Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern). Tolstoy Leo

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Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern) - Tolstoy Leo

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Nun, wie ists? Hast du ihn hingeschickt?

      Lisa (nickt bejahend mit dem Kopfe).

      Sascha: Und er hat sich dazu bereitfinden lassen?

      Lisa: Natürlich.

      Sascha: Warum hast du gerade ihn geschickt? Das ist mir unbegreiflich.

      Lisa: Wen hätte ich sonst schicken sollen?

      Sascha: Aber du weißt doch, daß er in dich verliebt ist?

      Lisa: Das gehört alles der Vergangenheit an und ist vorüber. Aber wen hätte ich denn deiner Meinung nach sonst darum bitten sollen? Wie denkst du darüber: wird er zurückkehren?

      Sascha: Ich bin davon überzeugt; denn …

Vierzehnter AuftrittLisa, Sascha. Anna Pawlowna, welche eintritt. (Sascha verstummt.)

      Anna Pawlowna: Nun? Wo ist Viktor Michailowitsch?

      Lisa: Er ist weggefahren.

      Anna Pawlowna: Wieso weggefahren?

      Lisa: Ich habe ihn gebeten, mir eine Bitte zu erfüllen.

      Anna Pawlowna: Was für eine Bitte? Das ist wohl wieder ein Geheimnis?

      Lisa: Ein Geheimnis ist es nicht: ich habe ihn einfach gebeten, einen Brief an Fedja persönlich zu bestellen.

      Anna Pawlowna: An Fedja? An Fjodor Wasiljewitsch?

      Lisa: Ja, an Fedja.

      Anna Pawlowna: Ich dachte, zwischen euch beiden wären alle Beziehungen abgebrochen?

      Lisa: Ich kann mich nicht von ihm trennen.

      Anna Pawlowna: Also soll die ganze Geschichte wieder von vorn anfangen?

      Lisa: Ich wollte mich von ihm lossagen und habe mir alle Mühe gegeben; aber ich kann es nicht. Ich will alles tun, was Sie wollen, wenn ich mich nur nicht von ihm zu trennen brauche.

      Anna Pawlowna: Dann möchtest du ihn also wohl wieder zurückholen?

      Lisa: Ja.

      Anna Pawlowna: Und du willst dieses schändliche Subjekt wieder zu dir ins Haus lassen?

      Lisa: Mama, ich bitte Sie, von meinem Manne nicht in solchen Ausdrücken zu reden.

      Anna Pawlowna: Dein Mann ist er gewesen.

      Lisa: Nein, er ist auch jetzt noch mein Mann.

      Anna Pawlowna: Ein Verschwender, ein Trunkenbold, ein Liedrian ist er, und du kannst dich nicht von ihm trennen?

      Lisa: Warum quälen Sie mich? Es ist mir so schon schwer genug ums Herz, und Sie scheinen mein Leid absichtlich noch vergrößern zu wollen.

      Anna Pawlowna: Ich quäle dich! Nun, dann will ich abreisen. Das kann ich nicht mit ansehen.

      Lisa (schweigt).

      Anna Pawlowna: Ich sehe, daß ihr das wollt, und daß ich euch im Wege bin. Ich kann nicht hier bleiben. Ich verstehe euch gar nicht. Immer etwas Neues. Erst beschließt du, dich von ihm zu trennen; dann berufst du auf einmal einen Mann her, der in dich verliebt ist …

      Lisa: Das ist nicht der Fall.

      Anna Pawlowna: Karenin hat dir einen Heiratsantrag gemacht, und nun schickst du ihn zu deinem Manne, um diesen holen zu lassen. Was stellt das vor? Willst du deinen Mann eifersüchtig machen?

      Lisa: Mama, es ist schrecklich, wie Sie da reden. Gönnen Sie mir Ruhe!

