl instand erhalten ward, so hatte sie nichts Dürftiges, verstärkte im Gegenteil den behaglichen Eindruck, den das Gehöft machte. Das Innere lernen wir schon bei Gelegenheit kennen; jetzt sei nur gesagt, daß auf der andern Seite des Hauses um einen geräumigen Hof Ställe und Scheunen liefen, an denen auch das schärfste Auge keine schadhafte Stelle an Mauer und Bewurf erspähen konnte. Große Linden standen vor der Hoftüre, und dort, nicht nach der Waldseite zu waren auch, wie wir schon erfahren haben, die Ruhesitze angebracht. Denn der Hofschulze wollte, selbst wenn er rastete, seine Wirtschaft im Auge behalten.

      Gerade dem Wohnhause gegenüber sah man durch ein Gittertor in den Baumgarten. Dort breiteten starke und gesunde Obststämme ihre belaubten Zweige über frischem Graswuchs, Gemüse- und Salatstücken aus; hier und da ernährte ein schmales Beet dazwischen rote Rosen und gelbe Feuerlilien. Doch waren solcher Beete nur wenige. In einer echten Bauerwirtschaft bleibt der Boden dem Bedürfnisse gewidmet, selbst wenn dem Eigentümer seine Umstände Luxus mit der Natur verstatten. Deshalb haben wir in solchen Höfen eine Empfindung froher Ruhe aller Sinne, wie sie Prachtgärten, Parks und Villen nicht zu erregen vermögen. Denn das ästhetische Landschaftsgefühl ist schon ein Produkt der Überfeinerung, weshalb es denn auch nie in eigentlich robusten Zeiten auftritt. Diese halten vielmehr die Stimmung zur Mutter Erde, als zu der Allernährerin fest, wollen und verlangen nichts von ihr, als die Gabe des Feldes, der Viehweide, des Fischteiches, des Wildforstes.

      So weit das Auge über den Baumgarten hinausblickte, sah es auch nur Grün. Denn jenseits des Gartens lagen die großen Wiesen des Oberhofes, auf welchen der Schulze Raum und Futter für seine Pferde besaß. Ihre Zucht, mit Fleiß betrieben, gehörte zu den einträglichsten Nahrungsquellen des Erbes. Auch diese grünen Grasflächen waren von Hecken und Gräben umschlossen; eine derselben faßte einen Weiher ein, in welchem ausgefütterte Karpfen zugweise umherschwammen.

      Auf diesem reichen Hofe zwischen vollen Scheuern, vollen Böden und Ställen hantierte der alte, weit und breit angesehene Hofschulze. Bestieg man aber den höchsten Hügel, zu dem sich seine Felder hinauf erstreckten, so erblickte man von dort die Türme dreier der ältesten Städte Westfalens.

      Es ging zu der Zeit, von welcher ich rede, auf eilf Uhr vormittags, und der ganze weitläufige Hof war so still, daß sich fast nur das Rauschen der Lüfte in den Baumwipfeln des Kamps vernehmen ließ. Der Schulze maß dem Knechte Hafer zu, womit dieser, den Sack über der Schulter, langsamen Schrittes nach dem Pferdestalle ging, die Tochter zählte in der Linnen- und Garnkammer ihre Ausstattung nach, eine Magd besorgte die Küche. Was sonst von Menschen im Hofe lebte, lag und schlief, denn es ging gegen die Ernte, in welcher Zeit es bei den Bauern am wenigsten zu tun gibt, und die Arbeiter jede Minute zu benutzen pflegen, um gewissermaßen auf Rechnung der herannahenden schweiß- und mühevollen Tage in voraus zu schlafen. Überhaupt können die Landleute, wie die Hunde, zu allen Stunden bei Tage und bei Nacht schlafen, wann sie wollen.

