Das Naturforscherschiff. Sophie Worishoffer

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Das Naturforscherschiff - Sophie  Worishoffer

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aus der Haut heraus.«

      Der Wilde zeigte seinen Oberarm, an dem unter einer Schicht von gequetschten Blättern, da wo das Holz lag, ein kleines Geschwür zu Tage trat. Ein rot schillernder Faden, dünn wie Zwirn, war zum Teil um das Stäbchen gewickelt, zum Teil aber mußte er noch im Fleische stecken. »Der Guineawurm,« erläuterte der Führer. »Er kommt nur an der Goldküste und hier vor, also an den ungesundesten Stellen, und erregt da, wo er sich Eingang verschaffte, ein bösartiges Geschwür. Als unsichtbar kleine Milbe auf die Haut gelangt, wächst das schreckliche Tier im Fleische bis zur Länge von vier Metern, und zwar wie alle mit der Polypenfamilie verwandten Geschöpfe, indem es, etwa zerrissen oder durch äußere Gewalt halb von seinem Platze entfernt, trotzdem sich ergänzt und ungestört fortlebt. Welche Schmerzen es erregt, das läßt sich denken.«

      »Und mit diesem Holze wickelt es der Mann heraus?« fragte Franz schaudernd.

      »Ja, das heißt, sehr langsam, vielleicht kaum einen Zentimeter lang an jedem Tage. Es fordert Monate, bis der ganze Wurm beseitigt ist.«

      Mehrere andere Eingeborne waren während dieser Unterhaltung herbeigekommen, alle mit Körben zum Schwämme- oder Beerensuchen, alle mit dem seltsamen Kopfputz und ohne Kleidungsstücke. Die Reisenden sahen keinen einzigen, der nicht hier oder da Spuren des Kra-Kra gezeigt hätte.

      »Laßt uns Abschied nehmen,« ermahnte Holm. »Das ist ein unerquicklicher Aufenthalt.«

      Die Wilden wurden reichlich beschenkt, einige ihrer Knochennadeln und Ockerkugeln wanderten für das Museum zuhause in Hamburg in Holms Botanisierkapsel, und dann war der Aufenthalt in diesem kleinen Paradiese, das doch so viel Elend und tiefste menschliche Unwissenheit barg, zu Ende. Alle freuten sich, als sie die Planken des Schiffes wieder unter ihren Füßen fühlten, ja Holm beantragte sogar, den Besuch der Prinzeninsel ganz zu unterlassen, namentlich da der Kapitän erklärte, daß diese außer einer noch reichhaltigeren und blendenderen Schönheit ebenso wie Fernando Po kein weiteres Interesse darzubieten habe. Bei den Hottentotten im Kaplande war jedenfalls mehr Aussicht auf Abenteuer. Der Dampfer änderte also, nachdem Fleisch und Wasser eingenommen waren, seinen Kurs und steuerte der Südspitze von Afrika, der Kapstadt zu. Unterwegs wurde ein Hai gefangen, was natürlich den Knaben besonderes Vergnügen gewährte. Das Raubtier mit seinem kleinen Adjutanten umschwamm während eines ganzen Vormittags beharrlich das Schiff, zuweilen verschwindend, zuweilen plötzlich fast aus dem Wasser hervorragend, bis endlich auf vieles Bitten der beiden Brüder der sogenannte Haihaken ausgeworfen wurde. Ein tüchtiges Stück Speck saß daran; die Kette, womit er, durch mehrere Blöcke gegen einen unerwarteten Ruck gesichert, am Mast befestigt worden, konnte man zuverlässig nennen. Die Fahrt des Dampfers ist auf halbe Kraft gesetzt, der Speck schwimmt verlockend und appetitlich durch das blaue Wasser, – jetzt nur noch ein schneller Sprung, Meister Hai, und dann hat dich dein Geschick ereilt!

      Der alte Witt brachte eine Handspeiche von solidem Aussehen, schon mehr eine kleine Keule; selbst die an solche Jagd gewöhnten Matrosen und Doktor Bolten sahen voll gespannter Erwartung über Bord; der Koch setzte sich eine flache Schüssel und ein großes Messer zurecht; Holm rieb die Hände in der Hoffnung auf den Riesenkopf, welchen er bereits gehörig abgekocht als weißes, sauberes Knochenpräparat vor sich stehen sah. »Auch den Magen muß ich selbst öffnen, Kapitän,« rief er lebhaft, »das bedinge ich mir. Vielleicht sind Würmer und Schnecken darin, die man sonst nirgends zu erlangen vermag.«

      »Aber die Nürnberger hängen keinen, Doktor! es sei denn, sie hätten ihn zuvor.«

      »Wir werden ihn schon kriegen.«

      Das schien indessen doch nicht so gewiß. Der Haifisch schnupperte, aber er biß nicht; zuweilen kümmerte er sich gar nicht um den Köder, und schon machte Franz den Vorschlag, den Räuber, wenn man ihn denn durchaus nicht fangen könne, wenigstens zu erschießen, da trat der alte Witt an die Kette und hob langsam den Speck aus dem Wasser. Das Mittel half über Erwarten. Als Meister Hai die Beute verschwinden sah, griff er hastig zu und schoß dann so urplötzlich auf den Grund, daß das Schiff in allen seinen Fugen zitterte. Ein lautes Hurra der Mannschaft begleitete das Stoßen des letzten Kettengliedes, jetzt hatte man ja den Erzfeind gefangen.

