Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Mertens: Verzeihen Sie, Herr Doktor, ich wage nicht zu bezweifeln, daß Sie ein Idealist sind – ein Gelehrter mit Ihrer Leistung muß es sein. Aber jeder Mensch ist gut und für edle Empfindungen zu gewinnen, auch Exzellenz Josef, und ich habe mir vorgestellt, ein Idealist müßte das tun, müßte es zu tun versuchen; ich habe mir unter –, ich habe mir einen Idealisten vorgestellt – – mit einem Wort: mit Idealen!

      Thomas sie auslachend: Aber liebes Fräulein Mertens, Ideale sind die ärgsten Feinde des Idealismus! Ideale sind toter Idealismus. Verwesungsrückstände – –

      Fräulein Mertens: Oh, oh! Jetzt brauche ich nichts mehr zu hören; ich sehe, Sie machen sich doch wieder auch über mich nur lustig! Sie hat schon vorher an der Tür gepocht und auf die Antwort gehorcht. Jetzt mit gekränkt beherrschter Miene ab.

      Thomas er ist mit einem Schlag verändert: Du bist der einzige Mensch hier, mit dem ich sprechen kann, ohne daß er es mir mißdeutet: Sag’ mir, was ist zwischen dir und Anselm nicht in Ordnung?

      Regine widerspenstig: Warum nicht in Ordnung?

      Thomas: Ihr wißt beide, daß mit euch etwas nicht in Ordnung ist. Hast du kein Vertrauen mehr zu mir?

      Regine: Nein.

      Thomas: Recht hast du! … Wir glaubten einmal neue Menschen zu sein! Und was ist daraus geworden?! Er packt sie an den Schultern und schüttelt sie. Regine! Wie lächerlich, was ist daraus geworden?!

      Regine: Ich habe keine Weltordnungspläne gemacht. Das wart ihr!

      Thomas: Ja, gut. Anselm und Johannes und ich. Von der Erinnerung noch immer bewegt. Es gab nichts, das wir ohne Vorbehalt hätten gelten lassen; kein Gefühl, kein Gesetz, keine Größe. Alles war wieder allem verwandt und darein verwandelbar; Abgründe zwischen Gegensätzen warfen wir zu und zwischen Verwachsenem rissen wir sie auf. Das Menschliche lag in seiner ganzen, ungeheuren, unausgenützten, ewigen Erschaffungsmöglichkeit in uns!

      Regine: Ich habe immer gewußt, es wird schon irgendwie falsch sein, was man denkt.

      Thomas: Ja, gut. Die Gedanken, welche schlaflos vor Glück machen, die dich treiben, daß du tagelang vor dem Wind läufst wie ein Boot, müssen immer etwas falsch sein.

      Regine: Ich habe währenddessen Gott gebeten um etwas ganz besonders Schönes für mich allein, das ihr euch gar nicht ausdenken könnt!

      Thomas: Und was ist daraus geworden?

      Regine: Was willst du sagen! Du hast alles erreicht, was du gewollt hast!

      Thomas: Hast du keine Ahnung, wie leicht das geht? Erst etwas langsam, aber dann: der beschleunigte Fall nach aufwärts! Auf der schiefen Ebene geht es ebenso leicht hinauf wie hinunter. – In einem halben Jahr bin ich Ordinarius, wenn ich mich mit Josef nicht rechtzeitig überwerfe. Ich habe in meinem ganzen Leben nichts so Beschämendes kennen gelernt wie den Erfolg. Nun kurz: Was steckt hinter Johannes?!

      Regine: Ihr alle könnt sprechen und euch damit helfen. Ich will nicht. Bei mir ist etwas nur so lange wahr, als ich schweige.

      Thomas: Man weiß nicht einmal, ist es schon Hochzeits-oder erst Verlobungsreise, und ihr lädt euch einen Toten dazu ein!

      Regine: Ich will nicht über Johannes sprechen!!

      Thomas: Aber du hast ihn doch niemals so – über alle Grenzen gemocht!? Und heute? Heute ist er selbst zum Ideal vorgerückt! – Anselm verbindet eine bestimmte Absicht mit dieser Geschichte: Welche?!

