Hann Klüth: Roman. Georg Engel

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Hann Klüth: Roman - Georg Engel

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den Tisch und sagte in völliger Resignation: »Ja, das mag ja nun alles sein, wie es will – aber wir sünd einig – wir heiraten uns.«

      Und Frau Klüth blickte mit ihrem starren Gesicht jedes einzelne der Kinder an und setzte traurig hinzu: »Glaubt mir, es geht nicht anders.«

      Nach dieser Erklärung waltete neues, drückendes Schweigen. Als jedoch zwischen Mittagbrot und Kaffee der Bootsmann, froh, der schwülen Stille zu entfliehen, ein wenig an den Fluß und an Malljohanns Kahn geschlendert war, da sahen die andern Kinder, wie Paul mit der Mutter in einer Ecke saß, und hörten abgebrochene, geflüsterte Worte von dorther dringen: »Paul – Pauling – tu das nicht.«

      »Es ist besser so – ich brauche dann von euch nichts mehr.«

      »Aber wie willst du das bloß anfangen?«

      »Privatstunden.« —

      »O Pauling – ich geb's ja gern – ich tu's doch bloß euretwegen.«

      »Ja – ja, aber im Andenken an den Vater – ich kann's nicht mit ansehn – ich zieh – morgen schon in die Stadt.«

      Dann umschlang die Mutter ihren Ältesten, und man konnte hören, wie der harte Junge von einem Schluchzen förmlich geschüttelt wurde. Bruno stand dabei abgewandt am Fenster und sah hinaus. Auch ihm war übel zumute. Aber er dachte mehr daran, was seine städtischen Bekannten, was vor allen Dingen wohl Konsul Hollander, der doch ein Gönner des alten Klüth gewesen, zu dieser plötzlichen Verlobung sagen würde. Die beiden Kleinen, Hann und Line, hingegen schlichen mit gesenkten Köpfen hinaus.

* * *

      In dem verwilderten, struppigen Garten, der wie alle Moorluker Anpflanzungen von dem häufigen Nordoststurm zerzaust und verwüstet aussah, machten die Kinder vor den traurigen, geknickten Sonnenblumenstauden halt.

      Das Gelb der Kelche hatte schon etwas Giftiges angenommen, und die mächtigen Blumenhäupter hingen so trostlos, so greisenhaft gebrechlich darnieder, als wüßten sie, daß der nächste Norder sie hohnlachend in den Fluß schleudern würde. Der ganze Fleck hatte etwas Unrastiges.

      Schräge, schlecht gezogene Beete, auf denen Rüben und Petersilie wuchsen, und hier und da ein verkrüppelter Apfelbaum, der im Kampf mit dem Winde bucklig geworden.

      In den Blättern raschelte ein unfreundlicher Zug, am Himmel fand ein höhnisches Spiel zwischen Sonne und grauen Wolken statt.

* * *

      Das Dirnchen hatte eine der Sonnenblumenstauden zu sich herniedergebeugt und zupfte nun ein Blatt der kranken Köpfe nach dem andern ab.

      Allmählich färbte sich ein gelber Teppich zu ihren Füßen, bis ihn der Wind wieder von dannen fegte.

      »Lining,« fing Hann an, der hinter ihr stand und in seiner Trauer seine Furcht vor ihr vergessen mochte, »siehst du, Niklas von oll Kusemann hat recht behalten. Nu is Vater abgesetzt – und sie haben sich verlobt.«

      Nun hätte sie fragen müssen, welche Zweifel ihn eigentlich plagten. Indessen sie schwieg. Warum, wußte sie selbst nicht. Aus Eigensinn oder weil sie gewohnt war, mit ihrem treuen Begleiter, der überall hinter ihr hertrollte, nach Laune zu spielen.

      Sie schwieg und zupfte schneller.

      »Lining,« fuhr Hann eingeschüchtert fort und sah verlegen auf seine Stiefel hinunter: »Verloben? – Das is doch eigentlich was sehr Feierliches.«

      Noch immer rührte sie sich nicht, und doch schielte sie ein wenig seitwärts nach ihm hin. Dem kecken, frühreifen Ding kam die Erinnerung, daß ihr treuer Gespiele sie neulich geküßt. – Im Grunde war sie auch seine Braut. Sie spitzte die Lippen.