      Rüstige Arme hängten sich an die Kette, im Wasser entstand ein Toben und Wogen, daß der Schaum hoch über das Verdeck dahinspritzte; dann zeigte sich der Kopf mit den raublustigen Augen, der Körper folgte nach, und wütende Schwanzschlage peitschten das Verdeck. »Aus dem Wege!« rief ängstlich Doktor Bolten, »aus dem Wege!«

      Er zog mit beiden Händen seine Schüler von der gefährdeten Stelle hinweg, zumal jetzt, als zwei Matrosen den Mast erkletterten, um die vorerwähnte Speiche aus allen Kräften dem Ungeheuer in den Rachen zu stoßen. Das half, die heftigen Schläge hörten auf, und sehr bald lag der Fisch tot an Deck, um in hundert Stücke zerlegt zu werden. Holm schnitt den Kopf herunter; er brannte vor Begier, das große, kräftige Exemplar gut präpariert nach Hamburg zu bringen, der Koch bemächtigte sich des Rückenfleisches, und die Matrosen zogen die Haut ab; dann aber wurde der Magen geöffnet und darin verschiedene Schnecken und sogar Krebse gefunden, die der Nimmersatt erst ganz kürzlich verschlungen haben mochte. Alles übrige warf man ins Meer zurück. Am folgenden Tage erschien dann das Hai-Steak auf der Tafel, fand aber nur äußerst wenig Beifall, da es sehr zähe war und etwas nach Tran schmeckte. Für den herrlich abgekochten Kopf erhielt der Koch desto mehr Lobsprüche; auch kein Zahn von allen diesen hintereinander stehenden Reihen war ausgefallen, ja sogar die Gelenkigkeit des zweiten Gliedes, das in die etwa entstehenden Lücken des ersten sogleich einen Ersatzzahn hineinschiebt, war bestens erhalten, der ungeheure Rachen mußte eine Zierde des Museums werden; er sollte schon mit dem ersten Postdampfer von der Kapstadt aus die Reise nach Europa antreten; deshalb verpackte ihn Holm eigenhändig in eine Kiste, die der Zimmermann genau nach Maß angefertigt hatte, und die man in der Kajütte verwahrte.

      Das war schon die zweite Sendung nach Hause! Papa sollte sehen, wie ernst es seine Söhne nahmen mit dem naturwissenschaftlichen Zweck dieser Reise.

      Ungefährdet erreichte das Schiff die Kapstadt. Nachdem ein Tag verwendet, um die schöne, reiche Stadt mit ihren sehenswerten Umgebungen, namentlich den Tafelberg in Augenschein zu nehmen, nachdem verschiedene Geschenke für die Hottentottenhäuptlinge gekauft und Führer und Pferde gemietet waren, begann aufs neue die fröhliche Wanderung ins Innere. Der Dampfer nahm Ladung für Port Louis auf Mauritius, hauptsächlich Wein und Wolle, daher blieb Zeit genug, um auch hier in dem viel gesunderen Klima durch die Wälder zu streifen und Land und Leute kennen zu lernen.

      Die ersten Tagreisen hinter der Kapstadt bringen keine Begegnung mit Raubtieren, dafür ist die Kultur schon zu weit vorgeschritten und das Wild durch stete Verfolgung in die Wälder zurückgetrieben. Unsere Reisenden sahen hübsche Dörfer, Landsitze und Meiereien, überall den blühendsten Wohlstand und das beste Gedeihen, aber nirgends ein größeres Tier, nirgends Hottentotten im Naturzustande und vor allen Dingen nicht die Schönheit der Landschaft, welche sie an der Westküste und auf Fernando Po bewundert hatten. Es kamen lange reizlose Strecken voll Buschwerk und Sand, dann wieder niederer, dünngesäeter Wald oder endlose, langweilige Grasflächen, nur verschönert durch blühende Pelargonien (Geranium) in allen Farben und in einer bei uns in Deutschland ungeahnten Größe der Blume; an den wenigen Flüssen, welche sie antrafen, wuchs der Oleander, und üppig blühte auf jedem Schritt der Heidestrauch, bald am Boden hinkriechend, bald mannshoch und zuweilen als stattliches Bäumchen. Das Kapland hat einen so unendlichen Pflanzenreichtum und so viele Erscheinungen auf diesem Gebiet ganz für sich allein, daß es unmöglich wäre, sie alle aufzählen. Holm teilte mit, daß allein fünfhundert Arten von Heiden und dreihundert von Geranien schon in europäischen Gewächshäusern bekannt seien, ja daß zuweilen durch eine seltsame Laune der Natur irgend eine Pflanze in einer einzigen Schlucht hier vorkomme und außerdem nirgends in der ganzen weiten Welt wieder gefunden werde.

      Auch die Aloe mit ihrer märchenhaften Blüte fand sich zahlreich vor, und jetzt begann schon das Leben der freien Tierwelt. In ganzen Herden zeigten sich die großen Kuduantilopen,

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