Der Aether gegen den Schmerz. Dieffenbach Johann Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Aether gegen den Schmerz - Dieffenbach Johann Friedrich страница 3
Es würde zu weit führen, die verschiedenen Theorien über die Aetherbildung ausführlicher anzugeben. Wir begnügen uns mit einigen kurzen Andeutungen. Da nämlich die Schwefelsäure durch den Proceß der Umwandlung des Alkohols in Aether nicht zersetzt wird, und da der Weingeist, wie bereits erwähnt, nur durch das Wasseratom in seiner Zusammensetzung vom Aether differirt, so lag die Vermuthung sehr nahe, als bedinge die concentrirte Schwefelsäure nur durch ihre starke Verwandschaft zum Wasser die Umänderung des Alkohols in Aether. Diese von Fourcroy und Vauquelin aufgestellte Theorie ist durch weitere Experimente und Forschungen über diesen Gegenstand sehr erschüttert worden, und gegenwärtig fast gänzlich verlassen. Die electro-chemische Theorie erklärt die Aetherbildung aus der electrischen Spannung, welche in dem in Rücksicht der chemischen Affinität indifferenten Alkohol durch die starke Säure hervorgerufen wird, und welche ihn zwingt, sich in eine Basis umzubilden. Auch die Lehre von der Contact-Wirkung hat die Deutung des Vorganges auf sich nehmen wollen.
Von den Eigenschaften des Aethers sind einige schon oben erwähnt worden, andere mögen hier noch folgen. Der Aether hat einen eigenthümlichen, höchst durchdringenden Geruch und Geschmack; sein specifisches Gewicht (Gay-Lussac) ist bei +20° = 0,713, das specif. Gewicht seines Gases = 2,586. Er kocht bei gewöhnlichem Luftdruck in einer Temperatur von 28° R. Bei -24,8° R. fängt er an in weissen, glänzenden Nadeln zu erstarren, und bei -36° R. bildet er eine weiße, feste, krystallisirte Masse. Er brennt mit einer hellen, weißgelben, Ruß absetzenden Flamme, ist mit Weingeist in allen Verhältnissen, mit Wasser, welches ⅟10 seines Gewichts Aether auflöst, nicht mischbar. Campher, Phosphor, Kautschuk, fette, aetherische Oele, Chlormetalle u. s. w. werden von demselben aufgelöst. – Einer Eigenthümlichkeit des Aethers, nämlich der leichten Brennbarkeit, muß hier nochmals gedacht werden. Wegen seiner Flüchtigkeit werden die Dünste schnell durch größere Räume verbreitet, und es läßt sich nicht bestimmen, in welche Entfernung ein brennendes Licht von einem offenen, mit Aether gefüllten Gefäße gesetzt werden mag. Schon mehrmals sind Unglücksfälle dadurch vorgekommen, daß man in der Nähe eines Lichtes Aether aus einem Gefässe in das andere goß. Kürzlich hat Runge auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht, und an die Möglichkeit gefährlicher Explosionen in Folge von Entzündung des mit der Luft gemengten Aethergases erinnert. Es bildet dieses Gemenge eine Art von Knallgas, und seine Wirkungen sind denen des in atmosphärischer Luft verbrennenden Waßerstoff- oder Sumpfgases ähnlich. Es könnte sich daher z. B., wenn keine Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, bei der Anwendung des Glüheisens oder der Moxen sehr leicht ereignen, dass sich die durch den Aether erzielte Betäubung über eine zu große Zahl von Individuen ausdehnte.
Wirkung des flüssigen Aethers
Die Wirkung des flüssigen Aethers auf unseren Organismus ist von der des Alkohols wenig verschieden, und besteht vornehmlich in einer flüchtigen Erregung, d. h. in einer Steigerung der Thätigkeiten der Organe, welche eine schnelle Rückkehr zum Gleichmaß gesunder Wechselwirkung gestattet. Die Reizung des Gefäßsystems ist geringer, als bei anderen flüchtigen Stoffen, dagegen werden die Centralorgane des Nervensystems entschiedener und auf eigenthümliche Weise in Anspruch genommen.
