Onnen Visser. Sophie Worishoffer

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Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

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Buben, ich könnt‘s nimmermehr tun, Schwager Geerd!«

      Der andere zuckte die Achseln. »Sehr schön gedacht«, sagte er etwas spöttisch, »ungeheuer edel, aber – für mich zu teuer. Glaubst du nicht, daß die Langfinger bei dir bald genug Moses und die Propheten entdecken werden? Dann heißt es, her damit!« Der Kapitän reckte seine muskulösen Arme. »Laß fahren dahin!« rief er. »Ich kann arbeiten, kann genug verdienen, um drei Menschen zu ernähren – auch das ist Reichtum.«

      Draußen klopfte es gegen die verschlossene Haustür. Frau Douwe schrie vor Schreck laut auf, während Onnen hinaussprang und durch das kleine Schiebfenster sah. »Es ist der Vogt, Mutter«, rief er ins Zimmer hinein, »sei nur ganz ruhig.«

      Er ließ einen alten, von der Last der Jahre gebeugten Mann eintreten, einen Greis, der sich ächzend auf den nächsten Stuhl warf. »Grüß Gott miteinander! – O Kinder, welch eine Zeit!« Frau Douwe wollte ihm eine der bunten, rot und blau bemalten Tassen mit Kaffee füllen, aber er wehrte ihr sogleich. »Die Franzosen sind immer hinter mir drein, Nachbarin, hier soll ich sein und da, dies bewerkstelligen und das. Ach, großer Gott, es ist nicht zum Aushalten.«

      Er trocknete den Schweiß von der Stirn und entfaltete dann ein Blatt Papier. »Sieh her, Visser, da steht‘s geschrieben – sobald ein Trommelzeichen gegeben wird, haben sich alle Männer des Dorfes vor dem Badehause einzufinden. Etwa um sieben Uhr früh soll die erste Ansprache stattfinden.«

      »Heute?« fragte der Kapitän.

      »Gewiß. Gleich, sage ich dir, jetzt! – Adjes! Adjes, ich muß überall Bescheid bringen.«

      Er schüttelte bekümmert den Freunden die Hand und eilte weiter, um als lebende Zeitung die Hiobspost von Tür zu Tür zu tragen. Geerd Kluin erhob sich und sah seinen Schwager bedeutsam an. »Du hörst nun, was sich vorbereitet, Visser – sei vernünftig, Mann, geh mit nach Hamburg, so lange es Zeit ist.«

      Der Kapitän lächelte. »Nimmermehr!« versetzte er. »Ich bleibe, ich will stehen und fallen für meine Heimat – der Ostfriese wankt nicht und trügt nicht!«

      Kluin umarmte seine Schwester und seinen Neffen, dann drückte er die Hand des eigensinnigen Schwagers. »Lebt wohl, ihr alle. Hoffentlich sehen wir uns wieder zur guten Stunde, wenn der Franzmann aus dem Lande geprügelt ist.«

      Er ging, begleitet von den Seinigen, um sich an Bord eines nach Leer oder Emden fahrenden Schiffes zu begeben. Die Sonne schien jetzt schon hell vom Himmel; der Kapitän winkte nochmals dem Scheidenden, dann trat er in das kleine saubere Gemach zurück und breitete beide Arme aus. »Komm her, Mutter, und auch du, Onnen! Euch liebe ich zuerst und zunächst, aber danach meine Heimat. Gerade weil sie arm und klein ist, eine verlassene Sandscholle im weiten Meer, gerade darum liebe ich sie. Was meinst du, Onnen, wollen wir beide in Hamburg müßig zusehen, wenn hier unsere Brüder ringen und leiden?«

      Die Augen des Knaben glänzten hell. »Nein, liebster Vater, nein, das verhüte Gott! Wir teilen alles, Gutes und Schlimmes.«

      Der Kapitän nickte. »Das denke ich auch. ›Alle Mann auf!‹ – Ein Fuchs oder eine Memme, wer das Kommando hört und nicht folgt.«

      In diesem Augenblick ertönte draußen ein Geräusch, Onnen horchte auf. »Trommelwirbel!« rief er, »du mußt hin, Vater!« »Und du mit, Junge! Bist konfirmiert, stellst schon deinen Mann; laß dir nur die durchwachte Nacht nicht ansehen, hörst du.«

      Frau Douwe weinte. »Die Unruhe bringt mich noch um«, schluchzte sie.

      »So geh mit, Alte!« sagte lächelnd der Kapitän. »Wirst ja noch immer ein wenig frische Luft schöpfen dürfen, wenn auch die Insel eine französische Besatzung erhalten hat! – Den Kopf auf, Mutter! Die in Emden und Leer sind ja auch nicht gleich mit Haut und Haar verschlungen worden – wir kommen schon lebendig hindurch!«

      Er hatte in aller Eile den Anzug gewechselt, ebenso Onnen, dann gingen die beiden bis zu dem Platze, auf welchem heute das neue Badehaus und die Anlagen stehen.

