Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil. Brockhaus Heinrich Eduard
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Hat nun bei den »hohen und höchsten Herrschaften« diese beredte Fürsprache irgend Etwas ausgewirkt? Nein, nicht das Mindeste. Aber die Darstellung selbst, die, wie sich erweisen läßt, nur für das Auge einiger Wenigen bestimmt war, hat mit einem male die größte Oeffentlichkeit erlangt. Wenige Flugschriften in jener bewegten Zeit sind so verschlungen worden. Der Eindruck war tief und nachhaltig. Ein richtiger Instinct sagte den Feldherren, daß der französischen Herrschaft, daß dem Vertrauen der Völker zu französischer Gerechtigkeit und zu französischem Schutz ein sehr schlechter Dienst geleistet sei, indem die Wahrheit an den Tag komme.
So fehlte es denn auch nicht an den Maßregeln, durch welche das böse Gewissen sich zu verrathen pflegt. Die Schrift von Villers ward in Paris confiscirt25: Baggesen, in einem ergötzlichen Brief, wünschte dem Verfasser Glück dazu. Die Aufregung unter den Franzosen war so groß, daß selbst die lübecker Censur sich endlich gemüßigt fand, die Buchhändleranzeige, welche die Schrift zum Verkauf anbot, zu streichen.
Bedenklicher war, daß Villers von sicherer Hand erfahren mußte, auch Bernadotte habe an der Schrift Anstoß genommen. Doch war das gute Vernehmen, wie man aus dem Schreiben eines Adjutanten des Prinzen ersieht, dadurch nicht auf die Dauer gestört. Keinenfalls ließ Villers sich irre machen. Er war sich keiner Uebertreibung bewußt, und erklärte dies öffentlich im Vorwort zu einer spätern Auflage.
Der von Wurm erwähnte Brief Baggesen's an Villers, aus Hamburg vom 27. Juni 1807 datirt, lautete:
Ich schicke Dir hier die ganze Saisirungsgeschichte aus Amsterdam und Paris, die, wie ich hoffe, Dich mehr freuen als befremden wird. In der That war es nicht leicht möglich, Dir und der Sache einen größern Dienst zu erweisen, als eben durch diesen erzdummen Streich der pariser Polizei geleistet worden ist. Eine Schrift, wovon schon mehrere tausend Exemplare im Umlauf sind, zu confisciren, hieß derselben außer dem Umlauf auch Einlauf — Interesse ins Unendliche — außer dem moralischen auch religiösen Einfluß und selbst (das Höchste, was in unsern Tagen ein Buch gewinnen kann) den Reiz der Sünde, vel quasi des Verbotenen, verschaffen. Wüßte ich nur mit Gewißheit, daß man auch meine Sachen auf diese Weise saisiren würde, den Augenblick gäbe ich die göttlichsten Dinger heraus — allein ich fürchte, man würde mich statt der Sachen saisiren. So wird dem großen Sieger mitgespielt! Wäre ich an seiner Stelle, ich setzte meine Polizei den Augenblick ab. Das Buch hätte sie, wenn sie ihr Geschäft recht verstanden, laufen lassen sollen und dagegen von einem lübecker Rathsherrn öffentlich bekannt machen lassen, daß der Verfasser nicht gewußt, was er geschrieben, daß sie (die Lübecker) betheuern können, es sei gerade das Gegentheil wahr u. s. w. Die Pariser, die nicht nach Lübeck laufen können, um Syndicus den oder den zu fragen: »Haben Sie das wirklich geschrieben?«, wären angeführt worden, wenigstens im Zweifel — jetzt wissen sie, was an der Sache ist.
Diese Schrift sollte aber für Villers doch noch verhängnißvoll werden. Vier Jahre nach ihrem Erscheinen, als er eben im Begriff stand, Lübeck zu verlassen, um einem Rufe an die Universität Göttingen Folge zu leisten, ließ ihn Marschall Davoust wegen derselben verhaften und seine Papiere durchsuchen. Da man nichts ihn Compromittirendes fand, ward er wieder freigelassen, aber aus den »von den französischen Waffen besetzten« Ländern verwiesen. Er verließ Lübeck am 8. März 1811, die Verfolgung ruhte auch in Göttingen nicht, und es ist unzweifelhaft, daß, wie Wurm sagt, die damit verknüpften Kränkungen sein Herz gebrochen haben; er starb, wie schon erwähnt, vier Jahre darauf (1815), kaum 50 Jahre alt.26
Brockhaus verlegte bald nach jenem Briefe noch ein anderes kleines Werk von Villers: eine französische Uebersetzung der 1808 bei Friedrich Perthes in Hamburg erschienenen Schrift »Der Kaufmann« von Johann Albert Heinrich Reimarus, dem eigentlich auf einem andern Gebiete, als Physiker, bekannten Sohne des Verfassers der »Wolfenbüttelschen Fragmente«, Hermann Samuel Reimarus. Die Uebersetzung führt den Titel »Le commerce« (1808) und ist mit einem Vorwort von Villers versehen.
