Onnen Visser. Sophie Worishoffer

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Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

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vermessenen, und von dem Tage der Vergeltung, die einst in späterer Zeit kommen müsse und werde.

      Nur einzelne klagten laut, die meisten schwiegen, um nicht immer ärgeres Übel heraufzubeschwören. Von fern umstanden die Beraubten den Scheiterhaufen; es war, als könne sich keiner trennen von dem, was noch vor wenigen Stunden den Mittelpunkt aller seiner Interessen bildete, die Welt, in der er lebte, dachte und arbeitete.

      Zu Hause alles leer – und hier die mühsam erworbenen Handelsartikel der Vernichtung preisgegeben. Wer mochte es glauben? Wer faßte das Schreckliche?

      Die Weiber jammerten, sie warfen sich im Übermaß des Kummers den französischen Offizieren zu Füßen. »Erbarmen, Erbarmen! Wir hatten nichts weiter als nur diesen kleinen armen Besitz – woher sollen wir Brot nehmen für unsere Kinder?«

      Niemand hörte sie, niemand achtete ihrer.

      Und doch gab es einen Schmerz, eine Klage, vor denen jede andere Stimme schwieg.

      Von Gruppe zu Gruppe ging ein bleiches Weib mit hohlen vergrämten Augen und gefalteten Händen; jeden der Männer redete es an im herzzerreißenden Tone des Wehes.

      »Habt ihr mein Kind nicht gesehen, Leute, meinen armen Knaben? – Seit vier Tagen ist er verschwunden, mein einziger! Sah ihn keiner? Ihr fahrt nach Baltrum und Juist, nach Norddeich und Hilgenriedersiel, seid ihr nirgends seinem Boote begegnet?«

      Ein Kopfschütteln, wohin sich die Unglückliche wandte. Arme Wiebke Raß! Sie hatte doch mehr verloren als alle die, deren Eigentum da auf dem Scheiterhaufen lag.

      Jetzt schlug einer der Franzosen Feuer, dann hielt er den brennenden Schwamm gegen die nächste Pappschachtel, in der Bänder und Spitzen lagen.

      Es züngelte rot und leuchtend aus der Mitte der trockenen, leicht entzündbaren Gegenstände hervor – der Scheiterhaufen brannte.

      »Jesus! Jesus! – Meine Sachen!«

      »O Nachbarin, Nachbarin, es ist doch nicht Euer Kind, Euer Fleisch und Blut! – Möchten die Franzosen meine Hütte nehmen, alles was ich besitze, und mir dafür den Knaben wiedergeben – mit nackten Füßen wollt‘ ich davongehen!«

      Die beiden Frauen standen händeringend da; die, deren kleinen Kram man verbrannte, schluchzend, außer sich, die andere tränenlos, dem Irrsinn nahe. Umsonst bemühten sich mitleidige Menschen, sie zu trösten, Wiebke Raß schüttelte nur ruhig den Kopf. »Laßt das, Leute, laßt das, mir hilft nichts auf Erden mehr.«

      Von der Seite des jetzigen Anlegeplatzes her kam ein Laufen und Rufen, eine Unruhe, die sich von Person zu Person fortpflanzte. Zwei Männer trugen eine Bahre, sie schienen den Weg rechts ab zum Dorfe nehmen zu wollen und widersprachen, als einige der Leute auf die vor dem Feuer Versammelten hindeuteten.

      Die Franzosen hatten alles gesehen; ohne Zaudern trieben sie die beiden Fischer mit Kolbenstößen vor sich her bis zum Scheiterhaufen. Was da auf der Bahre lag, das sollte dem allgemeinen Schicksal des Verbrennens nicht entgehen.

      Ein kecker Griff riß das Segeltuch herab – dann taumelte der Franzose, als habe ihn eine unsichtbare Faust gepackt »Diable!« rief er stammelnd.

      Durch die Menge ging ein Schrei des Entsetzens.

      Auf der Bahre lag die Leiche eines vierzehnjährigen Knaben, entstellt und von schrecklichem Aussehen, mit durchschossener Brust. An der linken Seite klaffte eine tiefe Wunde, der Arm hing lose und zerschmettert herab.

      »Kornelius Raß!« ging es von Mund zu Mund. »Ach, die arme Mutter!«

      Und nun hatte auch das blasse unglückselige Weib die Bahre gesehen. Ihre Arme hoben sich langsam zum Himmel empor, sie sprach keine Silbe, das Entsetzen schien ihre Zunge gelähmt zu haben.