Die örtliche Wirkung des Aethers äußert sich auf der Haut dadurch, daß er dieselbe durch seine schnelle Verflüchtigung in bedeutendem Grade erkalten macht. Die Gefäße ziehen sich zusammen, die Haut wird blaß, blutleer. Je dünner nun aber die Oberhaut ist, um so leichter gelangt die Aetherflüßigkeit zu den Nervenausbreitungen unter derselben, und die Empfindung der Kälte weicht einem Gefühle von Hitze, Brennen, Schmerz. Die Gefäße erweitern sich, die Haut wird roth, blutreich. Auf den Schleimhäuten tritt die letztere Reihe von Erscheinungen fast momentan ein, da ihr sehr dünnes, feuchtes Oberhäutchen für Flüssigkeiten durchgängiger ist. Es entsteht, wenn wir eine geringe Menge Aether zu uns nehmen, zunächst eine heftige Reizung der Geruchs- und Geschmacksnerven, so wie der Schleimhaut des Schlundes, später ein Gefühl vermehrter Wärme im Magen, welches sich über den ganzen Unterleib verbreitet. Vom Magen aus gelangt der Aether mit großer Schnelligkeit in die Blutmaße und mit dieser zum Gehirn und Rückenmark, von denen aus er seine Wirkungen gegen die verschiedensten peripherischen Nervenprovinzen entfaltet. Wie er auf die Nervenmassen und Fasern des Gehirns und Rückenmarks einwirkt, welche Art von Stoffumsetzungen oder Stoffänderungen er in ihnen zu Stande bringt, wissen wir nicht. Ich gestehe, daß ich mich bei der von neueren Chemikern aufgestellten Theorie von der Zersetzung des Aethers und von der Verbrennung seiner Elemente im Blute, wie palpabel sie auch scheinen mag, nicht beruhigen kann, vielmehr scheinen die Wirkungen des Aethers vorzugsweise davon abzuhängen, daß ein Theil der aufgenommenen Masse unverändert zum Gehirn und Rückenmark geführt wird, und in diesen gewiße materielle Veränderungen hervorruft. Wie dem auch sein mag, mit der Aufnahme des Aethers in das Blut wird der Cyclus seiner allgemeinen Wirkungen eröffnet. Die Förderung der wurmförmigen Bewegung des Darmkanals, die vermehrte Absonderung der Magensaftdrüsen, die leichtere, vielleicht auch vermehrte Ausscheidung der Galle bilden gewissermaßen eine Zwischen- und Uebergangsstufe von den lokalen zu den allgemeinen Wirkungsphänomenen. Aber nicht allein die Absonderung der im Darmkanal befindlichen oder ihm anhängenden Drüsen, auch die der übrigen secernirenden Apparate wird gehoben, z. B. der Nieren, der Schweißdrüsen in der Haut, der Schleimbälge auf fast allen Schleimhäuten. Das höher gestimmte Gehirnleben, insoweit es die Quelle unseres Seelenlebens ist, spiegelt sich in den mannigfaltigsten Nüancen in Gedanke und Wort, Wille und Bewegung, Phantasie und Erfindung. – Wir merken noch an, daß der Aether (es ist hier immer von flüssigem Aether die Rede) nicht so leicht berauschen soll, als Alkohol. In größeren Dosen kann er leicht Erbrechen erregen, sehr große haben den Tod zur Folge. Würgen, Erbrechen, Schwindel, Lähmung der Sinnesnerven, der Muskeln, der Lungen, des Herzens bezeichnen die eingetretene Vergiftung.
Reiner Aether kommt in der Medizin wenig in Gebrauch. Außer in Verbindung mit zahlreichen anderen Mitteln wird er hauptsächlich als schmerzstillender Hoffmannsgeist, Hoffmannstropfen, Spiritus sulphurico-aethereus bei hypochondrischen, hysterischen Nervenleiden u. s. w. angewendet, um die an einzelnen Stellen krankhaft vermehrte oder veränderte Nerventhätigkeit herabzustimmen und umzuändern. Dieser Zweck mag dadurch erreicht werden, daß durch Erregung des Nervensystems im Großen und Ganzen eine Art von Ableitung für den leidenden Theil eintritt, aus dem schnellen, fast augenblicklichen Zustandekommen der Wirkung scheint jedoch hervorzugehen, daß die örtliche Action auf die Magen- und Darmnerven die Hauptsache sei.
Historischer Ueberblick
der Anwendung der Aetherdämpfe durch Einathmen
Es war dem Chemiker und Arzte Jackson, einem gelehrten Manne in Boston in den Nordamerikanischen Freistaaten, vorbehalten, in dem Schwefeläther das große Mittel gegen den Schmerz zu entdecken. Als Arzneimittel in anderer Beziehung längst gekannt, nahm Jackson zuerst bestimmter als Andere wahr, daß das Einathmen der Aetherdämpfe in kurzer Zeit einen Zustand von Bewußtlosigkeit und eine plötzliche Aufhebung jeder schmerzhaften Empfindung herbeiführe. Um diese interessante Erscheinung in Bezug auf schmerzhafte Operationen näher zu erforschen und in allen ihren Beziehungen genauer zu prüfen, stellte er vorläufig eine Reihe von Versuchen an, welche seinen Hoffnungen und Vermuthungen später die völlige Gewißheit gaben.
Er nahm ein zusammengelegtes, mit Aether getränktes Stück Leinewand, welches die Luft frei durchstrich, vor den Mund, und setzte das Einathmen so lange fort, bis er ohnmächtig wurde, und in einem eigenthümlichen schlaf- oder traumähnlichen Zustande in den Stuhl zurücksank. Dabei empfand er eine gewisse Frische und Heiterkeit, auf welche ein Wärmegefühl folgte. Endlich trat vollkommene Bewußtlosigkeit ein. Erst bei einem späteren Versuche