      Was er ihr wohl zu sagen hatte?

      »Lining,« stotterte der Junge, bei dem die ersten forschenden Gedanken durchaus nicht in dem groben Gehirn verharren wollten, die vielmehr aus ihrem Käfig ausbrachen wie eine Schar schreiender Gänse auf die Landstraße. »Lining, hinter dem Verloben muß doch noch was stecken, kuck – wir« – er wurde glühend rot – »wir sind doch auch verlobt – wie oll Kusemann sagte – aber – wir – Lining, sei nicht bös – wir mögen uns doch auch leiden – ! Dietrich Siebenbrod aber und Mudding, die mögen sich doch nicht ausstehen und verloben sich doch. – Daß so was erlaubt is?«

      Nachdenkend hielt er inne.

      Immer wandte sie ihm noch den Rücken. Langsam jedoch, mit einer unbewußt koketten Bewegung bog sie jetzt den Hals und blickte ihn mit ihren braunen Augen suchend und staunend an.

      Sie wartete. Er hatte gewiß noch etwas Wunderschönes zu sagen. Wie eine ganz feine, leise Musik begann es in dem herbstlichen Garten um sie herum aufzuklingen. Viel, viel später noch leuchtete diese Szene zu ihr herüber, wie ein farbenschimmernder, erwartungsvoller, verheißender Kindertraum.

      In dem frischen Winde flatterte die Schleife in ihren Haaren gleich einem rosigen Wimpel; die vollen roten Lippen bebten vor Frost und vor Neugierde.

      »Du magst mich gern leiden?« brachte sie hervor.

      »Ja,« entgegnete Hann erschreckt. »Das hab' ich gesagt.«

      »Ich mag dich auch gern leiden,« flüsterte Line und streckte ihm mit einer raschen Bewegung ihre runde, rosige Hand hin.

      Da verdarb ihm die Philosophie alles. Dieses verwünschte methodische Hinstarren auf die Gedankenkegelbahn, auf der er die ersten ungeschickten Würfe tat.

      »Der Amtsvorsteher nimmt Mutter und Siebenbrod am Ende gar nicht an,« gab er dem Gespräch eine andere Wendung, während er sich aus Furcht vor der ausgestreckten Hand beinahe zum Ausreißen wandte. »Wenn er erfährt, daß sie sich nicht gern haben, dann schickt er sie vielleicht nach Hause.«

      Noch immer wartete Line. – Langsam sank das Händchen herunter, vor dem Hann bereits bis hinter den Apfelbaum zurückgewichen war.

      Ein plötzlicher Windstoß brauste durch die Zweige und warf harte Früchte herab.

      Da riß Line in aufflammendem Zorn eine riesige Sonnenblume, die hinter ihr herabhing, von ihrem Stengel und schleuderte sie dem Jungen mit aller Kraft ins Gesicht. Hart klatschte es gegen seine Haut.

      »Lining,« rief er bestürzt. »Was tust du?«

      In demselben Moment rollte eine Equipage die Dorfstraße entlang und hielt vor dem Klüthschen Hause.

      »Dummer Bengel,« rief das Mädchen.

      Dann lief sie mit flatternden Röcken auf das glänzende Gefährt zu.

      VII

      Der Konsul Hollander war ein griesgrämiger Herr.

      Wohl hatte er vier der schönsten Pferde im Stalle, doch pflegte er sie aus Trotz gegen sich und gegen seine Familienangehörigen selten zu benutzen. Jeder Luxus schien ihm etwas so Verabscheuungswürdiges, daß er sich von Zeit zu Zeit sogar seines schönen, lebenden Besitztums schämte.

      Mußte er notgedrungen, so wie heute, den Bitten seines Töchterchens Dina, die so gar nicht in das stille, vereinsamte Kaufmannshaus paßte, nachgeben, wurde die altväterliche und bequeme Equipage zu einer Spazierfahrt einmal angespannt, thronte der alte, steifleinene Johann in seiner verschossenen Livree wirklich einmal vorn auf dem Bock, dann konnte man sicher sein, daß der Konsul brummig auf seinem Hintersitz hockte, den Stock mit dem englischen Knopf fest gegen das Kinn gepreßt, um ununterbrochen

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