Onnen Visser. Sophie Worishoffer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Onnen Visser - Sophie Worishoffer страница 9

Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

Скачать книгу

Birkenstämme bezeichneten die Furt; rechts und links brauste das Meer, bläulich schimmerten im ungewissen Licht die einzelnen Rinnen und Lachen, deren trübe Fluten unter den Füßen der Männer hoch aufspritzten. Man war vor einem wenigstens sicher, vor jeder Begegnung nämlich, daher brauchte kein Stillschweigen zu herrschen. Weder Freund noch Feind würde sich hinauswagen in die grauenvolle Einöde, den feuchten Grund des Meeres, das einige Stunden später rollend und brandend zurückkam, um alles zu verschlingen, was seine wilden Wogen fanden und erwürgten. Unter den Füßen kroch es und flog, huschte nach allen Seiten; jede kleinste Erhöhung war bedeckt mit lebenden Wesen, die einander bekämpften. Große Mantel- und Silbermöwen, Austernfischer, Kampfhähne, Gänsesäger, Brandenten und Lummen bevölkerten das Watt, um auf demselben ihre Nahrung zu suchen; sie saßen in ganzen Scharen beieinander, flogen ab und zu, kreischten und flüchteten, wo sich ihnen die Menschen näherten.

      »Halb zwei Uhr vorüber. – Wo sind wir, Uve Mensinga? Du mußt es wissen.«

      Der Wattführer nickte. »Haben bald die Hälfte des Weges, Kapitän Visser! – Mehr nach links, Leute – drüben läuft die tiefe Rille.« Sie wechselten ab mit Schieben und Tragen; von allen Stirnen floß der Schweiß. Schien es nicht ringsumher dunkler zu werden anstatt heller?

      »Westwind!« sagte Heye Wessel. »Es gibt Regen!«

      »Ob die Teekisten dicht halten?«

      »Sind alle gut verzinkt. Die ersten Tropfen fallen schon.« Langsam zog eine schwarze Wolke am Horizont herauf, dichter und immer dichter rieselte in schweren Schauern der Regen herab. Binnen weniger Minuten schien alles ringsumher in Wasser verwandelt, es glitzerte und leuchtete, es plätscherte unter den Tritten der Männer.

      »Nach links, nach links!« ermahnte Uve Mensinga und auch der zweite Wattführer schob mit kräftigem Ruck den Karren in diese Richtung hinüber. »Siehst du die Stämme, Uve?« fragte er etwas unruhig.

      »Ich denke, daß nun gleich wieder einer kommen muß!«

      Aber im selben Augenblick brach über seine Lippen ein Schreckensruf. »Das breite Loch!« rief er. »Zurück! Zurück! Wir sind aus der Furt herausgekommen!«

      Es brauste in den Lüften wie ferner Donner, die See brandete und der Regen floß in Strömen. Das helle Lachen der Möwe klang schaurig durch all den Graus – dicht um die Köpfe der Männer strich mit schwerem Flügelschlage die große Raubmöwe, als wolle sie sich jetzt schon der Beute versichern.

      Und Mensinga schob den Wachstuchhut tiefer in die Stirn.

      »Ich muß zurückgehen und die Furt untersuchen«, sagte er.

      »Aber bleib um Gottes willen nicht lange. Noch eine Stunde, dann ist die Flut an dieser Stelle.«

      »Wir können in vierzig Minuten drüben sein! Das breite Loch liegt, wie ihr wißt, hinter zwei Dritteln des Weges.«

      »Ja! Ja! – An diese Nacht will ich denken, solange ich lebe!« —

      Dicht nebeneinander, mit pochenden Herzen standen die Schmuggler. Wasser ringsumher, bewegtes, wellenschlagendes Wasser, das schon ihre Füße netzte. Wenn jetzt eine Springflut kam, was dann? Es war der sichere Untergang für alle; sie wußten es.

      Wo nur der Wattführer bleibt? Er könnte wohl schon zurück sein!

      »Uve!« rief halblaut eine Stimme.

      Keine Antwort; nur die Möwe lachte und der Sturm brauste.

