Onnen Visser. Sophie Worishoffer

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Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

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Weise schliche ich mich von hier fort und könnte gegen die Franzosen kämpfen! Ach, fühlten doch alle Deutschen so wie ich – sie hielten zusammen und prügelten den Korsen zum Lande hinaus auf Nimmerwiederkehr!«

      Er ließ den Kopf auf die Brust sinken und verschränkte seine Arme. Wenn es ganz dunkel geworden war, konnte er ein wenig schlafen; die Vögtin hatte eben erst stillschweigend eine wahre Sündflut von alten Kartoffelsäcken die Kellertreppe hinabregnen lassen – ein sauberes Leintuch flog hinterdrein, das war genug, um wie ein König darauf zu schlummern.

      Schon jetzt schloß er die Augen und fing an zu träumen. Während der vorigen Nacht hatte er, anstatt zu schlafen, gearbeitet und marschiert, dafür packte ihn nun im Dämmerlicht des stillen einsamen Kellers die Ermüdung mit verdoppelter Stärke; er sah schon die Bilder seiner erregten Phantasie, bevor noch Minuten vergangen waren.

      An der Spitze einer siegreichen Armee stürmte er vorwärts, und während tausend Schwerter im Sonnenglanz blitzten, tausend Herzen frohlockend im Rausche der wiedererrungenen Freiheit schwelgten, sah er den französischen Kaiser vollen Laufes entfliehen. Damals fanden sich die Bildnisse Napoleons überall, jedes Kind kannte sie – im Traume zeigte Onnen dem Tyrannen seine geballte Faust.

      Ein halblautes Kichern ließ ihn plötzlich auffahren. Er sah umher, ein Seufzer der Enttäuschung hob seine Brust. »Nichts!« murmelte er, »nichts! Keine Schlacht!«

      Draußen lachte es wieder und Onnen hatte nun sein volles Bewußtsein zurückerlangt.

      »Wer ist da?« rief er.

      »Dir träumte wohl recht etwas Angenehmes, nicht wahr?«

      Onnen zuckte die Achseln. »Du bist‘s, Adam Witt!« sagte er gleichgültig.

      »Ja, ich bin‘s wirklich. Die Franzosen haben dich erwischt, nicht wahr?«

      »Und du möchtest jetzt ein wenig spionieren, möchtest, daß ich mich zu Schmähreden hinreißen ließe, um sie brühwarm zu hinterbringen, nicht wahr?«

      »Was du denkst! Ich finde es höchst ergötzlich, dich da so baumeln zu sehen. Eben murmeltest du im Schlafe von gewaltigen Prügeln.«

      »Die ich dir aufzählen will, ja. Und jetzt belästige mich nicht weiter.«

      Der Sohn des Franzosenfreundes lachte. Er kannte die Faust dessen, den er im Augenblick ungestraft necken durfte; eben um dieser vielen schlimmen Erfahrungen willen freute es ihn, sich heute einmal gehörig rächen zu können.

      Sobald Onnen die Augen schloß, weckte er ihn. »Du, die Gefangenen in der Amtsvogtei dürfen nicht schlafen! – Ich werde nun bald mit meinem Vater nach Paris gehen, wollte dir‘s nur sagen, damit du siehst, wer ich bin und wer du bist! Wir sind reiche Leute, wir haben Geld die Hülle und Fülle – neulich durfte ich mit Vaters Flinte nach einer Möwe schießen – ein Hunderttalerschein war als Kugelpfropf hineingesteckt. So viel könnt ihr sicherlich in einem ganzen Monat nicht aufwenden.«

      Keine Antwort.

      »Schläfst du wieder, Onnen?«

      Alles still.

      Der Bursche mit dem gelben galligen Gesicht ärgerte sich, während er seinen Altersgenossen zu ärgern glaubte. Als völlige Finsternis herabgesunken war, glitt Onnen vom Brett und legte sich auf die Kartoffelsäcke, aber zu wirklicher Ruhe kam er nicht denn Adam Witt rief entweder mit lauter Stimme seinen Namen, oder er warf kleine Steine in das offene Fenster hinein – immer ohne von drinnen ein Lebenszeichen zu erhalten.