      Regine: Anselm verbindet mit allem, was er tut, eine bestimmte Absicht.

      Thomas: Nicht wahr?! Anfangs war es nicht so? Aber jetzt, wenn Maria zuhört, wird er einfach unerträglich. Alles, was er dann treibt, ist irgendein seelischer Betrug!?

      Regine ruhig: Ja, das ist es.

      Thomas sieht sie fassungslos an. Dann erzwungen trocken: Gut. Aber welchen Sinn hat das?

      Regine: Du wirst sogar sehn, er zieht sich zurück, wenn Josef da ist. Er wird darauf beharren, daß wir nur bei euch sind, weil Johannes hier starb.

      Thomas: Wir werden ja sehn, ob er es so auf die Spitze treibt.

      Regine: Er hat niemals gewollt, daß es so weit kommt.

      Thomas: Aber was hätte er denn wollen!?

      Regine mit einem Unterton von Verachtung, den Thomas nicht bemerkt: Ich habe ihn ja verführt!

      Thomas: Du ihn!? Du bist doch, weiß Gott, nie einem Menschen nachgerannt! Du hast doch Josef genommen, wie man den Schleier nimmt!

      Regine: Er war ergriffen über alles Maß, als wir uns so wiedergefunden hatten.

      Thomas hastiger, als er will: War es ihm schlecht gegangen?

      Regine: Es wird ihm immer schlecht gehn. Wenn er an einen Menschen nicht herankann, so ist er wie ein Kind, das die Mutter verloren hat.

      Thomas: Ja, ja, ja …: Brudergefühle für alle Welt. Aller Welt Liebkind. Das ist ja doch auch, was er Maria vormacht.

      Regine es liegt etwas leidenschaftlich Warnendes darin, das sie selbst nicht will: Er wird von dem andren Menschen befallen wie von einer Krankheit! Er verliert völlig die Herrschaft über sich an ihn; er muß sofort einen Widerstand dazwischen aufrichten!

      Thomas: Was – Widerstand?

      Regine: Das verstehst du nicht. Ich kann es nicht sagen. Einen Widerstand. Ein häßliches Gefühl. Das Ausholen zu etwas Bösem.

      Thomas: Du behauptest wenigstens von dem Unsinnigen ganz einfach: es ist; so warst du immer; je mehr du gefühlt hast, daß man dir nicht glauben kann, desto wahrer ist es für dich gewesen. Aber er sagt gar nicht; es ist; nur – eine empfindsame Ausdrucksweise nachäffend –: Es könnte ja sein … Für ein Übermaß von Gefühl. Er läßt ungewöhnliche Erlebnisse durchblicken. Er umgibt sich und sein Leben mit Geheimnis. Regine: Hat er etwas zu verheimlichen?

      Regine kommt nahe zu ihm; eindringlich: Er wird zusammenbrechen und etwas Verzweifeltes tun, wenn du ihn störst! Wenn du ihn auch nur zum geringsten zwingst, das nicht zu der Haltung paßt, die er Maria vormacht!

      Thomas: Aber du glaubst doch nicht, daß das echt ist?!

      Regine: Natürlich ist es falsch.

      Thomas: Also? … So sprich doch!

      Regine: Aber doch ist es echt. In einem Ausbruch von Verzweiflung. Hast du denn niemals falsch singen hören mit echtem Gefühl?! Warum soll nicht jemand mit falschen Gefühlen echt fühlen?! Bau’ nicht darauf, daß er sich das dir zum Trotz nur einredet! Glaub’ nur, daß man sich für ein Gefühl töten kann, das man nicht ernst nimmt!! Man nimmt doch auch etwas nicht ernst und lebt es; wie wir alle.

      Thomas eigensinnig: Wir werden ja sehn, was daran ist, wenn Josef kommt. Dann verändert. Aber Regine, trotz allem: ich werde immer glauben, daß wir einander alle so nahe sind wie die zwei Seiten eines Kartenblatts.

      Regine leidenschaftlich,

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