Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia страница 7

Die Falkner vom Falkenhof. Erster Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

Скачать книгу

sprang vom Bock und öffnete seiner Dame die Wagenthür. Die Sängerin, wie gewöhnlich in Schwarz gekleidet, verließ das Coupé und betrat das Vorzimmer des Ateliers, das sich Keppler hier, inmitten des grünen Stadtparks, selbst erbaut hatte, und zu dem die reisende Welt, vulgo Ateliermarder, strömte, um sogar die Frühstücksreste des Meisters zu bewundern und vor dem halbvollendeten Bilde eines Schülers in Entzückungsrhapsodien auszubrechen, in der Meinung, vor einer Schöpfung des Genialen zu stehen.

      Donna Dolores durchschritt die wohldurchwärmte, komfortabel und künstlerisch ausgestattete Vorhalle und öffnete die Thür, ohne anzuklopfen. In dem mit Oberlicht versehenen Raume stand Keppler, Pinsel und Palette in der Hand. – Aber das gewaltige Historienbild, an welchem er bisher arbeitete, hatte er zurückschieben lassen – eine andere Staffelei war herbeigerollt und darauf stand im prächtigen goldenen Renaissancerahmen das halbvollendete, lebensgroße Porträt der Satanella.

      Der Meister war so versenkt in den Anblick des Bildes, in das Studium desselben, daß er's nicht einmal hörte, wie das Original hinter ihm erschien, und so bot Dolores ihm auch keinen guten Tag, sondern huschte lautlos durch die purpursamtne Portiere in das Nebenzimmer, dem buen retiro des Meisters, wo in einem Korbe verpackt das Satanellenkostüm lag.

      Lautlos und schnell warf sie ihr schwarzes Kleid von sich und das andere über, dann löste sie die Haare und trat mit einem Male neben das Bild. Keppler erschrak beinahe, dann irrte sein Auge von der Leinwand auf die Sängerin, er verglich die Wirklichkeit mit der Kunst. Fast ängstlich prüfte er die Wirkung des farbensatten Bildes – dies feuerfarbene Kleid von starrer Seide im Schnitt der Renaissance, gerafft über einem Rocke von Goldbrokat. Und über die rauschenden, roten Falten wogte das goldrote Haar in üppigen Massen in jenen wunderbaren Reflexen, wie sie eben nur dieses Haar hat. Das zweizackige Brillantdiadem raffte die schweren Wellen zurück nach dem Nacken und funkelte über der weißen Stirn mit diabolischem Leuchten, denn die zwei rückwärts gebogenen Zacken flammten wie kleine Hörner, das Wahrzeichen Satanellas.

      Mit einem Seufzer der Enttäuschung warf Keppler die Palette zur Seite. »Ich bin ein Stümper,« sagte er traurig, »denn ich stehe ratlos vor der Natur. Mir fehlen die Farbentöne, die rechten Tinten für Ihr farbensattes Bild, Madonna Diavolina!«

      »Zinnober, Meister, viel Zinnober, Karmin und Ocker,« scherzte die Sängerin.

      »Und Sie damit rot anzutünchen wie den Hans Styx im Orpheus von Offenbach! Ja, wenn ich allein vor dem Bilde stehe, dann sieht mein Auge diese Übergänge vor sich, dann weiß ich's, wie Ihr weißer Nacken, Ihr Antlitz sich hervorheben muß aus dieser Flut von Rot und Gold – stehen Sie selbst aber neben dem Bilde, da möcht' ich schier verzweifeln, dann verwirren sich meine Begriffe – ich werde farbenblind!«

      »Das macht, weil Sie mit dem Kopfe begonnen haben –!«

      »Nein, das machen Ihre Augen,« rief er heftig. »Ich war ein Thor, Ihre Stellung so anzuordnen, daß Sie mich ansehen müssen – mit diesem Ausdruck ansehen müssen!«

      Sie lächelte gezwungen.

      »Ich werde an eine weidende Gänseherde denken,« sagte sie, »vielleicht daß dieses Bild den Ausdruck meiner Augen verändert.«

      »Sie spotten und haben recht,« entgegnete Keppler finster, indem er die Palette wieder aufnahm. »Die Satanella muß diesen Ausdruck im Auge haben – wie wäre sonst die Rolle denkbar, die sie im Leben spielt?«

      Er beugte sich nach seinem Farbenkasten, und Donna Dolores stieg auf das Empor, um ihre Stellung einzunehmen: ein halbes Abwenden der Figur, das die volle Pracht des goldigen Haarmantels zeigte, aber das Haupt zurückgeworfen mit dem Lächeln der Siegerin auf den Lippen.

