Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

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Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

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jetzt sollte alles anders werden, jetzt sollte er den Kampf um das Dasein selbst aufnehmen und zusehen, daß er ein standesgemäßes Leben mit dem Gehalt, das er verdiente, führte. Und seine Mutter –!

      Die ganze eigene Enttäuschung, die er soeben erlebt, schrumpfte mit einem Mal in ein Nichts zusammen in dem Gedanken an seine Mutter, denn wie würde sie's tragen? Für sie war's ja hundertmal schwerer, sich eine eigene Existenz zu gründen, als für ihn, der Jugend, Kraft und Fähigkeit hatte, dem Dasein goldene Früchte abzuringen. Freilich, sie hatte ja ihren zweiten Gatten! Falkner lächelte bitter vor sich hin, als ihm der Mann einfiel, der seine Mutter so beherrschte, daß er selbst ihren mütterlichen Gefühlen Zügel anlegte und sie nach seinem Gutbefinden regelte. Jetzt konnte er's beweisen, ob seine Liebe groß genug war, um für sie und sich zu arbeiten!

      Doch die Zeit verrann, und der Kranke drinnen bedurfte einer Stärkung. Falkner atmete tief auf, als wolle er neues Leben mit diesem Atemzuge einsaugen, und verließ die Bibliothek. Draußen im Korridor kam ihm Mamsell Köhler entgegen, die Beschließerin, die in ihrem ewigen grauen Kleide von Mix-Lüster, der schwarzseidenen Schürze und dem schwarzen Spitzentüchelchen über den eisgrauen Löckchen, die ihr altes, verschrumpftes Gesicht einrahmten, jahraus, jahrein als ein unermüdlich thätiges Hausgeistchen durch die Korridore, Gemächer und Treppen des Falkenhofes huschte. Seit er selbst das Herrenhaus zuerst betreten, kannte Alfred Falkner die kleine Mamsell Köhler, und sie war sich immer gleich geblieben, nur daß ihre Löckchen mit der Zeit gebleicht waren. Sie trug ihre Kleider immer noch nach dem Schnitt, der in ihrer Jugend maßgebend gewesen, stets war sie in peinlichster Ordnung zu sehen, und ihr Leinenkragen, ihre Manschetten und die Strümpfe, die unter den Kreuzbändern ihrer Halbschuhe hervorleuchteten, waren stets von blendender Weiße.

      Falkner hielt sie an, als sie schnell an ihm vorüberknicksen wollte, und bat sie, dem Onkel die gewünschte Stärkung zu bringen.

      »Ei du mein Gott ja,« rief sie eifrig, »ein Gläschen Sherry oder Madeira werden dem gnädigen Herrn Baron gut thun. Ach,« setzte sie traurig hinzu, »er macht keine Scherze mehr mit mir, wenn ich hinein zu ihm gehe, und was schlimmer ist, er verhöhnt mich nicht mehr – da wird es wohl Matthäi am letzten sein mit ihm!«

      Sie huschte die Treppe herab, und Falkner stand wieder an den säulengetragenen Bogen und sah in den Hof hinab – vielleicht zum letztenmal in diesem Leben, wie er dachte. Und dann schritt er langsam, sehr langsam nach dem düsteren Zimmer, das seine Mutter bewohnte, und in dem die Möbel so gerade und steif standen und kein Zierat Kaminsims und Tischchen schmückte.

      In der tiefen mittleren Fensternische auf dem hohen Tritt saß Frau Doktor Ruß und strickte; ihr Gatte saß an dem feuerlosen Kamin, ein Buch in der Hand. Sein Blick glitt schnell und forschend über den eintretenden Stiefsohn, als suche er dessen Gedanken zu entziffern.

      »Nun, wie fandest du den armen Onkel?« fragte er mit liebevollem Tone.

      »Sehr verändert,« entgegnete Falkner kurz.

      »Ja, es geht zu Ende mit ihm,« bemerkte Frau Ruß kühl, indem sie eine neue Nadel abzustricken begann.

      Es giebt weibliche Wesen, welche immer stricken, in jeder Stimmung, nur mit dem Unterschied, daß sie es in erregter Stimmung schneller thun als sonst; Wesen, welche jede Stimmung hinweg stricken und in langen Strümpfen verarbeiten, die in Freud und Leid, in Sommerhitze und Winterkühle mit den Nadeln klappern und, wo andere Vergessen suchen, Trost oder Mitteilung, die gefallenen Maschen auflesen und Patentfersen stricken – sie gemahnen an jene grauenvollen Strickerinnen, welche zur Schreckenszeit in Frankreich um die arbeitende Guillotine saßen und zu den fallenden Köpfen gleichmütig für ihren Lebensunterhalt Strümpfe förderten.

