Der Aether gegen den Schmerz. Dieffenbach Johann Friedrich
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Wirkungen des Einathmens der Aetherdämpfe
Die Wirkung der eingeathmeten Dämpfe besteht in einer Reihe der wunderbarsten Erscheinungen, deren schon im Allgemeinen gedacht worden ist. Hier will ich dieselben noch näher angeben. Unmittelbar nach den ersten Athemzügen stellt sich bei Vielen und besonders dann, wenn der Kranke, welcher schon vorher aufgeregt war, mit Hast das Athmungsgeschäft beginnt, ein kurzer Husten ein, wodurch die Patienten veranlaßt werden, den Apparat vom Munde wegzureißen. Dieser Husten ist die Folge der directen Einwirkung der Aetherdämpfe auf die Luftorgane und wird sogleich dadurch beseitigt, daß man etwas atmosphärische Luft wieder einathmen läßt. Ist die Willenskraft aber stark genug, so hört der Husten beim fortgesetzten Einathmen der Dämpfe von selbst auf.
Die Wirkung der eingeathmeten Aetherdämpfe tritt nun bei den verschiedenen Individuen, je nach Jugend oder Alter, großer Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit entweder schon nach den ersten Athemzügen oder nach Verlauf einer geraumen Zeit, und am spätesten bei Trinkern ein. Schon nach ⅓ Minute sah ich sie bei einem Individuum erfolgen, während bei einem anderen, an geistige Getränke gewöhnten nach ¼ Stunde nicht die mindesten Veränderungen eintraten.
Die Erscheinungen, welche wir nun der Reihe nach beobachten, sind von sehr heterogener Art, und in den meisten Fällen die folgenden. Der Ausdruck der Müdigkeit und bald darauf der eines betäubungähnlichen Zustandes verbreitet sich über das Gesicht. Der Kranke athmet langsam und kaum merklich, der Mund entgleitet dem Apparat oder schließt sich gegen den Aether. Die Augenlider bedecken das Auge, welches nach oben rollt. Sämmtliche äußere Muskeln erschlaffen, der Kopf senkt sich auf die Seite, die Arme fallen herab, die Beine gleiten vorwärts, der Rücken wölbt sich, die Brust sinkt ein, die Bewegung der Gedärme fühlt sich durch die Bauchdecken langsamer. Das Athmen ist tief und ruhig, der Herzschlag oft kaum fühlbar, mitunter ist der Athem schnarchend. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Sinnesthätigkeiten, so bemerken wir, daß mit der Zunahme der Betäubung ein Sinn nach dem anderen verschwindet. Zuerst hört das Gefühl auf. Der Kranke nimmt nicht wahr, daß er gekniffen oder mit einer Nadel gestochen wird. Alle übrigen Sinne sind noch thätig. Dann erlischt der Geschmack, der Aetherisirte empfindet und unterscheidet die Geschmackseindrücke nicht mehr; dann das Gesicht, und darauf der Geruch, während das Gehör noch thätig ist. Endlich hört auch dieser Sinn, welcher oft bis dahin in größter Feinheit fortbestand, auf, und völlige Betäubung tritt ein. Dieser Zustand ist der gewöhnliche und allgemeine.
Mit dem Nachlassen der Aetherwirkung nach Verlauf mehrerer Minuten oder in einer unverhältnißmäßig langen Zeit, kehren die Sinne in umgekehrter Reihe einer nach dem anderen zurück. Zuerst fängt der Betäubte wieder an zu hören, dann zu riechen, dann zu sehen, dann zu schmecken und endlich auch zu fühlen, und zwar sind bei der Rückkehr der einzelnen Sinne die Folgen noch genauer, regelmäßiger, deutlicher und schärfer von einander getrennt.
Schon vor dem Beginn der Einathmung der Aetherdämpfe ist das Athmen schwer, in Folge der geistigen Aufregung. Beginnt die Inhalation, so ist dasselbe gewöhnlich in Folge der Anlegung des Apparats ganz unregelmäßig. Manche Kranke benehmen sich dabei sehr ungeschickt und ungelehrig, athmen bald zu schnell, bald zu tief ein und vermehren dadurch die schon durch den Aether bewirkte Reizung, so daß ein Hüsteln eintritt. Erst beim Beginn der Empfindungslosigkeit und noch mehr bei dem Schwinden der übrigen Sinne wird der Athem tief und langsam, bisweilen schnarchend.