      »Ich bin bereit, Apelles,« sagte sie.

      Keppler warf einen flüchtigen Blick auf sie und begann dann zu arbeiten, stumm, die Lippen aufeinander gepreßt. Endlich richtete er den Blick auf sie.

      »Ein schlechter Maler, der sein Modell langweilt!« sagte er.

      »Sie sind verstimmt,« erwiderte Dolores, »ich kenne das. Es giebt schwarze, trübe Momente in unserem Künstlerleben, wo uns das eigene Schaffen nicht genügt, wo wir uns gestehen müssen, daß wir noch nicht dem Ideal nahe sind, das in unserer Brust lebt.«

      Keppler erwiderte nichts. Er mischte seine Farben und setzte dem Bilde einen neuen Ton auf. Prüfend trat er einen Schritt zurück und stieß dann einen leisen Schrei aus.

      »Ich hab's –!« rief er erfreut. »Ich habe den rechten Ton gefunden, der das Goldhaar mit dem roten Kleide harmonisch verbindet, habe ihn gefunden, ohne daß ich ihn gerade jetzt gesucht –«

      »Auch in die dunkelste Stunde dringt der siegende Lichtstrahl der Kunst,« sagte Donna Dolores nicht ohne Vorwurf in der Stimme, »sie verläßt ihre Jünger nicht, und wenn sie verzweifeln wollen, so sendet sie ihnen das Gelingen.«

      »Und hier habe ich auch den goldig-roten Reflex des Haares,« sagte Keppler froh. Dann trat er vor die Sängerin hin.

      »Sie haben ein gutes Wort gesprochen, madonna mia, das Wort von der Kunst, der treuen Kunst. Ich hatte nicht gedacht, daß Satanella sie so tief erfaßt!«

      Es flog ein spöttisches Lächeln um ihren feinen Mund.

      »Auch du, Brutus?« sagte sie. »Meister, Sie sind ein feiner Menschenkenner, Sie senken Ihr klares, unbeirrtes Auge so tief in des Menschen Seele, und dennoch halten Sie mich für eine jener Künstlerinnen, denen die Kunst nur eine Goldquelle, nur ein Mittel ist zum Zweck?«

      »Sie sind für mich ein Diamant, der in hundert verschiedenen Facetten strahlt, Donna Dolores, jeden Tag in einer anderen! Sie sind mir ein Rätsel, das ich noch nicht erraten habe, das verschleierte Bild von Saïs, das ich so gern entschleiern möchte, und mich doch davor scheue, weil ich die entsetzliche Wahrheit fürchte, die es vielleicht bergen könnte!«

      »Den Pferdefuß,« schloß sie spöttisch.

      »Ja, wenn Sie diesen Ton anschlagen, dann könnte man daran glauben,« erwiderte Keppler, weiter malend, »das ist der rechte Satanellenton. Und mir ist's lieber, Sie schlagen den an, denn gegen ihn finde ich immer noch eine Waffe, die des Zweifels an Ihnen.«

      »Daran thun Sie recht,« erwiderte sie kaltblütig.

      Er sah voll zu ihr empor.

      »Sie nennen mich einen guten Menschenkenner – Sie haben unrecht, Madonna. Denn so oft ich meinte, das Rechte in Ihnen gefunden zu haben, so oft fühle ich mich betrogen. Ich weiß nicht, ob Sie sehr edel sind oder sehr böse!«

      »Sehr böse,« sagte sie lächelnd und sah zu ihm herab, eine Welt voll Mutwillen in den leuchtenden Augen.

      Keppler warf die Palette aufs neue hin und trat mit gekreuzten Armen vor Dolores. In seinem charakteristischen, scharfgeschnittenen, bartlosen Antlitz arbeitete eine mächtige Bewegung, sein sonst so klares Auge blickte düster.

      »Pausieren Sie,« sagte er, »ruhen Sie aus – inzwischen will ich Ihnen ein tolles Märchen erzählen.«

      »Ein Märchen?« Sie sah ihn befremdet an.

      »Ja, ein Märchen. Oder meinen Sie, es geschähen keine Dinge mehr auf Erden, die von anderen Leuten Märchen genannt werden? Nur giebt es Märchen für kleine und große Kinder.«

      »Wohlan, ich höre!«

      Donna Dolores trat von dem Empor herab und setzte sich in einen der altertümlichen Sessel, wie sie in allen Arten in dem Atelier standen.

Скачать книгу