Der Aether gegen den Schmerz. Dieffenbach Johann Friedrich
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Die Träume der Aetherisirten, wie von Graefe bemerkt, sind äußerst verschiedener Art, gewöhnlich nur die traumhaften Vorstellungen aus dem zweiten Zeitraume, da im dritten ebenfalls hierfür der Rückerinnerung alle Stützpunkte genommen sind. »Mir selbst blieb,« sagt er, »wie den meisten Anderen aus diesem Stadium nur das Gefühl einer unendlich langen, durchlebten Zeit zurück. Vergebens haschte ich in Gedanken nach der vergangenen Traumwelt, die mir wie vielen Anderen gleichsam einen reicheren Quell des Lebens zu umfassen schien. Eben so wenig verräth sich die Natur der Träume durch den Gesichtsausdruck. So hörte ich Jemanden bei der Aetherisation furchtbar stöhnen und sogar in förmliche Weinkrämpfe verfallen; er erwachte mit dem Gefühl des größten Wohlbehagens. Einen Anderen sah ich mit dem entschiedenen Ausdruck eines himmlischen Verzückens unbeweglich verharren; beim Erwachen glaubte er sich in der Mitte eines Haufens Gassenbuben, die seiner spotteten etc.
Uebrigens gilt für diese Träume, was für alle Träume gilt, daß sie im Allgemeinen die wichtigsten Hebel des inneren Lebens wählen. Träume von Verstorbenen beziehen sich meistens auf dahingeschiedene Verwandte und Freunde, welche die Seele sehr beschäftigen, bei Schwärmern sind Visionen religiöser Personen etc. sehr häufig. Beim Erwachen aus dem Zeitraume vollkommener Bewußtlosigkeit findet der Uebergang zum Normalzustande durch den zweiten Zeitraum bei successiver Sinnesrückkehr Statt. Ist die Aetherwirkung thatsächlich bis in den dritten Zeitraum gediehen und hat darin einige Zeit bestanden, so tritt sehr häufig Erbrechen ein, wie ich es an mir selbst zweimal wahrnahm. Was den Puls anlangt, so ist ebenfalls die Erfahrung des Herrn Gerdy nicht allgemein gültig.
In den meisten Fällen findet während der ersten Stadien eine bedeutende Acceleration Statt, die freilich zum großen Theil auf die psychische Aufregung zu schieben ist, doch erreichte selbst bei den letzten Versuchen an mir selbst, wo ich sehr ruhig war, der Puls eine Frequenz von 170 bis beinahe 180 Schlägen. Mehrere Male mußte ich Versuche wegen großer Pulsfrequenz unterbrechen. Eine Erscheinung, die aber nie fehlte, war die veränderte Qualität. Der Puls wird stets weich, was auf die herabgesetzte Contractilität der Arterienhäute zu beziehen ist. In den meisten Fällen sah ich auch eine kleinere Blutwelle.
Das Athmen ist im Anfange auch bei zweckmäßigen Apparaten stets beschleunigt, was theils auf die geistige Aufregung, theils auf die durch veränderte Luftmischung herbeigeführte Beschwerde zu beziehen ist; es stellen sich aber nach und nach längere Intervalle zwischen den Athemzügen ein, so daß die Frequenz bald unter das Normale geht und bei vollendeter Betäubung oft auf 8-10 Schläge sinkt.
Die mit elektrischen Schlägen vielfach angestellten Versuche bewiesen mir, daß die Empfänglichkeit für dieselben mit dem gänzlichen Erlöschen des peripherischen Gefühls ebenfalls aufhört. Später wurden auch sehr starke Schläge von äußerst empfindlichen Individuen gar nicht mehr percipirt. Sie zuckten zusammen, fühlten aber gar Nichts.
Bei allen zu Krämpfen geneigten Individuen treten dieselben gewöhnlich bei der Aetherisation ein, weshalb die ersten Stadien des Aetherschlafes bei Epileptischen und auch vielen Hysterischen verwerflicher sind, als bei vollsaftigen, die nur das letzte, wirkliche Congestions-Stadium zu vermeiden haben. – An 2 Individuen sah ich während der Betäubung eine ausgeprägte Catalepsie, Arme und Beine verharrten in der ihnen gegebenen Lage.
Erschwerte Sprache, die mehrere Tage andauerte, sah ich in einem Versuche unmittelbar nach der Aetherisation.
Im dritten Stadium fand ich gewöhnlich eine relative Retardation und eine steigende Größe und Fülle des Pulses, Erscheinungen, die auf die sich entwickelnde Congestion des Blutes in den Centralorganen hindeuten. Das Verhalten der Pupille variirt auch nach den Zeiträumen, doch bin ich, wiewohl ich in den letzten 100 Versuchen genau darauf achtete, noch keineswegs im Stande, eine gültige Regel dafür aufzustellen. Im dritten Stadium sah ich aber in ⅓ Fällen eine entschiedene Dilatation.
Es ist bei der Beobachtung eines schon an sich so schwierigen Zustandes, als der Aetherschlaf ist, durch die genauere Analyse der graduellen Entwickelung wenigstens gehörige Klarheit zu wünschen. Denn Ausdrücke wie: »der Geruchsinn ist nicht gelähmt« etc. geben ihrer Unbestimmtheit wegen zu großen Irrthümern Anlaß. Eine solche Analyse nun ist freilich nicht das Produkt einiger Versuche, sondern kann erst durch tausendfältige Wiederholung zu erzielen sein. Das Streben nach einer solchen analytischen Untersuchung möchte aber wenigstens den heut zu Tage so vielfach angestellten Experimenten eine wissenschaftliche Methode und ein wohl begründetes Ziel verleihen.«
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