Der Aether gegen den Schmerz. Dieffenbach Johann Friedrich

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Der Aether gegen den Schmerz - Dieffenbach Johann Friedrich

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durch Abbrennen von Feuerschwamm und Betröpfeln mit heißem Siegellack überzeugte. Hierbei ist zu bemerken, daß oft erst nach längerem Einathmen diese Unempfindlichkeit gegen den Schmerz sich zeigte, während kürzere Zeit dauernde Versuche bei denselben Individuen ohne Resultat waren.

      Die Dauer und Intensität der Wirkung hing zum größten Theil von der Dauer und Genauigkeit der Einathmung ab. Die Unempfindlichkeit dauerte 1 Minute 3 Sekunden bei dem Einen, 1 Minute 30 Sekunden bei einem Anderen, bei einem Dritten 1 Minute 14 Sekunden, bei Einem Vierten über 10 Minuten. Mehrere hatten Traumerscheinungen. Einer hatte leichte Lichterscheinungen in den Augen, und es zeigten sich einige Symptome von Schwindel. Zwei erwachten mit Lachen aus ihren heiteren Träumen. Der Tastsinn war vollkommen ungestört, so lange die Individuen bei Bewußtsein waren, und sie entdeckten ohne Hülfe der Augen die kleinsten Unebenheiten eines Körpers. Die Wirkung des Aethers scheint bei den Versuchen drei Stadien durchgemacht zu haben. Im Anfang ist das Empfindungsvermögen, wie der Puls und die Respiration, gesteigert, darauf verminderte sich die Wahrnehmung des Schmerzes mit der Bewegung des Kreislaufes, und Verletzungen wurden nur schwach empfunden. Im dritten Stadium hörte alles Gefühl auf, und das Individuum war so unempfindlich wie ein Cadaver. Die Wirkung des Aethers verschwand bald, und es blieb hernach nur ein Gefühl von Schwäche und Schwere des Kopfes, was indeß nach höchstens einer Viertelstunde auch vorüberging. Alle stimmten darin miteinander überein, daß die Wirkung des Aethers ihnen eine angenehme Empfindung, ähnlich der eines leichten Rausches, verursacht habe.

      Professor Gerdy in Paris beschreibt folgendermaßen die Wirkung der Aetherdämpfe auf sich selbst. »Ich bediente mich des Charrière'schen Apparats und überwand bald den Reiz zum Husten, den die Aetherdämpfe in der Luftröhre erzeugten, der Kitzel und der Husten schienen dann durch die beruhigende Wirkung des Aethers nachzulassen. Von diesem Augenblicke an fühlte ich schon eine Betäubung im Kopfe mit dem Gefühle von Hitze verbunden, wie bei beginnendem Rausch. Diese Betäubung verbreitete sich allmälig über den ganzen Körper und gewährte einen dumpfen, aber sehr angenehmen Eindruck, ähnlich der Trunkenheit nach dem Genuß von Bier oder jungem Wein. Die Wirkung des Aethers gleicht auch der des Morphiums, unterscheidet sich aber, wenigstens für mich, von der Opium-Berauschung durch den Mangel der wenig angenehmen Wirkung der letzteren.

      Der Gesichtssinn war nicht merklich durch die Betäubung abgestumpft, denn ich las bei schwachem Lichte, als ich schon benommen war. Das Gehör war mehr verändert. Mit der Zunahme der Betäubung nahm die Stärke des Schalls ab, und erst mit dem Schwinden des Rausches wurden die Klänge wieder deutlicher.

      Der Geruchs-, Geschmacks- und Gefühls-Sinn waren durch die allgemeine Betäubung nicht gelähmt; aber die Augenlider waren mir schwer, und ich fühlte das Bedürfniß zu schlafen, um mich meinen Gefühlen zu überlassen. Ich bekämpfte indeß die Müdigkeit und setzte meine Beobachtungen fort, wobei ich bemerkte, daß, mit Ausnahme des Gefühls von Schwanken und Betäubung, wodurch das Allgemeingefühl abgestumpft war, und des Summens vor den Ohren, wodurch ich verhindert wurde, klar zu hören, meine Auffassung so wie mein Verstand vollkommen frei seien. Ich versuchte auch zu gehen, was mit schwankendem Schritte, wie bei Betrunkenen, geschah. Das Sprechen fiel mir schwer und war langsam, sonst schienen mir alle übrigen Functionen des Körpers leicht. Mein Bruder beobachtete während dieser Zeit meinen Puls, und fand weder die Zahl noch die Stärke der Schläge verändert.«

      Dieselben Versuche wurden von Gerdy bei zehn Personen, Männern und Frauen wiederholt und gaben ähnliche Resultate. Einige verloren ihr Selbstbewußtsein, Andere wurden sehr heiter gestimmt, bei Anderen stellte sich Verdunkelung des Gesichts ein.

      Dem von Herrn Gerdy an sich selbst vorgenommenen Experimente füge ich die von v. Graefe an sich selbst und zahlreichen Anderen gemachten Versuche sowie seine eigene Mittheilung, welche zugleich die Kritik des Gerdy'schen Experiments enthält, hinzu.

