Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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und er ist frei. Erbarmen Sie sich unser. Seit seiner Verhaftung haben wir keine zehn Pinten verkauft. Alles scheut uns, alles hat sich vor uns zurückgezogen. Es ist ein grausames Land dieses. Statt uns in unserem Unglücke beizuspringen und aufzuhelfen, drücken sie immer nur tiefer hinab.«

      »Es ist kein Frankreich, noch ein Spanien«, versetzte die Dame ernst.

      »Leider, nein!« jammerte die Französin.

      »Da dürfte vom Volke allerdings die Befreiung eines Staatsverbrechers als verdienstlich angesehen werden, weil sie niemanden gefährdet als den Gewalthaber; hier ist es Verrat an der Menschheit, an allen Bürgern – und es freut mich, daß diese so viele öffentliche Tugend besitzen, um ihren Abscheu auf alle Weise zu erkennen zu geben.«

      Die Oberstin erhob sich nun von ihrem Sitze, und ein leichtes Kopfnicken gab der Frau zu verstehen, daß sie entlassen sei.

      Rosa hatte sich zum Fenster geschlichen und der sich entfernenden Französin nachgesehen.

      »Ach, Mutter! lasse doch das trostlose Weib nicht so von dir« – bat sie, ihre Hände bekümmert faltend.

      »Miß Rosa!« erwiderte die Dame etwas vornehm: »Wollen Sie gefälligst« – sie deutete auf Gabrielen, zu der das Mädchen verschüchtert schlich.

      »Es sind fürchterlich gräßliche, in Grund und Boden verdorbene Menschen, diese Ausländer«, seufzte die Frau, indem sie sich wieder setzte. »Wann wird doch einmal diese so schrecklich mißbrauchte Gnadentüre sich schließen, dieses Asyl, das unsere bluterkaufte Freiheit« –

      Sie hielt inne und sah den jungen Copeland forschend an – von dem als Aufseher der Pflanzung und Sohne des alten Squire Copeland unsere Leser gehört haben.

      »Das wollte ich auch wieder nicht«, fiel ihr dieser rasch ein. »Diese Menschen da schaden unsern Bürgern nicht, sie geben kein böses Beispiel, weil sich niemand nach ihnen kehrt; aber ihnen unsere Türe zutun, würde heißen, auch die Guten ausschließen, in andern Worten, die Alien bill mit all ihrem Triebwerke wieder in Gang bringen. Das wäre unsern Tories just recht.«

      Er sah die Dame scharf an. –

      »Laßt uns weiter in unserm Rechnungsabschlusse«, bemerkte sie mit einiger Verlegenheit.

      Diese Verlegenheit, in welche sie der kleine Verrat gesetzt, den ihr die Zunge gespielt, indem sie sich einen der heißesten Torywünsche in Gegenwart des jungen Copeland entschlüpfen ließ, verließ sie erst beim Eintritte des Kapitäns, der ungefähr nach zehn Minuten erfolgte.

      »Mein Bruder«, kam ihm Rosa, noch immer über die jammernde Französin sinnend, entgegen. »Dein Gesicht ist heiter. Du bringst fröhliche Botschaft. Und ist der Brite nun wirklich frei, und zürnt er nicht mehr, und ist« –

      »Miß Rosa!« fiel ihr die Oberstin ein, »Sie fragen für eine junge Dame zu viel. Auch haben Sie wieder vergessen«–

      »Leider!« versetzte diese, »kann Rosa sich nicht angewöhnen, zu ihrem Bruder zu reden, als wenn ihrer zwei wären.«

      »Ich glaube wirklich,« versicherte sie der Kapitän, »Miß Rosa verkünden zu dürfen, daß er, an dem sie so unverdiente Teilnahme nimmt, gänzlich frei ist.«

      »Ihr Schützling scheint Sie sehr in Anspruch genommen zu haben«, bemerkte Virginie etwas spöttisch. »Das liebe Altengland wird es Ihnen Dank wissen.«

      »Ich hoffe, auch das neue,« sprach der Kapitän etwas ernst, »und selbst Miß Virginie dürfte mir Gerechtigkeit und vielleicht auch einigen Dank widerfahren lassen.«

      »Ich bin ganz Amerikanerin,« versetzte diese etwas spröde, »und was ich von England gesehen habe, ist wahrlich nicht geeignet, mich weniger stolz auf mein Land zu machen. Ich behalte meinen Dank ganz meinen Landsleuten vor.«

