Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Sie nie ein unerklärliches Gefühl von sich? So geheimnisvoll, daß man die Schuhe ausziehen muß und durch die Zimmer segeln wie eine Wolke? Früher kam ich oft hierher, als noch Mama nebenan schlief. Sie zeigt auf das Schlafzimmer von Thomas und Maria.

      Fräulein Mertens: Ja aber um Himmelswillen, wozu?

      Regine antwortet nur mit einer Schulterbewegung und klopft heftig an die Tür: Thomas! Thomas!! So komm doch schon! Der Brief von Josef ist da.

      Thomas von innen: Gleich, Krählein; einen Augenblick. Man hört aufschließen, er steckt den Kopf durch die Tür und gewahrt Fräulein Mertens. Also dann noch einen Augenblick; ich dachte, du seist allein. Er schließt wieder die Türe.

      Fräulein Mertens geht herzlich auf Regine zu: Sagen Sie mir, was wollen Sie eigentlich mit alldem beweisen?

      Regine: Beweisen? Aber Liebe, wie könnte ich etwas beweisen? Das ist mir ganz gleichgültig.

      Fräulein Mertens mit sanfter Hartnäckigkeit: Ich meine, wenn Sie sagen, daß Sie Ihren ersten Mann, der vor Jahren hier gestorben ist, zuweilen wiedersehen.

      Regine: Dann sagen Sie mir, warum soll ich Johannes nicht sehn?

      Fräulein Mertens mit hartnäckiger Schonung: Aber er ist doch gestorben?

      Regine: Ja. So gewiß, als wir hier stehn. Amtlich bestätigt.

      Fräulein Mertens: Also dann gibt es das nicht!

      Regine: Ich will es Ihnen nicht erklären! Ich habe eben Kräfte, die Sie nicht haben. Warum nicht? Ich habe auch Fehler, die Sie nicht haben.

      Fräulein Mertens: Ich habe das Gefühl: das alles sprechen Sie gegen Ihre Überzeugung.

      Regine: Was meine Überzeugung ist, weiß ich nicht! Aber ich weiß, daß ich mein Leben lang alles gegen meine Überzeugung getan habe!

      Fräulein Mertens: Sie meinen es nicht ernst. Man hört hier so viel von Kräften, die man nur hier hat! Das ist der Geist dieses Hauses: Auflehnung gegen das, was sonst aller Welt genügt.

      Thomas ist eingetreten. Noch nicht fertig bekleidet; was er angelegt hat, so, wie es einem schönen Sommermorgen entspricht. Er nimmt allerhand morgendliche Hantierungen auf, da ihm augenblicklich keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.

      Regine: Oh, ich werde Ihnen etwas sagen: Jeder Mensch kommt auf die Welt mit Kräften für die unerhörtesten Erlebnisse. Die Gesetze binden ihn nicht. Aber dann läßt ihn das Leben immer zwischen zwei Möglichkeiten wählen, und immer fühlt er: eine ist nicht darunter; immer eine, die unerfundene dritte Möglichkeit. Und man tut alles, was man will, und hat nie getan, was man gewollt hat. Schließlich wird man talentlos.

      Fräulein Mertens: Darf ich noch einmal den Brief sehn? Es ist ja doch sicher nur dieser Brief.

      Regine gibt ihr ihn; währenddessen zu Thomas: Josef wird – hierherkommen.

      Fräulein Mertens: Was sagen Sie?! Wirklich?

      Regine: Bei Josef ist alles wirklich.

      Thomas sehr – aber anscheinend nicht unangenehm – erstaunt: Wann?

      Regine: Heute.

      Thomas sieht nach der Uhr: Dann ist er womöglich noch vor Mittag hier? Atmet tief auf. Das – geht rasch.

      Fräulein Mertens: Ich bin überzeugt, Exzellenz Josef verlangt nichts als Offenheit und ein wenig Entgegenkommen. Sie werden in ruhiger, – mit einer fühlbaren Spitze gegen Thomas – ihn nicht verletzender Aussprache Ihr Verlangen nach Scheidung begründen. Und wenn der letzte Rest von Unaufrichtigkeit diesem Mann gegenüber gefallen ist – den Sie in Wahrheit nie als Ihren Mann betrachtet haben – wird aller Spuk von selbst von Ihren Nerven weichen. Sie waren eine Heilige! Sie brauchen doch nicht die Erfindung, daß Sie Ihren Mann mit einem Toten betrogen haben! Sie stürzt sich mit Energie in den Brief. Thomas und Regine treten etwas beiseite.