      Die Franzosen waren in Reih und Glied aufmarschiert, Oberst Jouffrin mit seinen Offizieren ging vor der Front auf und ab und im weiten Halbkreis sammelten sich die Bewohner der Insel, alle in ihrem Fischeranzuge, mit dem »Stummel« zwischen den Zähnen, und alle schweigsam, als sei es eine Leichenfeier, die hier vorbereitet werde.

      Ein schlimmes Zeichen für jeden, der die harmlosen norddeutschen Seeleute und ihre Vorliebe für einen guten Spaß auch nur einigermaßen kennt.

      Der Vogt mit seinem Angstgesicht lugte auch hier aus der Menge hervor; ein Schreiber vom Amt in Norden stand neben dem vortragenden Offizier, und nun wurde folgendes Schriftstück in französischer Sprache verlesen und von dem Dolmetscher übersetzt.

      »Proklamation!

      Seine Majestät der Kaiser geruhen allergnädigst zu befehlen wie folgt: Die Insel Norderney bekommt eine Besatzung, welche aus den Mitteln der Einwohner erhalten werden muß und wofür die Lieferungen demnächst ausgeschrieben werden sollen. Den Herren Offizieren werden Tafelgelder gezahlt, zu deren Beschaffung aus dem Vermögen der Eingesessenen eine Schätzung von Seiten des Herrn Obersten Jouffrin zu erfolgen hat. Wer sich dieser Zahlung entzieht, erhält sogleich doppelte oder vierfache Einquartierung; wer gegen die jetzt verlesenen Anordnungen irgendwie öffentlich auftritt oder rebelliert, wer gegen die Ausführung derselben irgendwelche Schritte unternimmt, wird mit der Strafe der Auspeitschung bedroht.«

      Der Schreiber stockte. Bei den letzten entehrenden Worten überzog fahle Blässe sein Gesicht; des Vaterlandes bittere furchtbare Schmach schien ihn zu ersticken. —

      Ringsumher war alles so todesstill, daß das Summen der Mücken in der Luft deutlich hörbar wurde.

      Oberst Jouffrin hob den Kopf. »Vite! Vite!« (Schnell! Schnell!) rief er ungeduldig.

      Der Schreiber fuhr mit der Hand über die Stirn. »Ferner wird verfügt«, las er weiter, »daß zum Zweck einer gänzlichen Vernichtung englischer Waren die öffentliche Verbrennung derselben ungesäumt stattzufinden hat. Wer derartige Gegenstände besitzt, soll sie hierher abliefern; wer ihr Vorhandensein verschweigt, sie versteckt oder in irgendeiner Weise hinterzieht, wird mit denselben Strafen belegt, welche auf schweren Diebstahl stehen. Die Ablieferung der Waren hat sogleich zu erfolgen.« Der Offizier schlug das Blatt zusammen; jetzt zum erstenmal sah der Amtsschreiber seinen Landsleuten offen ins Gesicht. »Swigt still, Lüüd!« sagt er in ermahnendem bittenden Tone, »swigt um Gott‘swillen still!«

      Die lauernden Blicke des Obersten trafen ihn sofort. »Was war das?« rief er. »Was hatten Sie hinzuzufügen?« Der Schreiber blieb durchaus gelassen. »Ich forderte die Leute auf, jetzt ruhig auseinanderzugehen«, sagte er mit lauter Stimme. Dieser Ermahnung ward auch sogleich Folge gegeben, obwohl einzelne der erbitterten Bewohner die Hände rangen und sich wie Verzweifelte gebärdeten. Dieser handelte während des Sommers mit ein wenig Kaffee, Tee oder Gewürz, jener mit Kinderspielzeugen, der dritte mit Kurzwaren u. dergl. Jetzt sollte das alles verbrannt werden.

      Verbrannt! Vernichtet! Die kleine Habe des Armen, all sein Gut, seine Hoffnung, das Brot seiner unschuldigen Kinder – die Franzosen zwangen ihn, es in das Feuer zu werfen, es der Zerstörung preiszugeben. In alle Häuser verteilten sich die Soldaten, überallhin drangen ihre spähenden Blicke, ihre dreisten Finger. Sie sahen in die Schränke und Schubladen, sie krochen in Böden und Ställe, sie untersuchten die Taschen der Bewohner.

      Jedes Stück Zucker, jedes bißchen Kaffee oder Tee wurde auf den Scheiterhaufen geschleppt oder von den Soldaten für gute Prise erklärt. Holz und Stroh kam hinzu – höher und höher wurde der Berg.

      Männerfäuste ballten sich verstohlen, aus

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