Außerdem druckte Brockhaus 1807 in dem ersten Hefte seines »Conservateur« eine längere Abhandlung von Villers: »Sur la manière essentiellement différente, dont les poètes français et les allemands traitent l'amour«, und 1809 eine Schrift »Coup d'oeil sur l'état actuel de la littérature ancienne et de l'histoire en Allemagne«, die als ein Bericht an das Institut de France und in einer Nachschrift als eine Rechtfertigungsschrift seines »Coup d'oeil sur les universités allemandes« (Kassel 1808) bezeichnet ist.
Auch in späterer Zeit und bis zu Villers' Tode blieb Brockhaus mit demselben in geschäftlicher Verbindung. So verlegte er 1814 dessen letzte Schrift, in der die Wiederherstellung der drei Hansestädte warm befürwortet wird: »Constitutions des trois villes libres anséatiques, Lubeck, Brêmen et Hambourg. Avec un mémoire sur le rang que doivent occuper ces villes dans l'organisation commerciale de l'Europe.« Vorher noch hatte er auf Brockhaus' Wunsch und zugleich auf den der Frau von Staël eine Einführung zu ihrem berühmten Buche »De l'Allemagne«, datirt Göttingen, 20. Juli 1814, geschrieben, die mit einer neuen Ausgabe desselben 1815 bei Brockhaus erschien. Die erste 1810 in Paris in 10000 Exemplaren gedruckte Auflage dieses Buchs war dort vor der Ausgabe von der kaiserlichen Polizei confiscirt und vernichtet, die Verfasserin aber aus Frankreich verbannt worden. Sie ließ es darauf 1814 in London, 1815 in Genf und in Leipzig drucken und erst im folgenden Jahre konnte in Frankreich selbst wieder eine neue Auflage erscheinen.
Von größern Verlagsunternehmungen Brockhaus' aus dieser Zeit ist zunächst das »Historisch-militärische Handbuch für die Kriegsgeschichte der Jahre 1792 bis 1808« von dem ehemaligen niederländischen Oberstlieutenant A. G. Freiherrn von Groß (Amsterdam 1808) zu erwähnen. Dasselbe war von einem großen »Historisch-militärischen Atlas« in siebzehn in Kupfer gestochenen Tafeln begleitet, den Brockhaus in Weimar von Legationsrath Bertuch, Besitzer des Landes-Industrie-Comptoirs, herstellen ließ. Der Verfasser, 6. December 1756 geboren, diente zur Zeit der Revolutionskriege in der niederländischen Armee, vertheidigte unter anderm 1794 die Festung Grave gegen die Franzosen unter Pichegru, lebte dann zurückgezogen mit dem Titel eines herzoglich sachsen-weimarischen Kammerherrn in Weimar und starb daselbst am 18. November 1809. Er war als Militärschriftsteller geschätzt, namentlich wegen des genannten Werks und wegen eines frühern über die höhere Taktik (Gera 1804).
Im Jahre 1808 trat Brockhaus auch mit einem Manne in Verbindung, der ihn in die ersten, für ihn später so verhängnißvollen Conflicte mit der preußischen Regierung verwickelte. Es war der preußische Oberst
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Auch in Amsterdam, wie bereits erwähnt.
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Vgl. über ihn W. von Bippen: »Charles von Villers und seine deutschen Bestrebungen«, in den »Preußischen Jahrbüchern«, herausgegeben von H. von Treitschke und W. Wehrenpfennig (27. Band, 3. Heft, Berlin1871). Dieser interessante und werthvolle Essay macht den dankenswerthen Versuch, »die Erinnerung an einen Mann wieder zu erwecken, der, ein geborener Franzose, einst von vielen der Besten unsers Volks geachtet, von manchen geliebt, der Ehrenbürger einer deutschen Stadt, jetzt fast der Vergessenheit anheimgefallen ist«. Wir verfolgten mit obiger Darstellung (die vor dem Erscheinen jenes Aufsatzes geschrieben wurde) den gleichen Zweck, und so möge es uns gestattet sein, hier den Wunsch und die Hoffnung auszusprechen, daß der dazu gewiß vorzugsweise geeignete und berufene Verfasser jenes Aufsatzes auf Grund des auf der hamburger Stadtbibliothek befindlichen und dieser von Dorothea Rodde geschenkten literarischen Nachlasses ihres Freundes dem deutschen Volke ein Lebensbild von Charles von Villers liefern möge, das in der gegenwärtigen Zeit doppelt willkommen sein würde.