      »In diesem Punkte«, fiel der junge Copeland ein, »dürfte Kapitän Percy wirklich auf Ihren Dank, Miß Virginie, sowie auf den unsrigen Anspruch zu machen berechtigt sein; denn er hat uns eine Schamröte erspart.«

      »Ich habe bloß meine Schuldigkeit getan, Mister Copeland«, bedeutete er dem jungen Manne etwas vornehm. »Es scheint jedoch, daß noch jemand anders mehr als seine Schuldigkeit getan habe.«

      »Die Ehre seines Landes zu wahren, sollte ich glauben, ist Schuldigkeit für jeden; da brauchen wir nicht Männer dafür zu bezahlen. Wir können es selbst tun«, sprach der junge Mann trocken.

      »Wie soll ich das verstehen?« fragte die Dame den Kapitän.

      »Sie wissen, teure Mutter,« versetzte dieser, »die Order des Generals traf vorgestern ein, kaum drei Tage nach unserer Untersuchung.«

      »Ich sollte meinen, die Zeit wäre hinlänglich, sie zweimal hinab und herauf passieren zu lassen.«

      »In gewöhnlichen Zeiten, nicht in diesen,« versetzte ihr der Kapitän bedeutsam; »der junge Mensch scheint unten Freunde gefunden zu haben und in Gnaden zu stehen, so daß Kapitän Percy vielleicht selbst es wagen dürfte, ohne Anstoß zu geben –«

      »Ihm einige Güte zu erweisen«, fiel der junge Copeland ein. »Er verdient auch einige. Wenigstens hat sein Betragen gegen die Indianer und den armen Pompey ihn als einen warmherzigen, festen jungen Menschen erwiesen. Und haben Sie ihm ja etwas Gutes erzeigt, Kapitän, so ist dies wirklich nicht Ihre schlechteste Handlung.« Und mit diesen Worten packte der Jüngling seine Bücher und Schriften zusammen und verließ, mit einer leichten Verbeugung gegen die Damen, den Salon.

      »Rätsel und wieder Rätsel«, sprach die Oberstin. »Was haben Sie doch mit dem jungen Copeland, und was hat dieser mit dem jungen Briten zu tun?«

      Der Kapitän hatte diesem schweigend und kopfschüttelnd nachgesehen. »Ich weiß selbst nicht, was der junge Mensch will. Übrigens sind mir meine Herren Mitoffiziere« – sein Gesicht verzog sich in ein unwillkürliches Hohnlächeln, »ein Rätsel. Hören Sie nur, Kapitän Miko Broom hat sich gestern in eigener hoher Person herbeigelassen, den jungen Briten bei der Tafel aufzuführen, und alle haben ihm recht generös ihre Börsen angetragen.«

      »Eine Aufmerksamkeit, über die ich Ihnen vielleicht einen Aufschluß zu geben vermag«, erwiderte die Oberstin. »So viel ich weiß, hat der Bruder unseres Aufsehers, der Leutnant, seinem Vater das Resultat des letzten Verhörs geschrieben.«

      »Aha!« fiel ihr der Kapitän ein. »Nun verstehe ich – und der allmächtige Major hat sein gnädiges Fürwort eingelegt, und der junge Brite ist nun von den Söhnen hoch protegiert und natürlich von der ganzen Mannschaft des lieben Opelousas.«

      »Ein guter Kredit bei seinen Mitbürgern ist viel wert, lieber Kapitän«, sprach die Dame mit einem halben Seufzer.

      Diesem schwebte noch die Antwort auf den Lippen, als eine Ordonnanz eintrat und ihm ein versiegeltes Paket übergab. Zugleich gingen die Flügeltüren auf, und die Worte: »Onkel, Cousinen«, begrüßten einen Zug junge Damen, die, von einem ältlichen Manne begleitet, in den Saal eintraten.

      Sie wurden von der Oberstin herzlich, aber auch etwas stattlich empfangen. Ohne auf die Beweglichkeit der drei übereleganten Misses oder die Ungeduld des Onkels Rücksicht zu nehmen, ging sie alle Formen der etwas zeremoniösen Aufführung sowohl Rosas als des Kapitäns durch, obgleich ihre Gäste von beiden nicht besonders Notiz zu nehmen schienen.

      Vierunddreißigstes

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