Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern). Tolstoy Leo

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Der lebende Leichnam. Drama in sechs Akten (zwölf Bildern) - Tolstoy Leo

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der Abendstern”! (Die Zigeuner singen.)

      Fedja: Das ist mal ein Lied! Das ist mal ein Lied! Wundervoll! An das, was hier ausgesprochen wird, reicht keine Wirklichkeit heran! Ach, wie schön! Und warum kann der Mensch in ein solches Entzücken geraten, wenn es ihm doch nicht möglich ist, in diesem Zustande zu verharren?

      Der Musiker (macht sich Notizen): Ja, es ist sehr originell.

      Fedja: Nicht originell, sondern echt.

      Afremow: Na … nun erholt euch! (Er nimmt die Gitarre und setzt sich zu Katja.)

      Der Musiker: Im Grunde ist alles ganz einfach; nur der Rhythmus, der Rhythmus!

      Fedja (macht ihm eine geringschätzige Handbewegung, geht zu Mascha und setzt sich neben sie auf das Sofa): Ach Mascha, Mascha, wie du mein ganzes Inneres umkehrst!

      Mascha: Nun, und um was habe ich Sie gebeten?

      Fedja: Um was? Um Geld? (Er nimmt welches aus der Hosentasche.) Na, schön; da, nimm!

      Mascha (lacht, nimmt das Geld und steckt es in den Busen).

      Fedja (zu den Zigeunern): Da soll ein Mensch daraus klug werden! Mir schließt sie den Himmel auf, und sie selbst bittet um ein Trinkgeld. Du verstehst ja nicht das geringste von dem, was du selbst tust.

      Mascha: Wie sollte ich es nicht verstehen? Ich verstehe, daß ich, wenn ich jemanden liebe, mir für ihn mehr Mühe gebe und besser singe.

      Fedja: Und mich liebst du?

      Mascha: Gewiß tue ich das.

      Fedja: Das ist herrlich! (Er küßt sie.) (Die Zigeuner und Zigeunerinnen gehen hinaus. Es bleiben nur die Paare zurück.)

Zweiter AuftrittFedja mit Mascha, Afremow mit Katja, der Offizier mit Sascha. Der Musiker schreibt. Ein Zigeuner klimpert auf der Gitarre einen Walzer

      Fedja: Ich bin ja aber verheiratet. Und dir wird es der Chor nicht erlauben.

      Mascha: Der Chor ist eine gute Sache; aber das Herz bleibt doch immer das Herz. Wenn ich einen liebe, so liebe ich ihn, und wenn mir einer zuwider ist, dann ist er mir zuwider.

      Fedja: Ach mir ist so wohl! Ist dir auch wohl?

      Mascha: Natürlich ist mir wohl. Wenn wir nette Gäste hier haben, sind auch wir vergnügt.

Dritter AuftrittEin Zigeuner tritt ein

      Der Zigeuner (zu Fedja): Ein Herr fragt nach Ihnen.

      Fedja: Was für ein Herr?

      Der Zigeuner: Ich kenne ihn nicht. Er ist gut gekleidet. Trägt einen Zobelpelz.

      Fedja: Ein vornehmer Herr? Na, gut, ruf ihn her!

Vierter AuftrittDieselben ohne den Zigeuner

      Afremow: Wer mag dich denn hier aufsuchen?

      Fedja: Weiß der Teufel! Wer kann etwas von mir wollen?

Fünfter AuftrittDieselben. Karenin tritt ein und sieht sich ringsum

      Fedja: Ah, Viktor! Na, dich hätte ich hier nicht zu sehen erwartet! Leg ab! Welcher Wind hat dich hierher geweht? Na, setz dich! Hör mal das Lied „Nicht der Abendstern” mit an.

      Karenin: Je voudrais vous parler sans témoins.

      Fedja: Worüber?

      Karenin: Je viens des chez vous. Votre femme m'a chargé de cette lettre, et puis …

      Fedja (nimmt den Brief hin, liest ihn und macht ein finsteres Gesicht; dann lächelt er wieder freundlich): Hör mal, Karenin, du weißt gewiß, was in diesem Briefe steht?..