Das Auge drückt schon vor dem Anfange der Einathmungen eine etwas besorgliche Aufregung aus, der Blick ist lebendiger, das Auge glänzend. Schon nach einigen Athemzügen bemerkt man eine stärkere Blutanfüllung der oberflächlichen Gefäße und bei jungen, vollblütigen Personen oft eine leichte Röthung. Die Pupillen verengern sich gewöhnlich etwas im Anfange der Einathmung, erweitern sich dann wohl auf einige Minuten, um sich von Neuem zusammen zu ziehen, mit dem Eintritt einer tiefen Betäubung sind sie oft sehr erweitert. Da die Kranken gewöhnlich die Augen schließen, so sind die Veränderungen an der Pupille ohne Aufheben des oberen Lides selten genau zu beobachten.
Der Puls erleidet eine merkliche Veränderung. Mit dem Beginn des Einathmens fängt er an schneller zu werden, so daß er wohl 20 bis 30 Schläge in der Minute mehr hat. Hat der Aether hieran auch wohl einigen Antheil, so wird diese Beschleunigung doch größtentheils durch das Anfangs beschwerliche Athmen herbeigeführt. Allmälig, bei eintretender Ruhe, verliert er an Schnelligkeit und sinkt auf die normale Zahl der Pulsschläge herab, und nur selten und bei großer Betäubung wird er noch langsamer als im natürlichen Zustande. Also vermehrte Frequenz des Pulses im Anfange der Einathmung und späteres Langsamwerden ist das Gewöhnliche.
In anderen Fällen beobachten wir Folgendes: der Puls nimmt wenig oder gar nicht an Frequenz zu, oder er ist bald schnell, bald langsam, bald klein, bald groß, und selbst mitunter aussetzend. Eben so wechselt er in Bezug auf Härte und Weiche, Vollsein und Leere ab. Doch sind dies Alles Verschiedenheiten, welche sich nur bei einzelnen Individuen zeigen, und als Ausdruck der Eigenthümlichkeit ihrer Constitution und der Reizbarkeit oder Unempfindlichkeit ihres Nerven- und Gefäßsystems zu betrachten sind.
Mit der Verflüchtigung des Rausches, der Wiederkehr der schlummernden Sinne und des vollen Bewußtseins, nimmt der Puls an Fülle und Frequenz wieder zu, so daß er noch um 5 bis 10 Schläge mehr hat als vor dem Einathmen der Aetherdämpfe.
Das Herz verhält sich meistens ruhig, und seine Schläge sind selten stärker als im natürlichen Zustande. Oft erbebt es nur leise und die einzelnen Schläge sind kaum von einander zu unterscheiden. Nur selten trat wirkliches Klopfen ein, und dies entweder beim Anfange der Inhalation oder bei der Wiederkehr des Bewußtseins, wo es sich dann plötzlich hob.
Um die Wirkungen der eingeathmeten Aetherdämpfe in Bezug auf die Anwendung in der Heilkunde genauer zu prüfen und zu würdigen, sind von Aerzten eine große Menge von Versuchen an gesunden Personen und auch an sich selber angestellt worden. Als die ersten sind die von der Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris, so wie die hier in Berlin von dem talentvollen jungen von Gräfe, dem Sohne des berühmten, seeligen v. Gräfe, angestellten zu erwähnen. Die an Aetherberauschten gemachten Beobachtungen, sowie die Selbstbeobachtungen fanden während der niederen Grade der Aethereinwirkung Statt.
Folgende Resultate ergaben die Versuche der Aerzte der deutschen Gesellschaft in Paris, welche an sich selbst experimentirten.
In Bezug auf die Frequenz des Pulses zeigte sich bei Allen eine deutliche Zunahme in den ersten 3 Minuten, hierauf ein Nachlassen der Frequenz, die jedoch immer noch stärker als im normalen Zustande war. Gegen das Ende des Versuches, gegen die 6te oder 8te Minute hin, begann eine merkliche Reaction des Herzens, dessen Contractionen an Intensität verloren hatten, indem es wieder stärker und schneller schlug. Dieselben Erscheinungen zeigten sich selbst bei weiter fortgesetzten Versuchen. Durchschnittlich ergab sich die mittlere Zahl der Pulsschläge auf 106.
Das Athmen war meist beschleunigter als im normalen Zustand, wobei jedoch zu bemerken ist, daß selbst vor dem Versuche der Puls und die Respiration meist schon schneller waren, als im normalen Zustande, was durch die geistige Spannung und Aufregung derer, die sich dem Experiment unterwarfen, wohl zu erklären ist. Die Respiration verhielt sich in Bezug auf Frequenz und Ausdehnung vollkommen wie der Puls.
Die Wirkung der Einathmung auf das Nerven-System war in den allermeisten