Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern). Tolstoy Leo

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Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern) - Tolstoy Leo

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ja sehen. (Sie geht, vor sich hinsingend, ab.)

Siebenter AuftrittAnna Pawlowna allein

      Anna Pawlowna (schüttelt den Kopf und murmelt): Sehr schön; lassen wir sie nur gewähren. Sehr schön; lassen wir sie nur gewähren. Ja …

Achter AuftrittAnna Pawlowna und das Stubenmädchen, welches eintritt

      Stubenmädchen: Viktor Michailowitsch ist gekommen.

      Anna Pawlowna: Nun schön; bitte ihn hereinzukommen und sage es der gnädigen Frau. (Das Stubenmädchen geht hinaus.)

Neunter AuftrittAnna Pawlowna und Viktor Karenin

      Viktor Karenin (tritt ein und begrüßt Anna Pawlowna): Jelisaweta Andrejewna hat mir einen Brief geschickt mit der Aufforderung herzukommen. Ich hatte sowieso die Absicht, heute abend bei Ihnen vorzusprechen, und habe mich daher sehr gefreut … Befindet sich Jelisaweta Andrejewna wohl?

      Anna Pawlowna: Sie befindet sich wohl; aber das Kindchen ist ein bißchen unruhig. Sie wird gleich kommen. (In traurigem Tone:) Ja, ja, es ist eine schwere Zeit. Sie wissen ja wohl alles?

      Karenin: Allerdings. Ich war ja vorgestern hier, als sein Brief ankam. Aber ist denn das wirklich unwiderruflich beschlossen?

      Anna Pawlowna: Aber selbstverständlich. Das alles noch einmal durchzumachen wäre doch schrecklich.

      Karenin: Ein solcher Trennungsschnitt will doch zehnmal überlegt sein. Ins lebendige Fleisch zu schneiden, das ist doch eine schwere Aufgabe.

      Anna Pawlowna: Natürlich ist es eine schwere Aufgabe. Aber die Ehe der beiden war ja schon längst halb zerschnitten. Und daher war die vollständige Trennung weniger schwer, als es scheint. Er sieht selbst ein, daß nach allem Geschehenen seine Rückkehr ein Ding der Unmöglichkeit ist.

      Karenin: Wieso?

      Anna Pawlowna: Aber wie können Sie das nur für möglich halten nach all den garstigen Dingen, die er begangen hat, und nachdem er geschworen hat, dergleichen werde nicht wieder vorkommen, und wenn es doch vorkäme, so verzichte er auf alle seine Rechte als Ehemann und gebe ihr ihre volle Freiheit wieder …

      Karenin: Ja, aber was will die Freiheit einer Frau besagen, die durch die Ehe gebunden ist?

      Anna Pawlowna: Es soll die Scheidung erfolgen. Er hat ihr die Scheidung versprochen, und wir werden darauf bestehen.

      Karenin: Ja, aber Jelisaweta Andrejewna hat ihn so geliebt …

      Anna Pawlowna: Ach, ihre Liebe ist so harten Prüfungen ausgesetzt gewesen, daß von ihr kaum etwas übriggeblieben ist. Es fallen ihm Trunksucht, Hintergehung und Untreue zur Last. Kann man denn einen solchen Mann lieben?!

      Karenin: Der Liebe ist alles möglich.

      Anna Pawlowna: Sie reden von Liebe; aber wie kann man denn einen solchen Waschlappen lieben, auf den gar kein Verlaß ist? Was hat er noch jetzt eben für einen Streich begangen! (Sie sieht sich nach der Tür um und beeilt sich mit ihrer Erzählung.) Der ganze Haushalt ist ruiniert, alles versetzt, kein bares Geld vorhanden. Da schickt ihm sein Onkel endlich zweitausend Rubel, um die Zinsen der Schulden zu bezahlen. Er entfernt sich mit diesem Gelde und ist verschwunden. Seine Frau sitzt mit dem kranken Kinde da und wartet; endlich erhält sie einen Brief, sie möchte ihm Wäsche und andere Sachen seines persönlichen Bedarfes schicken.

      Karenin: Ja, ja, ich weiß.

Zehnter AuftrittAnna Pawlowna, Karenin. Lisa und Sascha treten ein

      Anna Pawlowna: Nun, siehst du, Viktor Michailowitsch ist auf deine Aufforderung erschienen.