      Alfred Falkner ließ sich müde in einen der hochlehnigen Sessel am Sofatisch gleiten – noch wußte er nicht, wie er's einleiten sollte, seine Mutter in Kenntnis von dem zu setzen, was er eben droben beim Oheim erfahren.

      »Du warst lange bei ihm,« bemerkte Doktor Ruß, »fandest du ihn bei vollem Bewußtsein?«

      »Er war vollkommen klar,« entgegnete Falkner, »und setzte mir die Bestimmungen über die Erbfolge im Lehen auseinander –«

      »Ah!« machte Doktor Ruß und legte sein Buch beiseite. Die Sache begann ihn zu interessieren.

      »Nun, was ist da lange auseinanderzusetzen?« fragte Frau Ruß gleichgültig. »Du bist der Erbe, damit basta!«

      »Nein, liebe Mutter, der bin ich nicht,« erwiderte Falkner, entschlossen, die Sache zur Sprache zu bringen.

      Frau Ruß sah ihren Sohn einen Moment an, aber sie hörte nicht auf zu stricken.

      »Ich finde solche Scherze unpassend,« sagte sie ruhig, aber scharf.

      »Nun, der Onkel könnte sich höchstens einen solchen erlaubt haben, daran erkenne ich ihn,« meinte Doktor Ruß, seinen Stiefsohn scharf beobachtend. »Vielleicht teilte er dir auch mit, wer größere Ansprüche auf den Falkenhof hätte, als du.«

      »Gewiß that er das,« entgegnete Falkner gereizt wie immer, wenn der Mann mit den stets vermittelnden Honigworten dort sprach. »Erben des Falkenhofes sind rechtskräftig Onkel Friedrich von Falkner und seine Descendenten!«

      »Ah –!« Frau Ruß hatte sich erhoben und das Strickzeug mitten in die Stube geschleudert – ihre kalten Augen blitzten, ihre Hände ballten sich – im Nu war aber ihr Gatte an ihrer Seite.

      »Ruhig, Adelheid, ruhig mein Weib,« mahnte er sanft, ihre Hände streichelnd. »Siehst du nicht, daß dein guter Schwager sich einen Scherz mit Alfred erlaubt hat? Denn so viel ich gehört, soll Baron Friedrich in Brasilien gestorben sein, und dann besaß er nur eine Tochter –«

      »Diese Tochter aber erbt den Falkenhof, und erst nach ihrem Tode fällt das Lehen, welches ein sogenanntes Kunkellehen ist, an mich oder meine Descendenz zurück,« erklärte Falkner ruhig.

      Einen Moment war es still, ganz still in dem Zimmer. Das vordem so erregte Antlitz der Frau Ruß war ruhig geworden, unheimlich ruhig und steinern, die Augen leblos, als seien sie blind. Ihres Gatten Züge waren aschfahl geworden – er mußte sich sichtlich beherrschen, ehe er in seinen gewöhnlichen, leisen und milden Ton zurückfallen konnte.

      »Ei, das sind überraschende Nachrichten,« sagte er langsam. »Nun, wir werden ja sehen, ob sie auch rechtskräftig sind. Ein Kunkellehen also! Und warum hat man das nie erfahren? Adelheid, geliebtes Weib, fasse dich! Ich stehe mutig dir zur Seite, dein und Alfreds gutes Recht zu wahren und zu verteidigen, falls es dessen bedarf –«

      »Das heißt, falls ich dessen bedarf,« rief Falkner, sich hoch aufrichtend. »Aber ich zweifle, daß ich deines Beistandes je bedürfen werde!«

      »Ah, schön – die stolze Falkennatur regt sich in deinem Sproß, Adelheid,« erwiderte Doktor Ruß gemäßigt. »Und darf man fragen,« setzte er hohnvoll hinzu, »darf man fragen, was mit uns geschehen soll, wenn der brasilianische Onkel mit seinem Neger- und Papageiengefolge wieder hier einzieht?«

      »Wir würden in diesem Fall das Haus, auf das wir kein Anrecht haben, verlassen, nicht wahr, liebe Mutter?«

      »Als Bettler!« sagte sie mit unbeschreiblichem Ausdruck in dem halb gezischten, halb geflüsterten Tone.

      »Vis-à-vis de rien,« ergänzte Doktor Ruß.

      »Ich für meinen Teil habe meinen Beruf,« erwiderte Falkner. »Ich kann mich ins Ministerium versetzen lassen und werde jedenfalls dafür sorgen, daß du, liebe Mutter, deinem Stande gemäß leben kannst!«

      »Himmel,

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