      Was zuerst die Betäubung anbetrifft, von der Gerdy als dem ersten Zeichen der Aetherwirkung redet, so ist ihm dieselbe allenfalls zuzugeben. Sie hat aber mit der wirklichen Betäubung bei beginnendem Rausch nicht die mindeste Aehnlichkeit; denn während diese sichtbarlich auf der Hervorhebung der Subjektivität gegründet ist, finden wir hier nichts Anderes als eine plötzlich herabgesetzte und cessirte Anspannung der Nerventhätigkeit, und zwar in beiden Sphären derselben, in der sensiblen und in der motorischen. Man kann die Aetherwirkung passend mit dem das Einschlafen begleitenden Zustand vergleichen. Man könnte zwar behaupten, daß beim Einschlafen das Gefühl des ohnmächtigen Dahinsinkens ganz fehle, welches sich hier vorfindet; doch ist auch bei der Aetherisation dies Gefühl nicht konstant, vielmehr beruht es auf einer gewissen Aengstlichkeit, die bei öfterer Wiederholung des Versuchs verschwindet. »So hatte ich, sagt von Graefe, bei den letzteren an mir selbst angestellten Versuchen statt der von Gerdy erwähnten rauschähnlichen Betäubung am Anfang ganz das Gefühl einer hohen, körperlichen und geistigen Trägheit, weshalb willkührliche Bewegungen und logische Schlüsse, wie sie sonst mechanisch verrichtet werden, zu ihrer Ausführung die ganze Willenskraft in Anspruch nahmen, und bald darauf die Empfindung eines durch Abspannung herbeigeführten Einschlummerns.

      Das Gefühl von Hitze im Kopfe und von Kälte der Extremitäten ist allerdings nicht selten, das Arterienklopfen sogar so häufig, daß ich darauf die von Gerdy meinen Versuchen zufolge überaus frühzeitig beobachtete Alteration des Gehörsinns zu schieben geneigt bin.«

      Diese Alteration sah ich, allerdings bei Leuten, die zu subjektiven Gehörerscheinungen irgendwie geneigt sind, sich durch das Gefühl eines eigenthümlichen, klingenden, doch immer noch rhythmischen Geräusches manifestiren, das ihnen beim ersten Versuch oft große Angst einflößte, indessen die Wahrnehmung des Schalls nicht sehr behinderte.

      »Das Gefühl von Uebelkeit kann sich in dem ersten Zeitraume der Aetherwirkung kaum einstellen, wenn es nicht etwa Folge des Schluckens des Aethers ist. Es muß als eine sympathische Erscheinung der Cerebralaffektion angesehen werden, die sich erst viel später einstellt. Was Herr Gerdy über die verschwindende Sinnesthätigkeit sagt, so ist es gewiß, daß er seinen Versuch nicht lange genug oder bei einer zu geringen Imprägnation der Luft mit Aethergas fortgesetzt hat.«

      Wenn wegen der oben erwähnten Inertie eine mangelhafte Reaktion auf Sinneseindrücke stattfindet, so ist eine mangelhafte Aktion der Sinne selbst, und zwar aller Sinne unverkennbar. Mit Unrecht glaubt Gerdy den Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlssinn ausnehmen zu dürfen, die eben so deutlich und im Allgemeinen noch eher als der Gehörsinn betroffen werden. Alle Sinne werden dumpf, verlieren allmälig ihren eigenthümlichen Charakter, lösen sich in eine allgemeine, mechanische Perception auf und verschwinden endlich ganz. Wie es überhaupt der Willenskraft gelingt, die Aetherwirkung sehr zu verzögern, so geschieht dies besonders in dem Zeitraume, wo die Sinneswahrnehmung anfängt sich zu verwischen; eine angespannte, intense Bethätigung der sensoriellen Funktionen hält deren Verfall bedeutend auf. So sind denn scharf riechende, schmeckende Substanzen, Anspritzungen mit kaltem Wasser die besten und schnellsten Antidota für die Aetherwirkung in diesem Grade. Vortrefflich ist das, was von Graefe über das Verschwinden der Sinne beobachtete. Die Reihenfolge, in der die Sinne verschwinden, variirt also nach der ihnen willkührlich verliehenen Bethätigung. Schließen der Augen bewirkt frühzeitiges Verschwinden der Sehkraft, Fixiren einzelner Gegenstände mit den Augen erhält dieselbe, genaues Aufmerken auf Alles, was gesprochen wird, erhält das Gehör, Unachtsamkeit macht es bald stumpf.

      Abgesehen von dieser willkührlichen Erhaltung der einzelnen Sinne, beobachtete man gewöhnlich diese Folgereihe. Das Gefühl wird dumpf, fast gleichzeitig mit dem Geschmack, dann das Gesicht, dann der Geruch und endlich das Gehör. Das gänzliche Stillestehen der Sinnesthätigkeit findet gewöhnlich in derselben Succession Statt. Sehr oft geht aber die Beobachtung einer deutlichen Folge verloren, nämlich wenn in einem tiefen Athemzuge der Uebergang von der gedämpften Reizempfänglichkeit zur vollkommenen Reizlosigkeit und Bewußtlosigkeit vermittelt wird. In solchen Fällen beobachtet man beim Erwachen gewöhnlich die Rückkehr der Sinne in der oben beschriebenen umgekehrten Folge.

      Unerwähnt ist in dem Bericht von Gerdy der dritte Zeitraum, der auf die aufgehobene Wahrnehmung

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