Das Wirken der Seele: Ideen zu einer organischen Psychologie. Eisler Rudolf

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Das Wirken der Seele: Ideen zu einer organischen Psychologie - Eisler Rudolf

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Physische kann zwar kein Schein, wohl aber „objektive Erscheinung“ sein, denn es ist durch das erkennende Subjekt, durch ein Psychisches also, qualitativ bedingt. Aber das Psychische (Geistige) als solches, das Bewußtsein im weitesten Sinne, kann nicht bloße Erscheinung sein. Denn damit etwas „erscheint“, ist schon ein psychisches Erleben (Erkennen) notwendig, durch das, und ein Subjekt, für welches es erscheint. Ein Physisches, das nicht schon zugleich psychisch ist, kann sich also gar nicht „erscheinen“, nicht irgendwie „erfassen“. Kann es sich aber erleben, erkennen, dann ist es eben nicht mehr rein physisch und hat eigenartige Erlebnisse, eben das Psychische: Empfindung, Vorstellung usw., das unmittelbar und sicher da ist. An der Existenz psychischer Erlebnisse in uns können wir nicht im geringsten zweifeln; daß wir fühlen wollen, denken usw., muß auch für den größten Skeptiker, der das Dasein der Körper in Frage stellt, evident sein. Es gibt kein unmittelbareres und gewisseres Sein als das Bewußtsein; es ist nicht bloße Erscheinung, sondern die Urbedingung aller Erscheinungsmöglichkeit; es setzt sich selbst logisch voraus, ist völlig unableitbar4.

      Mit der Wendung: „eigentlich“ ist das Psychische nur eine Nervenschwingung, ist es also nichts. So wie der Dualist geht auch der Materialist hinter die Erfahrung zurück, indem er das unmittelbare Erlebnis, das wir als unbefangene Beurteiler selbst das Psychische nennen, transzendiert. Das gleiche tut natürlich der Vertreter der „Philosophie des Unbewußten“, wenn er das psychische Wirken in das absolut Unbewußte verlegt. Ein Unbewußtes absoluter Art, das zugleich psychisch sein soll, ist ein Unding, ein „unbewußter Geist“, ist eine contradictio in adjecto, denn „Bewußtsein“ und „psychisch“ sind ja zwei Bezeichnungen für ein Geschehen, von dem man gar nichts wissen könnte, wäre es nicht im Erleben gegeben. In der Tat sind die „unbewußte Vorstellung“ und der „unbewußte Wille“ nur Entlehnungen aus dem Bewußtsein, das „Unbewußte“ hat in diesem sein Vorbild, ist nur eine metaphysische Kopie und Verdoppelung desselben.

      Zwischen Materialismus und Dualismus schwankt jene Lehre, nach welcher das Psychische, das Bewußtsein nur ein „Epiphänomen“ des Physiologischen ist5. Das Seelische ist hiernach nicht selbst physisch, es ist auch nicht eine Wirkung des Physischen, sondern eine Art Schatten, welcher das physiologische Geschehen im Zentralnervensystem begleitet, in steter „Abhängigkeit“ von diesem, aber ohne eigene Wirksamkeit. Im Menschen, der einen lebenden Automaten darstellt, vollzöge sich alles ganz genau so, wie es sich vollzieht, auch wenn es kein Bewußtsein gäbe. Dieses kommt nur auf einer bestimmten Stufe der organischen Entwicklung zum Physiologischen hinzu (als ein „surajoutée“), man weiß nicht wie und woher und wozu. Denn einen Einfluß auf das organische Getriebe soll es ja nicht haben, und aus dem Physischen soll es ja nicht entstehen, da es diesem nur parallel geht. Es schwebt durchaus in der Luft und erscheint als biologisch nutzlos und schon vom Standpunkte des Darwinismus wegen dieser Zwecklosigkeit als genetisch unbegreiflich6. Daß man sich gegen eine solche Form des „psycho-physischen Parallelismus“ energisch gewandt hat, ist durchaus in der Ordnung. Ebensowenig wie das Prinzip der Stetigkeit und die Kausalität es zuläßt, daß aus Bewegungen durch bloße Komplikation etwas ganz Neues, das Bewußtsein, entsteht, ebensowenig kann dieses plötzlich, bei den Organismen, aus dem Nichts zum Physischen hinzukommen. Es müßte denn das Erzeugnis eines Schöpfers sein, eine Annahme, die kaum als eine wissenschaftliche gelten kann, ganz einerlei, ob man für sich nun an einen Gott glaubt oder nicht.

      Ein neben dem physischen einhergehendes, ohne innere Verbindung mit demselben ablaufendes psychisches Geschehen, das gleichwohl in steter Korrelation zu ihm steht, obzwar es selbst „inkausal“ ist und auch vom Physischen keine Wirkungen empfängt, ist nicht das, was die Psychologie und die Biologie von dem Begriffe des Seelischen mit Recht fordern können. Dieser Begriff muß den Tatsachen der Erfahrung möglichst gerecht werden und sie möglichst umfassend erklären können. Und er muß deshalb auch in rationeller Beziehung zum Begriff des Physischen, bzw. Physiologischen stehen.

      Ist nun das Psychische nicht der Zustand oder die Tätigkeit eines transzendenten Seelenwesens, auch nicht die bloße Funktion oder Erscheinung des Physischen, des Nervensystems, ist es weder selbst ein physischer Prozeß, noch ein neben diesem einhergehender Vorgang, was ist es denn, was kann es denn noch sein?

