Hann Klüth: Roman. Georg Engel

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Hann Klüth: Roman - Georg Engel

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anlegen wolle.

      Ja, wenn jenes Prachtstück hervorgeholt wurde, dann stand Großes bevor.

      Auch Hann stand mitten in der Aufregung.

      In seinem zottigen, düffelblauen Sonntagsanzug hockte er am unteren Ende des Tisches und war starr vor Ehrfurcht über die ungewohnte Pracht dieser Zurüstungen.

      Das große Zimmer. Die feinen Ringelkreise des Sandes auf dem Fußboden. Am Fenster die beiden schwarzgekleideten Brüder, die leise miteinander verhandelten; in der Ecke Line mit dem wunderhübschen weißen Kleidchen und der rosa Schleife im Haar! – Die Georginen, und draußen auf der Dorfstraße die vorüberwandelnden Fischer, die alle so seltsam nickten und lächelnd in die Fenster hineinsahen!

      Nein, das war alles so spannend – so – so —

      Dem Jungen saß etwas in der Kehle, das Herz schlug ihm stark vor Erwartung, und nicht ein einziges Mal wagte er es, zu Line hinüberzublicken.

      Seit sie seine Braut geworden, bedeutete sie für ihn direkt einen Gegenstand namenloser Furcht. Nach jenem Abend ging er ihr scheu aus dem Wege und erkühnte sich nicht mehr, das Dirnchen anzureden.

* * *

      Da fiel etwas Schwarzes in das sonnenbeschienene Fenster.

      Alle im Zimmer mußten wie auf Verabredung auf die helle Dorfstraße hinausblicken.

      Welch ein wunderliches Bild.

      Dort draußen auf dem weißen Sande ragte die lange Gestalt des Bootsmannes aus einem Menschenhaufen hervor, merkwürdig ungelenk anzusehen in seinem Bratenrock und dem wolligen Zylinder, aber heute noch steifer wie gewöhnlich, da er eine große Mappe mit aller Kraft an sich preßte, als wünsche er sich eines kostbaren Gutes beständig zu versichern.

      Da standen sie alle um ihn herum. Ein paar Zesnerfischer, ferner die beiden Lotsen, oll Kusemann in seinem schmucken, blauen Wams, und Friedrich Pagels mit dem verschnürten Bein, sodann Klaus Muchow, der stärkste Fischer von Moorluke mit einem blondlockigen Neptunshaupt, das stumm und taub zugleich war, ja selbst Malljohann, dessen Kartoffelkahn gerade wieder vor dem Lotsenhäuschen der Klüths ankerte, beteiligte sich von fern an dieser Ehrung. Tiefsinnig saß er auf seinem Kajütendach und spielte in Anbetracht der Feierlichkeit: »Deutschland, Deutschland über alles.«

      Und alle gratulierten dem Bootsmann.

      »Ich dank' euch auch,« sagte Siebenbrod stolz, »ich werd' nun mein Möglichstes tun.«

      »Ja,« stellte der wassersüchtige Lotse mit dem Schnürbein, der sich am besten auf Geschäfte verstand, fest, »das Haus is ja auch ganz nett. Das Dach muß ausgebessert werden.«

      »Ne, ne,« widersprach Siebenbrod mit einer gewissen Besitzerbehaglichkeit. »Vier Jören – kein Spaß – sparen, sparen.«

      »Ja,« mischte sich nun auch oll Kusemann listig ein und redete ganz laut, damit ihn sein Freund Hann in der Stube besser verstehen sollte, »Siebenbrod, kiek, da sind drei Kühe und zwei Schweine. Wenn man sich die ein paar Jahre vermehren läßt, sieh, dann kommt 'ne recht anständige lütte Viehzucht raus. Ich hatt' mal einen Vetter, der – «

      »Ne – man ja nicht – und der Rotlauf und die Klauenseuche,« wehrte der neue Besitzer ab und drückte das Zesnerfischerpatent in der Mappe zärtlicher an sich. »Sparen – sparen.«

      »Na, dann auch so! – Es is ja wirklich allens ganz nett,« fuhr der Lügenlotse, immer mit erhobener Stimme, bedächtig fort. »Und Mudding Klüth is ja auch noch ganz gut zu Weg. Man muß eben ein Auge zudrücken. Wenn sie sich mein schwarzes Seidenkleid aus Lyon anzieht, dann läßt sie sich noch ganz hübsch wonach.«

      »Ja, was sollt' sie nich,« murmelte Siebenbrod dagegen und blickte sich mißtrauisch im Kreise um, ob vielleicht einer Spaß mit ihm treiben wollte. »Frau Klüth is noch sehr bei Kraft.«

      »Deutsche Frauen – deutsche Treue,« klang es von dem Kartoffelkahn.