      Karenin: Ja, ich wurde ein wenig aufgehalten. (Er begrüßt die Schwestern.)

      Lisa: Ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich habe an Sie eine große Bitte. Und ich kann mich damit an niemand wenden als an Sie.

      Karenin: Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht.

      Lisa: Sie wissen ja doch wohl alles?

      Karenin: Ja, ich weiß es.

      Anna Pawlowna: Ich werde euch also allein lassen. (Zu Sascha:) Komm, wir wollen die beiden allein lassen. (Sie geht mit Sascha hinaus.)

Elfter AuftrittLisa und Karenin

      Lisa: Ja, er hat mir einen Brief geschrieben, er betrachte alles zwischen uns als beendet. Ich (sie drängt die Tränen zurück) fühlte mich so gekränkt, so … nun, mit einem Worte, ich war mit der Trennung einverstanden … und antwortete ihm, ich nähme seine Absage an.

      Karenin: Und jetzt bereuen Sie das?

      Lisa: Ja, ich bin zu der Empfindung gelangt, daß das von meiner Seite schlecht gehandelt war, daß ich es nicht tun kann. Ich will lieber alles erdulden, als mich von ihm trennen. Nun, kurz gesagt, händigen Sie ihm diesen Brief ein! Bitte, Viktor, händigen Sie ihm diesen Brief ein, und sagen Sie ihm … und bringen Sie ihn her!

      Karenin (verwundert): Ja, aber wie soll ich das machen?

      Lisa: Sagen Sie ihm, ich bäte ihn, alles zu vergessen und zurückzukehren. Ich könnte ihm ja den Brief einfach zuschicken; aber ich kenne ihn: die erste Regung würde, wie immer, eine gute sein; aber dann macht sich irgendein fremder Einfluß geltend, und er wird anderen Sinnes und tut nicht das, was er in Wahrheit will.

      Karenin: Ich werde tun, was ich kann.

      Lisa: Sie wundern sich wohl, daß ich gerade Sie bitte?

      Karenin: Nein … übrigens, um die Wahrheit zu sagen: ja, ich wundere mich …

      Lisa: Aber Sie sind mir nicht böse?

      Karenin: Als ob ich Ihnen überhaupt böse sein könnte.

      Lisa: Ich habe Sie deswegen gebeten, weil ich weiß, daß Sie ihm zugetan sind.

      Karenin: Sowohl ihm als auch Ihnen. Das wissen Sie. Ich bin ihm nicht um seinetwillen zugetan, sondern um Ihretwillen. Und ich bin Ihnen dankbar für das Vertrauen, das Sie mir schenken. Ich werde tun, was ich kann.

      Lisa: Das weiß ich. Ich werde Ihnen alles sagen: ich bin heute bei Afremow gewesen, um zu erfahren, wo er sich jetzt aufhält. Es wurde mir gesagt, er habe sich zu den Zigeunern begeben. Und gerade das ist es, was ich fürchte. Diese Verlockung fürchte ich. Ich weiß, daß, wenn man ihn nicht rechtzeitig zurückhält, er sich verlocken und hinreißen läßt. Darum muß das geschehen. Also Sie werden hinfahren?

      Karenin: Selbstverständlich, sofort.

      Lisa: Fahren Sie hin, machen Sie ihn ausfindig, und sagen Sie ihm, daß alles vergessen ist und ich ihn erwarte.

      Karenin (steht auf): Aber wo soll ich ihn suchen?

      Lisa: Er ist bei den Zigeunern. Ich bin selbst dort gewesen. Ich war an der Haustür und wollte ihm den Brief hineinschicken; aber dann besann ich mich anders und beschloß, Sie zu bitten … Hier ist die Adresse. Sagen Sie ihm also, er möchte zurückkehren; es sei nichts geschehen; alles sei vergessen. Tun Sie das aus Liebe zu ihm und aus Freundschaft gegen uns.

      Karenin: Ich werde alles tun, was ich kann. (Er verbeugt sich und geht hinaus.)

Zwölfter AuftrittLisa allein

      Lisa: Ich kann es nicht, ich kann es nicht. Ich will lieber alles erdulden als … ich kann es nicht.

Dreizehnter AuftrittLisa, Sascha, welche

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