      »Uve Mensinga, wo bist du? – Gib doch Bescheid!«

      Das Licht der Laterne blitzte auf; mit todbleichem Antlitz stand der Wattführer vor seinen Genossen. »Wir müssen ganz vom Wege abgekommen sein – ich bin außerstande, einen der Birkenstämme zu finden.«

      Sekundenlang schwiegen alle, das Entsetzliche wirkte lähmend, dann aber sprachen sämtliche Stimmen zugleich:

      »Vorwärts, vorwärts, das breite Loch lassen wir rechts liegen!«

      »Wir dürfen nicht länger zögern, uns bleiben bis zum Eintritt der Flut nur noch fünfzig Minuten.«

      »Aber dann steigt der Boden allmählich an. Wir haben noch eine volle Stunde, und das genügt.«

      Wieder schoben vereinte Kräfte das Boot. Eine neue Gefahr tauchte langsam aber sicher aus dem Dunkel herauf; auch der Deich von Hilgenriedersiel hatte eine Wache französischer Zollbeamten. Nur um diesen letzteren in die Hände zu fallen, sollte der furchtbare Weg über das gefahrdrohende Watt zurückgelegt sein? – Das wäre entsetzlich.

      »Kennst du dich gar nicht mehr aus, Uve? Und auch du nicht, Lars Meinders?«

      Der letztere nickte. »Wir sind in der Furt«, sagte er, »aber zu weit rechts.«

      »Hurra!« rief in diesem Augenblick Onnens Stimme, »hier ist eine Birke.«

      Die beiden Führer eilten zu ihm. »Links hinüber!« riefen sie. »Jetzt geht noch alles gut!«

      Ein sonderbar gurgelndes Geräusch ließ die Männer aufhorchen. Breit und schaumbedeckt rollte eine Welle vor ihre Füße, um im gleichen Augenblick wieder zurückzutreten und zu verschwinden. Das war keine Rinne, keine Vertiefung – so flutete nur das ansteigende Meer, so hob und senkte sich in gemessenen Pausen die Riesenbrust – da, da, es kam wieder – ja, es war das Meer, die Flut. »Eilt euch, eilt euch, so sehr ihr euer Leben liebt!«

      Das Boot flog über den nassen Sand, die Schmuggler bissen ihre Zähne zusammen, sie sprachen kein Wort, sie flüchteten nur in toller, atemloser Hast, wie das Leben vor dem Tode flieht, vor dem entsetzlichen Gedanken der Vernichtung.

      Ein helles Pünktchen blitzte auf – in weiter, weiter Ferne. Es schien mit jeder verrinnenden Sekunde größer zu werden.

      »Licht in Hilgenriedersiel!«

      »Das ist nicht das Dorf«, keuchte Lars Meinders. »Es muß dort hinüberliegen!«

      »Auch da erscheint ein Licht!«

      »Ruhig! Ruhig!« ermahnte der Kapitän. »Wo haben wir denn unsere Augen, Kinder? – Das Meer leuchtet!«

      Überall in Nähe und Ferne schienen die Wellen mit flüssigen Feuertropfen besät, überall spielten und glühten schimmernde Brillanten, die sich in ganzen Wogen hoben und senkten. Ein brennendes Meer, brennende windgepeitschte Fluten – so entrollte sich das Bild voll wunderbarer ergreifender Schönheit.

      Jetzt leuchtete alles. Weithin von Norderney bis zum Ostfriesischen Deiche schaukelten und schwellten die blitzenden Wassermassen; jede Woge warf funkelnde Rubinen den Schmugglern vor die Füße, jede schien in ihren Flammenschoß die dunklen Gestalten hinabziehen zu wollen auf Nimmerwiederkehr.

      »Ob wir die Räder abreißen? Ob wir das Boot treiben lassen?«

      »Geduld! Geduld! Seht ihr denn nicht den schwarzen Streifen? Das ist das feste Land!«

      »Aber noch weit ab, weit ab! Jesus, mein Heiland, wenn dort Franzosen ständen!«

      »In diesem Regen? Die feinen Muttersöhnchen würden ja schier den Schnupfen kriegen! Sie sind ohne Zweifel beizeiten unter Dach und Fach gekrochen.«

      »Oder sie werden geknebelt wie drüben die beiden anderen. Alle Hagel, das Wasser steigt!«

      Wenn jetzt die

Скачать книгу