Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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grüßt dich! Als Herr deiner endlosen Wälder war er geboren, zum Miko eines großen Volkes war er gewählt. – Ein Flüchtling, steht er nun auf deiner Grenze, ein Auswürfling, ein Fremdling dir und den Gräbern seiner Väter. Großer Geist! Warum hast du dies getan? Zahllose Sonnen hindurch hat der Miko mit den Seinigen an den Ufern seines Flusses gejagt, ein mächtiges Volk hat er beherrscht, warum mußte Tokeah in die weite Nacht der Wildnis? Warum mußte er dem Lande seiner Väter den Rücken kehren? Warum muß er und das Andenken von ihm verschwinden von deiner Erde? Sprich, großer Geist! Gib Tokeah ein Zeichen, daß er deinen Willen erkenne!«

      Der flehende Greis sah auf das weite Himmelszelt mit sehnsüchtigem Blicke. – Es war mit Wolken überzogen, der Nordwind heulte durch den Wald. – Sein Angesicht wurde düster und verzagt. – Wieder sank er zur Erde. Ein kalter Fieberfrost rüttelte ihn.

      »Großer Geist! vergib«, murmelte er. »Deine Stirn ist umwölkt, und dein Auge sieht düster auf Tokeah, weil er wie ein zagendes Kind redet.«

      Er erhob sich nun, und indem er seine Gefährten zu sich winkte, dankte er zuerst dem Cumancheehäuptling für seine getreue Liebe und eröffnete ihnen dann die Ursache seines tausend Meilen langen Zuges in folgenden Worten:

      »Sieben Sommer sind verflossen, seit der Miko der Oconees dem Land seinen Rücken gewendet, wo seine Voreltern ihre Wigwams hatten. Zweimal seit dieser Zeit hat er den endlosen Fluß übersetzt, allein und von keinem Auge gesehen, um an den Gräbern seiner Väter zu liegen. Gleich dem reißenden Panther ward er gejagt, gleich dem hungrigen Wolfe ward ihm von den Weißen auf seiner Fährte nachgesetzt; es ist nun zum letzten Male, daß sein Fuß auf dem Lande steht, wo seine Väter gelebt haben. In der zweiten Nacht nach der, die ihm alles geraubt hatte, das seinem Auge teuer war, als sein Haupt schlaflos und verzweifelnd nicht ruhen, seine Augen sich nicht schließen konnten, in derselben Nacht erschien ihm der Geist seines Vaters, der in den grünen Wiesen wohnt. Tokeah war bange in seinem Herzen, und dem Geiste seines Vaters war auch bang. ›Geh!‹ so sprach er – ›geh! zu meinem Grabe und sammle die Gebeine desjenigen, der dir Leben gegeben hat, und derjenigen, die dich gesäugt hat; nimm sie aus ihrer düstern Wohnung und von der entheiligten Erde derer, die sie verachten! Laß sie in demselben Grunde ruhen, wo mein Sohn und sein Volk ruhen werden, und begrabe sie unter den Gebeinen der roten Männer. Fürchte dich nicht, sie aus ihrem Grabe zu nehmen! Der Fluch wird dich nicht treffen.‹ Tokeah erhob sich von seinem Lager,« fuhr der Greis fort, »als der Geist ihm so flüsterte; seine Seele war traurig. Wieder legte er sich auf das Lager. ›Die Hufe des Rosses, der Pflug der Weißen‹, sprach wieder der Geist seines Vaters, ›sind über den Todeshügel gegangen, wo der Vater Tokeahs begraben liegt, eine kurze Zeit und seine Gebeine werden zerstreut sein über die Erde und von den Winden weggeführt werden.‹« – »El Sol!« sprach der Greis, nun zu seinem Sohne gewendet, »Tokeah muß tun, was ihn der Geist seines Vaters geheißen hat. Er muß die Gebeine seines Vaters nehmen, daß sie friedlich ruhen mögen. Er muß den Häuptling der Cumanchees während drei Sonnen verlassen und in das Tal gehen, wo sein Vater begraben liegt.« –

      Der junge Mexikaner horchte aufmerksam auf die Worte des alten Mannes.

      »Hat der Geist des Vaters dem Miko zugeflüstert?« fragte er mit starker, dumpfer Stimme.

      »Zweimal hat er deutlich gesprochen.«

      »Dann muß er seiner Stimme gehorchen. Groß ist«, sprach er, und ein unwillkürlicher Schauder durchzuckte ihn – »groß und schrecklich ist der Fluch, der jene trifft, die die Gebeine aus ihrer Ruhe reißen. – Ihr Volk wendet sich schaudernd, und ihre Namen sind verflucht von Geschlecht zu Geschlecht; aber wenn der Vater gesprochen hat, dann muß der Sohn gehorchen. El Sol will mit seinem Vater gehen.«

      »El Sol«, erwiderte der Greis kopfschüttelnd, »ist der Sohn des Miko und seinem Herzen sehr teuer, er hat das Blut Tokeahs in seinen Armen gehabt; aber sein Auge darf den entheiligten Hügel nicht sehen, unter dem sein Vater begraben ist.«

