Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer

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Das Naturforscherschiff - Sophie  Worishoffer

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Freund lediglich Salzwasser eingefangen hatte. Ob er noch so sicher glaubte, jetzt das bunte Ding erwischt zu haben, in der nächsten Sekunde lagen wieder einige Schritte Entfernung zwischen ihm und seiner Jagdbeute. – Die übrigen lachten natürlich, dadurch aber steigerte sich der geheime Ärger, welcher den Knaben schon vorher erfaßt hatte, zum Zorn. Schließlich aber sah er ein, daß er nur mit Besonnenheit zum Ziel gelangen könnte. Listig schob er den Eimer seitwärts unter die Qualle. Ein lautes Hurra meldete den anderen den glücklichen Fang. »Na! Na!« brummte der alte Witt, »sind das Streiche. Holt ihn ein, Jungens, aber rasch. Koch, eine Bütte voll Salzwasser an Deck.«

      Seine Befehle wurden schleunig ausgeführt. Ein paar Minuten später befand sich der unerschrockene Knabe wieder in der Mitte der anderen, der alte Steuermann selbst setzte die Qualle in das Messinggefäß und das Schiff nahm die Fahrt wieder auf. Franz hatte viele Neckereien zu ertragen. Obwohl ihn aber die roten Striemen, welche das Seil an dem unbekleideten Körper zurückgelassen, heftig schmerzten, so lachte er doch darüber und ließ sich von seinem Bruder helfen, die abgeworfenen Kleidungsstücke wieder anzulegen. Mit stolzen Blicken kniete er vor der Bütte, worin das gefährliche Halbtier schwamm. Es war im Zustande vollen Lebens erhalten, die drei verschiedenen Farben glühten so prächtig wie draußen auf dem Meer, nur schienen seine Tentakeln, wie diese Fangarme heißen, etwas unruhiger zu tasten. Überall, wo sie gegen das Holz der Bütte stießen, zogen sie sich plötzlich gegen den Körper zurück.

      »Diese Glieder wachsen, wenn man sie abschlägt, wieder nach,« erläuterte Holm, »später werden wir, gefällt‘s Gott, sogar im Großen Ozean Polypen sehen, deren aus Hunderte von Körperchen bestehende Familie nur eine Mundöffnung und einen Magen besitzt. An dem Burschen hier, der dir so viele Mühe machte, soll das Todesurteil vollzogen werden, nicht wahr, Franz?«

      Unser Freund lachte etwas gezwungen. »Nicht meinetwegen, Karl, aber damit man einmal diese Geschöpfe genau kennen lernt.«

      Der Koch brachte einen großen Rührlöffel und Holm hob vorsichtig das Tier heraus, um es in eine leere Bütte zu legen Augenblicklich verschwanden die prachtvollen Farben, es ging stufenweise abnehmend alles über in ein fahles Grau, und die Fangarme verloren ihre Fortbewegungskraft. Als Holm einen derselben ergriff, blieb in seiner Hand eine gallertartige, zerrinnende Masse, die höchst unangenehm festklebte. Das Halbtier zerging ohne irgend eine äußere Verletzung, ohne wahrnehmbares Sterben in kurzer Zeit zu formlosem Schleim.

      »Sagte ich es nicht,« nickte der alte Witt, »eine Seifenblase.«

      »Dort schwimmen mehrere,« rief Franz, – »wie hübsch doch die Dinger in so weiter Entfernung aussehen, wie schade, daß wir diesen Anblick nicht auch unseren Freunden in der Heimat ermöglichen können. Diese Geschöpfe lassen sich ja nicht transportieren, wie wir uns eben selbst überzeugt haben.«

      »Und wegen dieser buntschillernden Quallen eine gefährliche Reise anzutreten, ist nicht jedermanns Sache,« sagte Doktor Bolten. »Was nützten mir auch alle Wunder und Schönheiten der Natur, wenn die Wilden meine letzte Brille gestohlen hätten. Ein wahres Glück, daß ich noch ein Paar Augengläser habe, andernfalls wäre es einerlei, ob ich hier wäre oder in Dockenhude.«

      Alle lachten über den Doktor, der die letzten Worte in einem etwas kläglichen Tone gesprochen hatte. Dann fragte Holm: »Wie würden wir es wohl anfangen, um auch unseren Landsleuten daheim eine Vorstellung von der Farbenpracht und dem Aussehen solcher Geschöpfe zu geben, die im Tode ihre Schönheit verlieren? Viele farbenprächtige Fische büßen, sobald sie sterben, ihren Glanz und Farbenzauber ein, wie z. B. die blau und rot schillernde Meerbarbe, die schon den alten Römern als Delikatesse bei ihren Schwelgereien galt. Ja die Meerbarbe wurde sogar vor den Augen der Gäste getötet, die sich an dem wechselnden Farbenspiel, welches das Tier beim Sterben zeigt, ergötzten. Wer von euch,« wandte er sich wieder zu den Knaben, »kann mir nun sagen, auf welche Weise es möglich ist, das Vergängliche für die Mit- und Nachwelt aufzubewahren?«

      Die Knaben sannen nach. »Man setzt die Quallen und Fische in ein Aquarium,« rief Hans.

