Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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unter seinen Leib. Schließlich wachte er darüber auf. Und beinahe hätte er einen Schrei ausgestoßen. An seinem Bette saß Basini! Und mit rasender Behendigkeit löste dieser im nächsten Augenblicke das Hemd von seinem Leibe, schmiegte sich unter die Decke und preßte seinen nackten, zitternden Leib an Törleß an.

      Kaum hatte sich Törleß in diesem Überfalle zurechtgefunden, als er Basini von sich stieß.

      «Was fällt dir denn ein …?!»

      Doch Basini bettelte. «Oh, sei nicht wieder so! So wie du ist keiner. Sie verachten mich nicht so wie du; sie tun dies nur scheinbar, damit sie dann desto anders sein können. Aber du? Gerade du …?! … Du bist sogar jünger als ich, wenn du auch stärker bist; … wir sind beide jünger als die anderen; … du bist nicht so roh und prahlerisch wie sie; … du bist sanft; … ich liebe dich …!»

      «Was – was sagst du? Was soll ich mit dir? Geh – so geh doch weg!» Und Törleß stemmte gequält seinen Arm gegen Basinis Schulter. Aber die heiße Nähe der weichen, fremden Haut verfolgte ihn und umschloß ihn und erstickte ihn. Und in einem fort flüsterte Basini …: «Doch … doch … bitte … oh, es wäre mir ein Genuß, dir zu dienen.»

      Törleß fand keine Antwort. Während Basini sprach, während der Sekunden des Zweifelns und Überlegens, war er wieder wie ein tiefgrünes Meer über seine Sinne gesunken. Nur Basinis bewegliche Worte leuchteten darinnen auf wie das Blinken silberner Fischchen.

      Noch immer hielt er seine Arme gegen Basinis Körper gestemmt. Aber auf ihnen lag es wie eine feuchte, schwere Wärme; ihre Muskeln erschlafften; er vergaß ihrer. … Nur wenn ihn ein neues der zuckenden Worte traf, wachte er auf, weil er plötzlich fühlte, – wie etwas schrecklich Unfaßbares, – daß eben – wie im Traum – seine Hände Basini näher gezogen hatten.

      Dann wollte er sich aufrütteln, sich zuschreien: Basini betrügt dich; er will dich nur zu sich hinabziehen, damit du ihn nicht mehr verachten kannst. Aber der Schrei erstickte; kein Laut lebte in dem weiten Hause; in allen Gängen schienen die dunklen Fluten des Schweigens unbeweglich zu schlafen.

      Er wollte zu sich selbst zurückfinden: aber wie schwarze Wächter lagen sie vor allen Toren.

      Da suchte Törleß kein Wort mehr. Die Sinnlichkeit, die sich nach und nach aus den einzelnen Augenblicken der Verzweiflung in ihn gestohlen hatte, war jetzt zu ihrer vollen Größe erwacht. Sie lag nackt neben ihm und deckte ihm mit ihrem weichen schwarzen Mantel das Haupt zu. Und sie raunte ihm süße Worte der Resignation ins Ohr und schob mit ihren warmen Fingern alle Fragen und Aufgaben als vergebens weg. Und sie flüsterte: in der Einsamkeit ist alles erlaubt.

      Nur in dem Augenblicke, als es ihn fortriß, wachte er sekundenlang auf und klammerte sich verzweifelt an den einen Gedanken: Das bin nicht ich! … nicht ich! … Morgen erst wieder werde ich es sein! … Morgen …

      Dienstag abends kehrten die ersten Zöglinge zurück. Ein anderer Teil kam erst mit den Nachtzügen. Es war eine beständige Unruhe im Hause.

      Törleß empfing seine Freunde unwirsch und verdrossen; er hatte nicht vergessen. Und dann brachten sie auch etwas so Frisches und Weltmännisches von außen mit. Das beschämte ihn, der jetzt die drückende Luft enger Stuben liebte.

      Er schämte sich jetzt überhaupt häufig. Aber nicht eigentlich deswegen, wozu er sich hatte verführen lassen, – denn dies ist in Instituten nichts so Seltenes, – als weil er sich nun tatsächlich einer Art Zärtlichkeit für Basini nicht erwehren konnte und andererseits eindringlicher denn je empfand, wie verachtet und erniedrigt dieser Mensch war.

      Er hatte des öfteren heimliche Zusammenkünfte mit ihm. Er führte ihn in alle Verstecke, die er durch Beineberg kannte, und da er selbst auf solchen Schleichwegen nicht geschickt war, fand sich Basini bald besser zurecht als er und wurde zum Führer.

      Des Nachts aber ließ ihn eine Eifersucht, mit der er Beineberg und Reiting bewachte, nicht zur Ruhe kommen.