      Anna Pawlowna: Nun, dann jage deine Mutter aus dem Hause und laß deinen liederlichen Mann herein! Aber ich werde das nicht abwarten. Lebt wohl; Gott sei mit euch; meinetwegen macht, was ihr wollt! (Sie geht hinaus und schlägt die Tür heftig zu.)

Fünfzehnter AuftrittLisa und Sascha

      Lisa (läßt sich auf einen Stuhl sinken): Das fehlte noch!

      Sascha: Nun, das ist nicht so schlimm. Es wird noch alles gut werden. Mama werden wir schon wieder beruhigen.

Sechzehnter AuftrittLisa, Sascha und Anna Pawlowna, welche durchs Zimmer geht

      Anna Pawlowna: Dunjascha, meinen Koffer!

      Sascha: Mama! So hören Sie doch! (Sie eilt ihr nach und zwinkert dabei ihrer Schwester zu.)

Vorhang

      Zweites Bild

Ein Zimmer bei den ZigeunernErster AuftrittDer Chor singt ein Lied. Fedja liegt rücklings in Hemdsärmeln auf dem Sofa. Afremow sitzt dem Vorsänger gegenüber rittlings auf einem Stuhl. Ein Offizier sitzt an einem Tische, auf welchem Champagnerflaschen und Gläser stehen. Ebendort sitzt ein Musiker, der sich Notizen macht

      Afremow: Fedja, schläfst du?

      Fedja (richtet sich auf): Schwatzt nicht! Jetzt: „Nicht der Abendstern”!

      Ein Zigeuner: Das geht nicht, Fjodor Wasiljewitsch. Jetzt soll Mascha erst allein singen.

      Fedja: Na, gut! Aber dann: „Nicht der Abendstern”! (Er legt sich wieder hin.)

      Der Offizier: „Die Schicksalsstunde”!

      Der Zigeuner: Einverstanden?

      Afremow: Meinetwegen.

      Der Offizier (zu dem Musiker): Nun, haben Sie es sich aufgeschrieben?

      Der Musiker: Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Jedesmal klingt es anders. Und was ist das manchmal für eine Tonart! So gleich dieses hier. (Er ruft eine Zigeunerin herbei und fragt sie.) Stimmt das so? (Er singt.)

      Die Zigeunerin: Ja, ganz richtig. Wundervoll.

      Fedja (sich aufrichtend): Er wird es nicht aufschreiben können, und wenn er es aufschreibt und in einer Oper anbringt, so wird er alles verhunzen. Na, Mascha, dann mal los mit der „Schicksalsstunde”! Nimm die Gitarre! (Er steht auf, setzt sich vor sie hin und sieht ihr in die Augen.)

      Mascha (singt).

      Fedja: Gut gemacht! Bravo, Mascha! Na, aber jetzt: „Nicht der Abendstern”!

      Afremow: Nein, warte mal! Erst mein Lied, mein Begräbnislied!

      Der Offizier: Wieso denn Begräbnislied?

      Afremow: Deswegen: wenn ich sterbe … du verstehst, ich werde sterben und im Sarge liegen, und dann werden die Zigeuner kommen … verstehst du? Das werde ich vorher meiner Frau zur Pflicht machen. Und wenn sie dann anstimmen: „Komm, mein Freund”, dann werde ich aus dem Sarge herausspringen, – verstehst du?! (Zu dem Musiker:) Das schreib einmal auf! Na, nun vorwärts! (Die Zigeuner singen.)

      Afremow: Nun, was sagt ihr dazu? Jetzt: „Ihr meine braven Burschen”! (Die Zigeuner singen.)

      Afremow (steht auf und macht ein paar Fechterbewegungen). (Die Zigeuner applaudieren ihm lächelnd und fahren fort zu singen.)

      Afremow (setzt sich hin). (Das Lied ist zu Ende.)

      Die Zigeuner: Bravo, Michail Andrejewitsch! Sie sind ein echter Zigeuner!

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