      »Das wäre ein Ausweg,« entgegnete Holm, »der wohl für einzelne Fälle, aber nicht für alle passen würde. So lebte früher, gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts, auf der Insel Mauritius eine Art von großen, unbeholfenen Vögeln – die Dronte – die nunmehr ganz ausgestorben ist. Wir würden gar keine Kenntnis von der Gestalt dieses merkwürdigen Vogels haben, wenn nicht ein damals lebend nach London geschickter Dronte von einem Maler – porträtiert worden wäre.«

      »Ich hab‘s,« rief Franz, »man muß solche Gegenstände, die sich nicht erhalten und transportieren lassen, naturgetreu zeichnen und malen.«

      »Ganz recht,« bestätigte Holm, »und deshalb habe ich auch einen Tuschkasten mit den feinsten Farben und alles zum Zeichnen und Malen Erforderliche vorsorglich mitgenommen. Später werden wir auch besonders interessante und wichtige Landschaften, Bäume, Felsen, Wohnungen der Wilden und diese selbst mittels eines photographischen Apparates aufnehmen, der uns nachgesandt werden wird.«

      »Und wenn unsere Zeichnungen und Abbildungen gut ausfallen, finden sie Platz in naturwissenschaftlichen Werken,« rief Franz voll Freude, »ich hätte Lust, jetzt gleich eine zweite Qualle zu fangen und sie zu konterfeien in Form und Farbe.« Er ging rasch zu Papa Witt, um ihn von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen.

      Der Alte schüttelte den Kopf und antwortete nicht.

      »Sind Sie ungehalten über mich, Papa Witt?« fragte Franz.

      Dieser aber blickte den Knaben ernst an und ging zum Kapitän, der den alten Steuermann zu sich winkte.

      Die Blicke beider Männer begegneten sich, und eine halblaute Unterhaltung in plattdeutscher Sprache zeigte, daß der gleiche Gedanke den einen wie den anderen beherrschte. »Stüürmann,« sagte der Kapitän, »wie krigt noch watt!«

      Der Angeredete nickte. »Weet wull, Kaptein.«

      Und damit waren die Verhandlungen beendet. Obgleich weder Passagiere noch Mannschaft irgend etwas Verdächtiges bemerkt hatten, sahen sie doch, daß ein Ereignis im Anzüge sein mußte; sämtliche Segel wurden eingezogen und nur die großen Sturmsegel gesetzt, alle kleineren Gegenstände von Deck entfernt, die Luken verschlossen und das Feuer ausgelöscht. Bleierne Windstille lag auf der ganzen Umgebung, nur zuweilen flog gleichsam vorüberhuschend ein gewaltiger Stoß über das Wasser daher, und im Nordosten zuckten ferne Blitze. Seltsam war das plötzliche immer wiederkehrende Wechseln aller Erscheinungen. In diesem Augenblicke regnete es stark, im nächsten heiterer Himmel; jetzt neigte sich das Schiff, vom Stoß erfaßt, zur Seite, als wolle es stürzen, und dann wieder schien jede Bewegung der Luftmassen erstarrt. Die Maschine wurde mittlerweile tüchtig geheizt und das Steuer so gedreht, daß die »Hammonia« ihren Kurs nach Nordosten nahm.

      Und nun brach es herein, schrecklich und schön zugleich, weit großartiger, erhabener, als sich‘s menschliche Einbildungskraft ausmalen könnte. All der Farbenreichtum, der Glanz und die Fülle des südlichen Erdteiles trat auch hier im Toben der Elemente zu Tage. Blitz folgte auf Blitz, sein prachtvollstes Glühen aber erlosch neben dem des elektrischen Feuers, das in ganzen Garben überall explodierte. Glitzernde Meteore fielen vom Himmel in das schäumende, kochende Meer hinein; der Sturm brüllte, der Donner ging über in ununterbrochenes Getöse. Spritzwasser schlug in Wellen auf das Verdeck, und fast völlige Dunkelheit brach herein.

      Franz versuchte es, hinauszutreten, seine unerschrockene Seele wollte den Kampf mit den entfesselten Urkräften der Erde nicht allein dem Schiffsvolk überlassen, er wünschte selbst Hand anzulegen und für sein und aller Leben zu streiten; aber das erwies sich als unausführbar. Es war ihm nicht möglich, festen Fuß zu fassen, er konnte weder atmen noch sprechen, die dünne Leinenjacke flog in Fetzen davon. Holms kräftige Arme zogen ihn auch schon wieder zurück in den Vorraum der Kajütte hinab. »Willst du über Bord gefegt werden, Junge?

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