      Hellauf loderten die Flammen, der Wind fuhr hinein und fachte sie an, ein Funkenregen hob sich spielend in die Luft, knisternd stäubte weiße Asche.

      Im weiten Halbkreis standen die Fischer und Schiffer, alle stumm, ihre kurzen Pfeifen jetzt in den Händen haltend. Da lag das schuldlose Kind mit der französischen Kugel im Herzen, purpurn überstrahlt von den Gluten, die Hab und Gut der Einwohner fraßen – es war, als verklagten die erhobenen Arme der beraubten Mutter jenen Gewaltherrscher, dem die Welt erschaffen schien zum Spielball seiner maßlosen Laune.

      Immer mehr näherte sich Wiebke Raß der Bahre, dann ließ sie sich auf ihre Knie nieder und legte die Hand auf des Knaben Wunde – leise, wie schützend, voll zärtlicher Sorgfalt. Über ihre Lippen kam ein Wimmern, das furchtbarer, erschütternder klang, als selbst der lauteste Verzweiflungsschrei.

      Niemand dachte mehr an die brennenden Sachen, in aller Augen glänzten Tränen, alle Herzen fühlten mit der unglücklichen Mutter den Jammer dieser Stunde, selbst die Franzosen schienen ergriffen.

      »Es soll eine Untersuchung eingeleitet werden«, sagte schaudernd der Oberst. »Bringt die Leiche fort, Leute – schnell, schnell!«

      Ein paar Fischer näherten sich der armen Frau, sie führten sie mit sanfter Gewalt von der Bahre nach Hause. Hier half kein Trösten, kein Zureden, das Übermaß des Schmerzes mußte sich Bahn brechen, bevor die Wunde langsam zu heilen vermochte.

      Noch flüsterten die Leute, noch standen die einzelnen Gruppen händeringend beisammen, da nahte vom Dorfe her eine halbgelähmte Greisin, die einen flachen Korb mit Putzartikeln herbeitrug, bescheidene Bänder und Tücher, Kinderschürzen, Kragen, ein paar Fingerhüte, Nähnadeln und Scheren. Sie sah immer nach allen Seiten, und als ihre Blicke das Feuer trafen, da stand sie erschreckend still – ein Schrei von den Lippen der armen Alten lenkte die Aufmerksamkeit der französischen Zollwächter auf ihren Korb.

      »Halloh!« rief einer, »englische Ware – her damit!« Die Alte schüttelte den Kopf. »Ich kann es ja doch nicht! Mein ein und mein alles – erst gestern abend ist mir mein einziges Bett genommen worden! Lieber Gott, was soll ich unglückliche Frau anfangen?«

      »Her damit! Her damit!« schrie der Franzose.

      Die alte Frau schien in Verzweiflung zu fallen. »Helft mir doch, Landsleute«, rief sie mit bebender Stimme. »Da in dem Korbe stecken zwanzig Taler – all mein Vermögen! – wenn mir‘s geraubt wird, muß ich betteln gehn!«

      »Diable m‘emporte! (Hol mich der Teufel!) was zetert die Hexe?«

      Der Franzose näherte sich mit gezücktem Säbel der schreienden Frau und würde sie vielleicht im selben Augenblick verwundet haben, wenn nicht Kapitän Visser zwischen beide gesprungen wäre. Seine sehnige Gestalt war hoch aufgerichtet, sein Auge blitzte, er schob mit unwiderstehlicher Gewalt den Soldaten beiseite und nahm zugleich den Korb der alten Frau, um ihn mittels eines einzigen Ruckes auf den Scheiterhaufen zu schleudern.

      Funken und Flammen schlugen hoch empor – die arme Händlerin schrie laut auf.

      »Sei ruhig, Folke Eils«, tröstete der Kapitän, »du mußt eben der Gewalt weichen wie wir alle. Mit deinem bunten Kram kannst du jetzt nicht handeln, denn die Franzosen würden ihn für englische Ware ansehen, gleichviel woher du die Sachen genommen hättest; aber deine zwanzig Taler will ich dir wiedergeben und außerdem wird Mutter Douwe auch ein Bett für dich in deine Hütte schaffen. Komm jeden Tag und iß mit uns, was Gott beschert, es soll dir von Herzen vergönnt sein.«

      Die Alte schluchzte halb vor Freude, halb vor Angst. Ringsumher erhob sich ein Murmeln des Beifalls, nur Oberst Jouffrin, der Kommandeur der französischen Soldaten, schien die Sache sehr übel aufgenommen zu haben. Er strich wütend den schwarzen Schnurrbart

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