      Die beiden hielten sich jedoch von Basini zurück. Vielleicht langweilte er sie bereits. Jedenfalls schien mit ihnen eine Veränderung vor sich gegangen zu sein. Beineberg war finster und verschlossen; wenn er sprach, so handelte es sich um geheimnisvolle Andeutungen von etwas Bevorstehendem. Reiting hatte sein Interesse scheinbar wieder anderen Dingen zugewandt; er flocht mit gewohnter Geschicklichkeit das Netz zu irgendeiner Intrige, indem er die einen durch kleine Gefälligkeiten zu gewinnen suchte und die andern dadurch schreckte, daß er sich durch heimliche List zum Mitwisser ihrer Geheimnisse machte.

      Wenn sie zu dritt beisammen waren, drangen die beiden darauf, daß Basini nächstens wieder in die Kammer oder auf den Boden befohlen werde.

      Törleß suchte es durch allerhand Ausflüchte hinauszuschieben, litt dabei aber beständig unter dieser heimlichen Anteilnahme.

      Vor wenigen Wochen noch hätte er einen solchen Zustand überhaupt nicht verstanden, denn schon von den Eltern her war er kräftig, gesund und natürlich.

      Aber man darf auch wirklich nicht glauben, daß Basini in Törleß ein richtiges und – wenn auch noch so flüchtig und verwirrt – wirkliches Begehren erregte. Es war allerdings etwas wie Leidenschaft in Törleß erwacht, aber Liebe war ganz gewiß nur ein zufälliger, beiläufiger Name dafür, und der Mensch Basini nicht mehr als ein stellvertretendes und vorläufiges Ziel dieses Verlangens. Denn wenn sich Törleß auch mit ihm gemein machte, sein Begehren sättigte sich niemals an ihm, sondern wuchs zu einem neuen, ziellosen Hunger über Basini hinaus.

      Vorerst war es überhaupt nur die Nacktheit des schlanken Knabenkörpers gewesen, die ihn geblendet hatte.

      Der Eindruck war nicht anders, als wäre er den nur schönen, von allem Geschlechtlichen noch fernen Formen eines ganz jungen Mädchens gegenübergestanden. Eine Überwältigung. Ein Staunen. Und die Reinheit, die unwillkürlich von diesem Zustande ausging, war es, die den Schein einer Neigung – dieses neue wunderbar unruhige Gefühl in sein Verhältnis zu Basini trug. Alles andere aber hatte damit wenig zu tun. Dieses übrige des Begehrens war schon längst, – war schon bei Božena und noch viel früher dagewesen. Es war die heimliche, ziellose, auf niemanden bezogene, melancholische Sinnlichkeit des Heranreifenden, welche wie die feuchte, schwarze, keimtragende Erde im Frühjahr ist und wie dunkle unterirdische Gewässer, die nur eines zufälligen Anlasses bedürfen, um durch ihre Mauern zu brechen.

      Der Auftritt, den Törleß erlebt hatte, war zu diesem Anlasse geworden. Durch eine Überraschung, ein Mißverständnis, ein Verkennen des Eindruckes wurden die verschwiegenen Verstecke, in denen sich alles Heimliche, Verbotene, Schwüle, Ungewisse und Einsame von Törleß’ Seele gesammelt hatte, aufgestoßen und diesen dunklen Regungen die Richtung gegen Basini erteilt. Denn da stießen sie mit einem Male auf etwas, das warm war, atmete, duftete, Fleisch war, an dem diese unbestimmt schweifenden Träume Gestalt gewannen und Teil seiner Schönheit, statt der ätzenden Häßlichkeit, mit der sie Božena in der Einsamkeit gestäupt hatte. Das riß ihnen mit einem Schlage ein Tor zum Leben auf, und in dem entstehenden Zwielicht mengte sich alles, Wünsche und Wirklichkeit, ausschweifende Phantasien und Eindrücke, die noch die warmen Spuren des Lebens trugen, Empfindungen, die von außen einfielen und Flammen, die ihnen von innen entgegenloderten und sie bis zur Unkenntlichkeit einhüllten.

      Aber dies alles war für Törleß selbst nicht mehr unterscheidbar und war für ihn in einem einzigen, unklaren, ungegliederten Gefühl vereint, das er in der ersten Überraschung wohl für Liebe nehmen mochte.

      Bald aber lernte er es richtiger schätzen. Eine Unruhe trieb ihn von da an rastlos umher. Er legte jedes Ding, das er berührte, kaum ergriffen wieder weg. Er konnte kein Gespräch mit Kameraden führen, ohne grundlos zu verstummen oder zerstreut mehrmals den Gegenstand zu wechseln. Es kam auch vor, daß ihn mitten

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