      Als die alte Kuckucksuhr in der Kammer des Amtsvogtes fünf schlug, da kam dieser würdige Mann bedächtig in den Keller gestiegen und erlöste seinen Gefangenen. »Du«, sagte er tief seufzend, »du, ich wollte dich schon gestern abend wegspringen lassen, aber der lange Bengel, der Adam Wirt, spionierte hier fortwährend herum.«

      Onnen lachte. »Ist er noch da, Vogt?«

      »Wie weggeblasen! Er fürchtet wahrscheinlich deine Fäuste.« Onnen nickte. »Diese Vorahnung soll ihn nicht trügen. Adjes, Vogt!«

      Er streckte sich, schüttelte dem Alten die Hand und hatte binnen wenigen Minuten seines Vaters Haus erreicht. Frau Douwe küßte ihren einzigen mit mütterlicher Liebe. »Sollst gleich Kaffee haben, mein Junge! Die Franzosen finden zwar viel, aber doch, Gott sei dank, noch lange nicht alles.«

      An Bord der »Taube« herrschte seltsames Treiben.

      Zwei mit Nachtfernrohren versehene Männer hielten scharfen Ausguck, zwei andere standen am Mast, um jeden etwa gegebenen Befehl sogleich vollziehen zu können, während sechs Fischer damit beschäftigt waren, sich äußerlich unkenntlich zu machen, indem sie Kapuzen aus schwarzem Segeltuch über die Köpfe banden und um den Hals herum befestigten.

      Nur Augen und Mund sahen aus dieser Teufelsmaske hervor, sonst waren alle Teile des Kopfes vollständig verborgen. »Für euch liegen die Kapuzen hier«, sagte einer der Männer zu denen am Ausguck und am Steuer. »Daß ihr eure Gesichter nicht sehen laßt!«

      »Haltet Ihr denn die Gefahr heute abend besonders groß, Heye Wessel?«

      Der Gefragte zuckte die Achseln. »Wenn nun Doppelposten ausgestellt wären?« versetzte er. »Man kann nie in die Zukunft sehen.«

      »Ein Kanonenboot in Sicht!« meldete mit leiser Stimme der Mann am Ausguck.

      Kapitän Visser ergriff eiligst das Fernrohr. »Ein englisches«, sagte er aufatmend. »Das ist gut, es zeigt uns wenigstens sogleich an, wenn sich etwa Franzosen nähern sollten, und verschafft uns dadurch Zeit zur Flucht.«

      Ein blaues Licht blitzte hart backbord von der »Taube« aus der Finsternis auf, der Gegengruß erfolgte in ähnlicher Weise und geräuschlos, wie es gekommen war, glitt das englische Fahrzeug vorüber, so den Schmugglern den Weg zum Wattstrande freihaltend, gleichsam ihr Vorläufer zum sicheren Ziel.

      In den schwedischen und schleswigschen Häfen lagen damals Hunderte von Kauffahrteischiffen, die ihre Ladung, der Kontinentalsperre wegen, nicht löschen konnten und die daher, wenn sie nicht Zeit und Geld verlieren wollten, lediglich auf die Schmuggler angewiesen waren. Napoleon befahl und seine Schergen, zum Teil Wüteriche wie Davoust und Vandamme, führten auf das schonungsloseste diese widerrechtlichen Anordnungen aus, ohne im allermindesten zu beachten, daß dadurch ganze Völkerschaften geschädigt, ganze Gewerbe vernichtet wurden. So erklärte z. B. der Gewalthaber alle Schiffe, die sich mit Kolonialwaren beladen in den deutschen Flüssen fanden, einfach für konfisziert.

      Immer aber, immer und überall in der Welt stellt sich dem Mißbrauch einer Macht die Umgehung, die List entgegen. Was Hände besaß, das schmuggelte; hoch und niedrig, jung und alt, nicht am wenigsten die Franzosen selbst, sobald es galt, Seidenstoffe, Samt oder sonstige Wertsachen heimlich auf die Seite zu bringen.

      Die öffentliche Moral war verdorben durch das Beispiel von oben; man hatte den Norderneyer Schiffskapitänen ihr ehrliches Gewerbe entrissen, also schmuggelten sie wie alle übrigen auch. Als ein einziges Mal der Prediger des Dorfes gegen dies Unwesen seine Stimme erhob und den Spruch: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!« den verwegenen Paschern zu bedenken gab, da hatten sie ihm geantwortet: »Der Kaiser ist nicht unser Landesherr, sondern ein hereingebrochener fremder Räuber!« – und seitdem wurde von der Sache nicht wieder gesprochen.

      2

      Die »Taube« glitt vor frischer Brise dem Lande entgegen. Jetzt war man nahe am Ziel; zwischen der Küste und der Schaluppe befand sich kein Fahrwasser mehr, in welchem noch ein französisches Kanonenboot

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