      »El Sol wird nicht auf die Schande seines Vaters schauen; aber er wird dem Miko folgen und will fern von dem Grabhügel Sheyahs warten, bis der Miko zurückkommt.«

      Der alte Mann gab schweigend seine Einwilligung, und der kleine Zug bewegte sich gegen Osten. Mit dem Anbruch des zweiten Tages befanden sie sich am Fuße eines Berges, hinter welchem die Flächen Georgiens sich unabsehbar gegen das Atlantische Meer hinabdehnen. Der alte Mann hatte im feierlichen Ernst den Berg erstiegen. »Sieht mein Sohn«, sprach er, als sie auf dem Gipfel angekommen waren, von dem sie eine ferne Aussicht auf die waldbekränzten, nur hie und da durch Reif versilberten Hügel hatten – »sieht mein Sohn jene hohen Hügel, die sich in einer Kette hinabwinden, und deren Füße sich immerdar in dem glänzenden Strome waschen? Sie sind noch in Nebel gekleidet; hinter diesen ist das Tal, wo die Gebeine des Vaters Tokeahs ruhen.« –

      »Mein Vater mag dann gehen«, sprach El Sol.

      »Nein, mein Sohn«, versetzte der alte Mann. »Als der Leib des Vaters Tokeahs tief gelegt ward, da sprach der große Prophet seines Volkes den Fluch über denjenigen aus, der seine Gebeine an das glänzende Licht der Sonne bringen und vor Scham erbleichen machen würde. Das Licht des Himmels darf sie nie wieder sehen; der finstern Nacht wurden sie übergeben, in der finstern Nacht müssen sie aus ihrem Dunkel gehoben werden. Tokeah will warten, bis die glänzende Kugel hinter der Welt ist.«

      Er sprach nun mit den Oconees, und diese entfernten sich, kamen aber nach einer Weile zurück, mit Rinde beladen. Sie setzten sich mit dem alten Manne nieder und fingen an, diese in die Form eines kleinen Sarges zusammenzunähen, dessen Innen- und Außenseiten sie mit den Fellen von Hirschen bekleideten, die sie den Tag zuvor erlegt hatten. Ein Strahl von Zufriedenheit überzog das erstorbene Gesicht des Greises, als er den Sarg beendigt sah. Er heftete an die beiden Enden einen breiten Riemen.

      »In der Rinde deiner Geburtswälder und im Gewande derselben Hirsche, die du gejagt hast, sollst du ruhen, Gebein meines Vaters«, sprach er.

      Und dann legte er sich zur Ruhe. Als die Nacht herangebrochen war, stand er auf, nahm den Sarg an seine Brust, und winkte den beiden Oconees, ihm zu folgen.

      Es war Mitternacht, als die drei Indianer im Tale ankamen. Der volle Mond war bisher durch einen lichten Saum leichter silberner Wolken geflogen und sank nun in eine bleifarbige, graue Schneewolke. Die Indianer bewegten sich im tiefsten Stillschweigen, längs den Ufern des Stromes, unter den blätterlosen Walnußbäumen fort. Ein leichter Schauder überfiel den armen Mann, als er sich durch die wohlbekannten Wälder seines Geburtslandes stahl; er blickte auf, starr und scheu und furchtsam, als umschwebten ihn die Geister seiner Väter. Er horchte, als hörte er ihre Stimme. Je weiter er in das Tal eindrang, desto beflügelter wurden seine Schritte. Ein entfernter Laut schlug an seine Ohren. – Es war Hundegebell. »Geist meines Vaters,« stöhnte er, »die Weißen sind deinem Grabe nahe.« – Er rannte nun, er flog dem Grabeshügel zu. Die rohe Einzäunung eines Welschkornfeldes umgab die Stätte – die liebliche Nacht der Wildnis war verschwunden, – Stengel von Welschkorn und Hülsen mit Stöcken lagen auf dem Boden zerstreut umher. Die Bäume standen blätterlos und abgestorben; ihre zum Teil rindelosen weißen Stämme starrten wie in Grabtücher gehüllte Riesen in das zuckende Antlitz des Wilden. »Geist meines Vaters!« rief er; »Geist meines Vaters!« jammerte er in unsäglichem Schmerze. »Wo sind die Gebeine, die deine Stärke ausmachten, und von denen die Gebeine Tokeahs sind?« Das Erdreich rings um die Bäume, deren kahle, im blassen Mondlichte zum Himmel emporstrebende Äste die Verwüstung anzuklagen schienen, war durch den Pflug aufgerissen. Der Greis fiel bewußtlos zur Erde. Seine Gefährten sprangen herbei, ihn aufzurichten. »Hinweg! weg«, murmelte er mit dumpfer Stimme. – »Hinweg von dem Grunde, wo ein mächtiger Miko begraben liegt! Tokeah will seine Gebeine allein ausgraben.«

      Und mit seinen Händen grub er nun den halb gefrornen Boden auf. Der Kiesel schnitt in seine erstarrten Palmen, das Blut floß von

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