      Thomas: Ihr habt wieder von Johannes gesprochen?!

      Regine: Sie glaubt, daß ich lüge.

      Thomas: Sie versteht es nicht, sie nimmt es wirklich.

      Regine: Es ist auch wirklich!

      Thomas legt ihr den Arm um die Schulter und tippt ihr an die Stirn: Krählein, Krählein! Kleines, nasebohrendes Träumelinchen, das schon als Kind so beleidigt war, wenn es gelogen hatte oder Zucker gestohlen und von Mama Strafe bekam.

      Regine: Es ist beinahe wirklich. Es ist wahrscheinlich viel wirklicher als –

      Thomas läßt sie nicht ausreden: Du hast Unrecht: das ist das Ganze! Du hast unrecht; und es ist ja gleich, ob man es tut oder leidet. Er hat sich vor sie gesetzt und hält brüderlich unbedacht ihre Knie umschlungen. Ich habe jetzt auch immer unrecht. Aber je mehr man das fühlt, desto mehr übertreibt man. Man zieht sich die eigene Haut wie eine dunkle Kapuze mit ein paar Augen-und Atemöffnungen immer fester über den Kopf. Wir dürften jetzt die Geschwister sein, Regine.

      Regine halb abwehrend: Wahrhaftig, fühllos wie ein Bruder bist du immer gewesen, mochte mit mir geschehn, was wollte.

      Thomas: Ferngefühle, Regine; wie deine.

      Regine macht sich los: Das gefällt mir; – mißmutig – aber was heißt es?

      Thomas ihr nach, eindringlich: Nicht so prompt greifbar wie bei Anselm! Über den ganzen Umkreis verzweigt wie Wetterleuchten! Lieber scheinbar gefühllos. Er bemerkt, daß Fräulein Mertens nach beendetem Lesen sich mitteilen möchte. Zu ihr: Nun, was schreibt Josef? Ist Seine Exzellenz, der Beherrscher der Wissenschaft und ihrer Diener, auf uns sehr böse?

      Regine: Er droht, daß er dich um Stellung und Zukunft bringen wird, wenn du uns nicht aus dem Haus weist.

      Fräulein Mertens: Exzellenz Josef hat kein Recht dazu! Niemand kann etwas dagegen einwenden, daß Doktor Anselm Sie in das Haus Ihrer Frau Schwester und seines Freundes geleitet hat, wo Sie gemeinsam Ihre Kindheit verlebten. Er hat nur ein Recht auf Wahrheit. Wohlan, Sie werden ihm mit Wahrheit gegenübertreten; daß Sie die persönliche Überzeugung haben, nach der Scheidung Doktor Anselm zu heiraten, – wieder mit einer fühlbaren Spitze gegen Thomas – braucht man ihm ja wahrhaftig nicht zu sagen.

      Regine: Josef läßt sich nicht umstimmen wie ein Klavier.

      Fräulein Mertens: Die lange pflichttreue Entsagung, die Gerechtigkeit, die Liebe, alle humanen Empfindungen sind auf Ihrer Seite. Er ist ein Mensch. Vertrauen Sie dem, was zwischen allen Menschen gilt, und Sie werden es nicht vergeblich getan haben! Ich muß allerdings fürchten, daß das Herrn Doktor gewöhnlich klingt.

      Thomas scheinheilig: Im Gegenteil, ich pflichte Ihnen bei. Wenn wir gleich so gehandelt hätten, hätten wir alles vermeiden können.

      Fräulein Mertens warm aus sich heraustretend: Aber warum haben Sie so nicht immer gedacht??! Warum haben Sie dann jenen Brief geschrieben, in dem Sie sich darüber bloß lustig machten und Exzellenz Josef reizten, was ersichtlich die Ursache dieser Antwort ist?!

      Thomas:

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