Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
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»Wir würden Bedenken tragen, nachstehendes in unser Blatt aufzunehmen – das ist so eine gewöhnliche Formel«, unterbrach er sich. – »Bedenken tragen – die Wichte Bedenken tragen, wenn uns«, fuhr er fort, »die Wahrheit der berührten Daten nicht durch respektable Autoritäten verbürgt und wir nicht auch zugleich der Hoffnung wären, durch ihre Verbreitung nützlich zu werden und Licht und Aufklärung über einen Vorfall zu verbreiten.«
»Licht und Aufklärung über einen Vorfall verbreiten«, kommentierte er. »Er will Licht und Aufklärung über sie verbreiten. Das ist übrigens ganz recht, und es läßt sich gar nichts dawider sagen. Nur unsere Neger muß man nicht aufklären wollen.«
Das Mädchen hatte aufmerksam zugehört. »Die Worte sind süß, aber in seinem Herzen spricht er bitter«, sagte sie leise und unwillig.
»Je nun, was die Indianer betrifft, da macht er freilich keine Komplimente; aber wer wird auch die mit einem Wilden machen? Wäre ungeräumt.« Er las weiter.
»Vor etwa vierzehn Jahren, in einer stürmischen Dezembernacht, stürzte plötzlich eine Horde Indianer von dem Volke der Creeks an die Behausung eines unserer Bürger, der damals im Staate Georgien, am Flusse Coosa, als von der Regierung autorisierter Zwischenhändler lebte. Aus dem Schlafe aufgeschreckt, öffnete er noch gerade zu rechter Zeit die Türe, um einen gewaltsamen Einbruch zu verhüten. Es war die Schar des berüchtigten Tokeah, der durch seine Greuel und Schreckenstaten die Langmut unserer Bürger und Regierung so sehr ermüdet, und, nachdem er sein Land verkauft, durch Gewalttaten aller Art das westliche Georgien unsicher gemacht. Die Familie, den unbändigen Sinn des Wilden wohl kennend, erwartete nichts Geringeres als augenblicklichen Tod; sei es jedoch, daß seine Raub- und Mordgier bereits durch frühere Opfer gesättigt –«
»Der Miko«, fiel ihm Rosa mit einer Heftigkeit ein, die den kleinen Mann stutzen machte, »der Miko ist kein Dieb, kein Räuber, kein Mörder. Er hat nicht sein Land verkauft. Es ist ihm gestohlen worden. Er hat nicht das Messer an die Brust meiner Milchmutter gesetzt. Er hat ihr für das, was Rosa bei ihr genossen, Felle bezahlt. Er hat Rosa nicht gestohlen. Er hat den Pfeil bittern Hohnes nie so tief in ihr Herz gedrückt, als –«
»Nun, ich will nicht streiten, Missi. Es ist immer schön, daß Sie selbst eines Wilden Partei nehmen. Ja, ja – hm, – aber der Schluß ist recht gut.«
»Wir enthalten uns aller weitern Bemerkungen bis zur gerichtlichen Aufklärung dieses mysteriösen Verhältnisses, wünschen jedoch, es möge etwas von den Angehörigen des unglücklichen Kindes, das nun hilflos und verwaist und verwahrlost in die Welt hinausgestoßen ist, entdeckt werden, und falls diese nicht mehr am Leben wären, daß sich irgendeine mitleidige Seele desselben erbarmen möge. Wir ersuchen deshalb unsere Mitredaktoren, besonders französische und spanische, daß sie dieser Anzeige eine Aufnahme in ihre respektablen Blätter gönnen und so einer Tatsache Publizität geben, die wahrscheinlich unsäglich Trauer und Jammer in irgendeiner französischen oder spanischen Kreolenfamilie verursacht hat.«
»Rosa«, sprach sie bebend, »ist arm. Sie ist den Weißen nichts wert. Aber sie ist dem Miko wert und teuer. Sie geht zu ihm und wird den Weißen nicht beschwerlich fallen.«
»Sie, Miß, zu den Indianern zurückkehren? Eine Wilde werden? das wäre wirklich schade. Sie wollen?« fragte der Pflanzer verwundert.
»Aber mein Gott, was habt ihr denn?« rief Mistreß Parker, die von Gabrielen in der Angst ihres Herzens herbeigeholt worden war.