      »Na, die Hauptsache bleibt aber doch das Haus und die Schweine,« schloß Friedrich Pagels bestimmt. »Dabei bleibt es.«

      »Ja – ja, dagegen läßt sich nichts einwenden,« nickte Siebenbrod sehr vergnügt und drückte allen unter beifälligem Gemurmel die Hände.

      Dann trat er in das Klüthsche Familienhaus.

* * *

      Unter befangenem Schweigen hatte man an der festlichen Tafel gesessen.

      Alle scheuten sich, von ihren Tellern aufzusehen. Man hörte die herbstlich-matten Fliegen an der Decke summen und vernahm nur zuweilen das erzwungene »Hum – Hum« des Bootsmannes, der sich bemerkbar machen wollte.

      Doch keiner redete.

      Es war, wie wenn sich die vier Kinder hinter dieses Schweigen wie hinter einen letzten Wall zurückzögen.

      Zuletzt konnte es Siebenbrod nicht mehr aushalten.

      »Hum – Hum – Frau Klüth,« begann er endlich, während er ratlos und eingeschüchtert neben der Frau in dem steifen seidenen Kleide hin und her rückte. »Ich glaub', nun wär' es Zeit mit dem Bier.«

      »Ja, dann können wir ja nun.«

      Rauschend erhob sie sich, rauschend kam sie zur Tür wieder herein und stellte einen großen, braunen Krug auf den Tisch.

      Dann ließ sie sich mit ihrem unbeweglichen Gesicht neben dem Bootsmann nieder, aufrecht wie ein Licht, das in den Leuchter gesteckt wird.

      »Frau Klüth – ich werd' das selbst eingießen.«

      »Schön, Herr Siebenbrod.«

      Die Anreden steigerten sich in ihrer Feierlichkeit. Doch auch der Gerstensaft ließ keinen größeren Frohsinn aufkommen, immer wieder blickten acht Augen forschend und anklagend nach der Mitte der Tafel, als säße dort ein Paar, das einen ungeheuren Frevel verüben wollte. Bis endlich Siebenbrod dreimal energisch über seinen Kopf strich und sich halb verzweifelt zu der Witwe wandte: »Frau Klüth, nu muß ich es wohl tun?«

      Einen Augenblick Schweigen.

      Dann ein tiefes Aufatmen: »Ja, Herr Siebenbrod, nun bleibt wohl nichts mehr übrig.«

      »Na, denn – ,« der Bootsmann gab sich einen gewaltigen Ruck, sperrte den Mund auf und blickte jedes der vier Kinder, Nachsicht heischend, an: »Na, denn also – Paul, Bruno, Hann und Line – ich hab' ihr nu.«

      »Was haben Sie?« fragte der Theologe langsam, während er seine finsteren Augen nicht von ihm wandte.

      »Das Zesnerpatent, Herr Paul.«

      Siebenbrod holte das Papier aus der Tasche und hielt es wie einen Schutz oder eine Erklärung vor sich in die Höhe.

      »Ja, aber was folgt daraus?« forschte der Student unbarmherzig weiter.

      Was daraus folgt? —

      Siebenbrod sah sich verwirrt im Kreise um, wischte sich die Nase und machte wieder den Mund auf. Ja, was sollte denn daraus anderes folgen, als was doch so klar war? – Herr Gott – Herr Gott – solch ein studierter Mensch – was für Umstände: »Je,« stotterte er, »daß ich hier nu alles übernehme.«

      »So? – Das stand ja aber schon vorher fest. Dabei ist doch nichts Besonderes?«

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