      Jedenfalls ist das Psychische, da es nicht das Erzeugnis eines rein Materiellen sein kann, ein Prinzip des Seins, ein „Urgeschehen“. Es ist mindestens ebenso primär, ursprünglich wie das Physische. Wie Subjekt und Objekt Korrelate sind, die getrennt nicht bestehen, sondern zu einer und derselben Erfahrung als deren beide Seiten, Glieder, Beziehungspunkte gehören, ohne daß das eine ein Produkt des andern ist, so erweisen sich auch Psychisches und Physisches als untrennbare, nur in der Abstraktion unterscheidbare und voneinander abzulösende „Seiten“ der Gesamterfahrung. Diese ist die ursprüngliche Einheit, die „Identität“ des Psychischen und Physischen. Die Verschiedenheit beider „Seiten“ bedingt einen, vom metaphysischen durchaus zu sondernden empirischen (phänomenalen) Dualismus auf Grundlage eines ebenso empirischen Monismus. In der Abstraktion und zwecks begrifflicher Verarbeitung des Erfahrungsinhalts müssen wir von zwei „Seiten“ des Geschehens sprechen. Die eine ist das Physische, die andere das Psychische. Sehen wir nämlich davon ab, daß die Inhalte der Sinneswahrnehmung und des diese verarbeitenden Denkens in konkreter Wirklichkeit zu einem Subjekt, einem „Bewußtsein überhaupt“, einem Erleben gehören, behandeln wir diese Inhalte, die Objekte der Erfahrung, als von aller Individualität (Subjektivität) unabhängige, selbständige, gesetzlich miteinander verknüpfte, in raum-zeitlich-kausalen Relationen zueinander stehende Dinge und Eigenschaften, die wir in mathematischen Formeln quantitativ festlegen, dann ergibt sich jene Auffassungsweise, die wir „äußere“ Erfahrung und „mittelbare“ Erkenntnis nennen, deren Gegenstand das Physische, Körperliche, Materielle ist. Dieses besteht also, ungeachtet des „Idealismus“, den die Erkenntniskritik für die Objekte der Erfahrung als solche statuiert, nicht aus psychischen Erlebnissen, sondern wird von diesen methodisch unterschieden. Das Psychische hingegen ergibt sich aus einer anderen „Auffassungsweise“ der Erfahrung, nämlich sofern diese in voller Unmittelbarkeit und Konkretheit, ohne jede Abstraktion und Hypostasierung, ohne „Objektivierung“ hingenommen und gedacht wird. Das Erfahren, Erleben selbst in allen seinen Momenten und Elementen (Empfindung, Vorstellung, Wollen, Denken usw.), als unmittelbarer subjektiver Prozeß, als Bewußtsein, für ein Ich-Gegeben-Sein, als unmittelbarste Aktion und Reaktion eines Subjekts ist das Psychische. Ein und derselbe Tatbestand also, ein Erlebnisganzes bildet den Ausgangspunkt für zwei verschiedene Betrachtungsweisen, für den „empirischen Dualismus“, der, philosophisch gedeutet, zu irgendeiner Art des Monismus, wenn auch nicht zum Materialismus führt, wofern man sich nur der Korrelation beider Seiten der Gesamterfahrung bewußt bleibt7.

      Gehen wir vom menschlichen Organismus als einem Teil unserer Erfahrung, oder, noch besser, geradezu von unserem eigenen Ich aus. Erfasse ich mich mittels der Sinne und denke ich mich als ein Objekt unter Objekten, abstrahiere ich von dem Umstand, daß das, was ich sinnlich an mir vorfinde, zu meinem Ich, Subjekt, Bewußtsein zugehört, denke ich es methodisch als System von Bewegungen oder Energien selbständiger, miteinander in Wechselwirkung stehender Elemente um, dann bin ich für mein eigenes wie für das fremde Erkennen ein Physisches, ein Körper (Leib) mit körperlichen Vorgängen, ein Raumding unter gleichartigen Dingen. Ich finde dann an mir nichts als ausgedehnte Masse, Bewegungen der Glieder, der Muskeln, Nervenschwingungen, kurz, physikalisch-chemische Prozesse, die miteinander in durchgängigem Zusammenhang stehen, ohne daß irgendwo die kausale Verkettung eine Lücke zeigt. Vom Standpunkt der „äußeren“ Erfahrung, welcher der der Naturwissenschaft ist, bin ich, wie jeder andere Organismus, nichts als bewegte Materie, ein Komplex physikalisch-chemischer Energien, kurz, ganz so, wie der Materialismus es lehrt. Aber dieser Materialismus ist völlig einseitig. Denn sobald ich den Standpunkt der äußeren mit dem der „inneren“ (unmittelbaren) Erfahrung vertausche, ändert sich das Bild. Jetzt bin ich nicht mehr bewegte Materie oder Energiekomplex, sondern ein lebendiges, empfindendes, fühlendes, wollendes, denkendes Subjekt, ein einheitlicher Zusammenhang von Erlebnissen, die als solche – mögen sie

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<p>4</p>

Vgl. Lachelier, Psychologie und Metaphysik; Busse, Geist und Körper, u. a.

<p>5</p>

So Huxley, Ribot u. a.

<p>6</p>

Vgl. die Kritik der Epiphänomen-Theorie bei Fouillée, Der Evolutionismus der Kraft-Ideen, Leipzig 1907; Busse, Geist und Körper.

<p>7</p>

Vgl. Wundt, Grundriß der Psychol. 5, S. 3ff.