»Nichts«, versicherte der Onkel, »bloß das Zeitungsblatt. Sie will zu den Indianern zurück, und ich sage ihr, sie täte besser, wenn sie irgendwo unterzukommen trachtete.«
»Aber, Mister Bowditch,« rief die Dame unwillig, »wie können Sie sich doch solche Familiaritäten mit unsern Gästen erlauben!«
»Ich weiß aber nicht, was ihr da für ein Wesen macht. Sie ist doch nur ein armes Kind, und Oberst Parker selbst hat mir gesagt –«
Indem trat ein Bedienter ein. »Madame, ein sonderbarer Besuch – zwei der Indianer.«
»Sie kommen um Rosa. Lebe wohl, teure Mutter! Lebet wohl, Virginie und Gabriele!« rief sie.
»Miß, wohin wollen Sie?« schrie die erschrockene Dame. Doch sie war schon verschwunden. Wie eine Verfolgte flog sie durch den Korridor auf die beiden Cumanchees zu und mit diesen über das Bayou, so schnell als sie konnte, zum Gasthofe. Sie stürzte die Stiegen hinan und warf sich mit unendlicher Angst an den Hals des Miko, gleichsam als wollte sie ihn festhalten, damit er ihr nicht entrissen würde. »Armer gefangener Löwe«; flüsterte sie. »Arme Rosa, sie ist nichts wert; die Weißen haben sie mit Hohn verstoßen. Arme Rosa.« Einige Male waren ihr die Worte entschlüpft, als der alte Häuptling aufmerksam wurde und sie forschend ansah.
»Wie meint meine weiße Rosa dies?« fragte er. »Was ist der Löwe? Wer ist er?«
»Der Löwe ist eine grimmig wilde Katze, die alles tötet, und die von den Weißen gefangen und in einen eisernen Käfig gesperrt wird, wo sie dann ihrer Qual in der Gefangenschaft spotten. Sie heißen alle Gefangenen Löwen. Das ist Sprachgebrauch.«
»Und Rosa ist nichts wert?« fragte El Sol. »Wie meint meine teure Schwester dies?«
»Nichts wert sind bei den Weißen alle diejenigen, die nicht viele Dollars oder viel Gold haben.«
»Dann mag meine Schwester den Weißen sagen, daß Rosa mehr wert ist, als sie; daß sie alles Gold und alle Dollars der Cumanchees besitzt, daß El Sol und die Seinigen freudig all ihr gelbes und weißes Metall hergeben wollen, wenn es ein Lächeln auf ihrem Gesichte hervorbringt. Rosa muß den Weißen sagen, daß sie mehr silberne Dollars, mehr Gold besitzt, als viele Pferde tragen können. Sowenig der Miko und sein Sohn gefangene wilde Katzen sind, so wenig ist Rosa nichts wert. Sie ist mehr wert, als die Weißen.«
Das Mädchen sah den Häuptling, der heftig geworden war, gerührt an. »El Sol«, lispelte sie ihm zu, »ist mein Bruder, Rosa will ihm die teure Schwester sein.«
Der alte Mann war unterdessen aufgestanden und einige Male in der Stube auf und ab geschritten. Er horchte, eilte an die Türe, zum Fenster, er fing an, sich schneller zu bewegen. Im anstoßenden Zimmer wurden mehrere Stimmen gehört, und das Getöse vom Ufer und das Trommeln vor dem Wachthause verkündeten eine Bewegung unter den zurückgebliebenen Milizen, die alle in Reih' und Glied standen. Auf einmal setzten sie sich in Marsch und zogen dem Ufer zu. Das Gezische des entquellenden Dampfes verriet ihren Abzug auf dem Dampfboote. Die Augen des alten Mannes fingen an zu funkeln. Er sah starr auf die im Fackelschein sich fortbewegenden Massen, rannte wieder zur Türe und horchte. Beinahe schien es, als ob er fühle wie der König der Tiere, der, in seinem eisernen Käfig eingesperrt, rastlos vor- und rückwärts trabt und durch die Spalten seines Gefängnisses späht und einen Ausgang zu erlauern trachtet.
»Die weißen Krieger«, rief er plötzlich mit freudefunkelnden Augen, »sind gegangen. Hört mein Sohn das Kochen des feuerspeienden Kanus? Tokeah will nun gehen zu erfüllen, was ihm der große Geist hat zuflüstern lassen. Diese Nacht«, sprach er zu Rosa, »werden die roten Männer die Wigwams der Weißen verlassen; zu lange sind sie schon von ihnen im Käfig gefangen gehalten worden.«
»So laß uns eilen«, rief Rosa.
»Nein, meine Tochter kann nicht mitgehen,« erwiderte er; »der Pfad ist rauh, der Miko muß eilen, damit