      Viertes Kapitel

Worin der Jäger einem Menschen, namens Schrimbs oder Peppel seinen Begleiter nachsendet, und selbst auf den Oberhof kommt

      Aus den Hügeln, welche die Felder des Hofschulzen begrenzten, traten zwei Männer von verschiedenem Ansehen und Alter. Der eine, im grünen Jagdcollet, die kleine Mütze über das lockige Haupt geworfen, die leichte Lütticher Flinte im Arme, war ein blühendschöner Jüngling, der andere, in stillere Farben gekleidet, ein ältlicher Mann von treuherziger Miene. Der Jüngere schritt rasch wie ein Edelhirsch dem Älteren voran, der seines Orts mehr den langsamen Gang eines ausgedienten, aber dem Herrn noch stets anhänglich nachschleichenden Jagdhundes hatte. Als sie auf einen freien Platz vor den Hügeln getreten waren, setzten sie sich auf einen großen Stein, der dort nebst mehreren andern lag, im Schatten einer mächtigen Linde. Der Jüngere gab dem Alten Geld und Schriften, deutete ihm die Richtung an, in welcher er nun seinen Weg fortsetzen müsse, und sagte zu ihm: »Jetzt Jochem, geh und sei gescheit, daß wir des vermaledeiten Schrimbs oder Peppel habhaft werden, der solche abscheuliche Lügen ausgedacht hat. Und sobald du ihn entdeckt hast, gib mir Nachricht.«

      »Ich werd‘ g‘scheit sein«, erwiderte der alte Jochem. »Ich frage immer so sacht und unter der Hand in den Flecken und Städten nach einem, der sich Schrimbs oder Peppel schreibt, und es müßte mit dem Henker zugehen, wenn ich den Gauch nicht ausfindig machen wollte. Sie halten sich derweile inkognito-verborgen, bis Sie von mir ein Weiteres vernehmen.«

      »Wohl«, sagte der junge Mann, »und nur immer äußerst vorsichtig und bedachtsam gehandelt, Jochem, denn wir sind nicht mehr im lieben Schwabenland, sondern dahaußen unter Sachsen und Franken!«

      »Die wüsten Kerl‘!« versetzte der alte Jochem. »Sie haben halt lang von Schwabenstreichen gesprochen, sie sollen verspüren, daß der Schwab auch ein feiner Vogel sein kann, wann‘s not tut.«

      »Immer rechts dich gehalten, mein Jochem, denn dahin weisen die letzten Spuren von dem Schrimbs oder Peppel«, sagte der junge Mann, indem er aufstand, und dem Alten zum Abschiede herzlich die Hand schüttelte. »Immer rechts, versteht sich«, erwiderte dieser, gab dem andern die vollgestopfte Weidtasche, die er bis jetzt getragen hatte, lupfte den Hut, und ging dann zwischen den Kornfeldern einen Seitenpfad rechts nach der Gegend zu hinab, wo man in der Ferne eine der im vorigen Kapitel angedeuteten Turmspitzen ragen sah.

      Der junge Mann mit der Jagdflinte ging dagegen gerade gegen den Oberhof hinunter. Er mochte etwa hundert Schritte weit gegangen sein, als er etwas keuchend hinter sich herkommen hörte und sich umdrehend sah, daß sein alter Begleiter ihm folgte. »Ich wollte Sie noch um eins gebeten und ersucht haben«, rief dieser, »tun Sie, da Sie nun allein und sich selbst überlassen sind, das Schießgewehr von sich, denn Sie treffen doch nichts und richten, weiß Gott, noch einmal ein Unglück an, wie neulich schon beinahe geschehen wäre, da Sie nach dem Hasen zielten und beinahe das Kind niedergeschossen hätten.«

      »Ja, es ist verwünscht, immer zu zielen und nimmer zu treffen!« rief der junge Mann. »Ich will mich auch wahrhaftig überwinden, so schwer es mir fallen wird, denn du weißt ja, daß es mir von meiner seligen Mutter her anklebt, allein ich will mich, wie gesagt, überwinden, und es soll kein Schrotkorn aus diesen

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