      Karenin: Ja; und ich möchte dir sagen …

      Fedja: Warte mal, warte mal! Bitte, glaube nicht, daß ich betrunken bin und meine Worte unzurechnungsfähig sind, ich will sagen, daß ich nicht zurechnungsfähig bin. Ich bin betrunken; aber in dieser Sache sehe ich ganz klar. Nun also, was ist dir aufgetragen zu sagen?

      Karenin: Es ist mir aufgetragen, dich aufzusuchen und dir zu sagen, daß … sie … dich erwartet. Sie bittet dich, alles zu vergessen und zurückzukehren.

      Fedja (hört schweigend zu und sieht ihm in die Augen): Ich verstehe aber nicht, warum gerade du …?

      Karenin: Jelisaweta Andrejewna ließ mich rufen und bat mich …

      Fedja: So …

      Karenin: Aber ich bitte dich nicht sowohl im Namen deiner Frau als in meinem eigenen Namen: komm mit nach Hause!

      Fedja: Du bist besser als ich. Was rede ich da für Unsinn! Besser als ich zu sein, das ist nicht schwer. Ich bin ein Taugenichts; aber du bist ein guter, ein sehr guter Mensch. Und gerade deswegen werde ich meinen Entschluß nicht ändern. Und nicht allein deswegen. Ich kann es einfach nicht und will es nicht … Na, sag selbst: wie könnte ich so hinfahren?

      Karenin: Komm jetzt mit mir in meine Wohnung. Ich werde ihr sagen, daß du zurückkehren wirst, und morgen …

      Fedja: Und morgen was? Ich werde immer ich bleiben, und sie immer sie. (Er tritt an den Tisch und trinkt.) Das Beste ist, den Zahn mit einem Male auszuziehen. Ich habe ihr ja gesagt, wenn ich wieder mein Wort nicht hielte, dann solle sie sich von mir lossagen. Ich habe mein Wort nicht gehalten, und nun ist alles zu Ende.

      Karenin: Für dich, aber nicht für sie.

      Fedja: Es ist erstaunlich, wieviel Mühe du dir gibst, daß unsere Ehe nicht zerstört werde.

      Karenin (will etwas erwidern. Mascha tritt hinzu).

      Fedja (läßt ihn nicht zu Worte kommen): Hör mal zu, wie sie das „Flachslied” singt. Mascha! (Die Zigeuner sammeln sich.)

      Mascha (flüsternd): Wie redet man ihn an?

      Fedja (lacht): Sage zu ihm: Herr Viktor Michailowitsch. (Die Zigeuner singen.)

      Karenin (hört zerstreut zu; dann erkundigt er sich, wieviel er geben soll).

      Fedja: Na, gib fünfundzwanzig Rubel!

      Karenin (gibt das Geld).

      Fedja: Das war wundervoll. Jetzt das „Flachslied”. (Die Zigeuner singen.)

      Fedja (blickt sich um): Karenin hat sich davongemacht. Na, hol ihn der Teufel! (Die Zigeuner zerstreuen sich.)

Sechster AuftrittFedja und Mascha

      Fedja (setzt sich mit Mascha hin): Weißt du, wer das ist?

      Mascha: Ich habe seinen Namen gehört.

      Fedja: Das ist ein vortrefflicher Mensch. Er ist hergekommen, um mich nach Hause zu holen, zu meiner Frau. Sie liebt mich Dummkopf, und ich führe mich hier so auf.

      Mascha: Nun, das ist nicht hübsch von Ihnen. Sie müssen zu ihr zurückkehren, mit ihr Mitleid haben.

      Fedja: Meinst du, daß ich das muß? Aber ich meine, nein.

      Mascha: Freilich, wenn Sie sie nicht lieben, dann kehren Sie nicht zurück! Nur die Liebe hat Wert.

      Fedja: Aber du,

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