Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
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»Das ist ja schrecklich«, riefen mehrere mit einem Schauder, der wieder in einem brüllenden Gelächter endigte.
»Ja, das war es auch; aber wir sprangen, als wir die Vögel so singen hörten, beide zugleich aus dem Bett, als ob der Donner dreingefahren wäre. Master James, der wollt' es anfangs nicht glauben; aber dann horchte er selbst an der Türe, und durch die Spalte sah er ihrer drei in der Stube, ihre Stutzen in der Hand und ihre Messer auch, und auf unsere Türe schauten sie so grimmig, da sprangen wir beide zugleich aus dem Fenster auf gut Glück.«
»Und ihr zwei Schafsköpfe habt in allem Ernst Mistreß Blunt für eine Räuberin und ihre Söhne für Räuber gehalten?« fragten ein Dutzend zugleich.
»Bei allen Mächten!« rief der Irländer in verwirrtem Staunen, »wie meint ihr das?«
»Und die Hirsche, die sie in der Nacht zu jagen ausgingen, auf Euch gedeutet?« fragten andere zwanzig, »und die geschlachteten Schweine für gemordete Menschen angesehen? und Euer gescheiter Kompagnen, der Midshipman im ›Donnerer‹ Sr. britischen, allerexzellentesten Majestät, hat sich auch aus dem Fenster salviert?« fragte ein dritter Haufe.
»Ach, der sprang,« rief der Ire, in dessen neblichtem Gehirn es allmählich zu tagen anfing, »der sprang, als ob der Donner in den Maienmast hineingeschlagen hätte. Flugs war er durchs Fenster; aber der arme Gentleman war aus'm Regen in die Traufe gekommen und schrie, als ob er am Spieße steckte; er war einem brummenden Bären in den Rachen gelaufen.«
Zweiunddreißigstes Kapitel
Unsere Leser werden aus dem verworrenen Bericht des Irländers entnommen haben, daß unser britischer Held, gerade wie er mit seinem schwarzen Gefährten von der Straße in den Wald einzulenken im Begriffe stand, von diesem entdeckt und mit irischer Zudringlichkeit um so weniger losgelassen wurde, als er gleichfalls die Ehre hatte, ein Teer zu sein. – Auf dem Irrzuge, den sie nun miteinander antraten, war der Irländer auf die erste Pflanzung, die an seinem Wege lag, mit echt irischer Unverschämtheit Sturm gelaufen, um mittelst seiner französischen Sprachkenntnis sich und seinen beiden Kompagnons eine kleine Magenunterlage, wie er es nannte, zu verschaffen. Der Ire war in seiner Anrede an den Kreolen natürlich im Parlez-vous français stecken geblieben und hatte auf sein weiteres, im rauhen irischen Dialekte vorgebrachtes Kauderwelsch ein » je n'entends pas, ich versteh' nicht« zur Antwort erhalten. Als er zudringlicher wurde, ließ ihn der Kreole, wie es zu erwarten stand, im Glauben, er werde zum besten gehalten, aus dem Hause werfen. Das lächerlichste dabei war jedoch der Umstand, daß der Junge noch immer nicht begreifen konnte, warum der Kreole seinen irischen groben Dialekt nicht für bar französisch verstehen wollte, nachdem er doch sein Parleh fouhs frenseh, Monsiehour, das sich in seinem Gehirn festgesetzt, dafür erkannt hatte.
Der zweite Versuch unserer Abenteurer war nicht weniger betrübt ausgefallen. Vor einem Hinterwäldlerhause angekommen und daselbst mitleidig aufgenommen, hatte ihre aufgeregte Phantasie die abgetanen Schweine für geschlachtete Menschen angesehen und das Reden der sich auf eine nächtliche Hirschjagd vorbereitenden Söhne des Hauses ihre Gehirnkammer so gänzlich in Aufruhr gebracht, daß sie, um ihre Haut zu retten, in gerechtem Entsetzen bei Nacht und Nebel aus Bett und Fenster sprangen, wobei unser Midshipman noch das Unglück hatte, einem jungen Bären, der, wie dies häufig der Fall ist, zur Mästung an einer Kette lag, in die Tatzen zu geraten und so festgehalten zu werden, bis sein Hilferuf endlich die drei Söhne des Hauses herbeilockte.
Auf unsern Briten nun hatte der Auftritt eine seltsame Wirkung. Er besaß bei vielem Mute auch eine reichliche Gabe jenes kalten, höhnenden Übermuts, den die aristokratischen Jünglinge des Mutterlandes so unvergleichlich in Worten und Gebärden an den Tag zu fördern verstehen, jenen kalten, selbstischen Übermut, auf den John Bull sich so viel zugute tut, und der ihm vielleicht mehr genützt hat im gewaltsamen und friedlichen Verkehre mit seinen gefügigern und schlichten Nachbarn, als sein wirklicher Mut, der aber gewöhnlich den Kürzern zieht im Verkehre mit seinem kalten, starren Verwandten. So sehr er sich nun in dem Spotte gefallen hatte, den er ziemlich derb bei jeder Gelegenheit über die sogenannten Yankees ausgegossen hatte, so schien ihm doch die Notwendigkeit nicht einzuleuchten, die kleine Züchtigung, die er sich selbst zugezogen, mit Anstand zu ertragen. Schon daß er, ein Midshipman im »Donnerer«, vor einen bunten Haufen Yankees gebracht worden war und da sein Verhör bestehen mußte, war ein Umstand, der ihm, der sich seine Richter nie ohne die gehörigen Perücken oder wenigstens goldene Epaulettes denken konnte, mit Schauder erfüllte; daß aber eben diese Yankees in ihrer plebejischen Frechheit so weit gehen und einen britischen Offizier, der die Leutnantschaft gewissermaßen in der Tasche hatte, zum Gegenstande ihres Gelächters machten, überstieg sein Kapazitätsvermögen so sehr, daß wir ihn, den fröhlichen Jungen, der bisher in guten und schlimmen Lagen sich so wacker und launig bewiesen, kaum mehr erkennen würden, hätten wir nicht den Schlüssel zu dieser seltsamen Verwandlung im Nationalcharakter besagten John Bulls.
Er stand nun infolge seiner Entweichung und der durch Rosa und die Indianer gegebenen Aufklärungen abermals im Verhöre, das der Kommandant des Depots sogleich nach der Übung zusammenberufen hatte. So sehr dieser von seiner Unschuld überzeugt sein mochte, so konnte er doch nicht umhin, bei dem Vernehmen des jungen Mannes alle jene Genauigkeit und selbst Strenge blicken zu lassen, die ebenso die Unschuld des Jünglings, als seine eigene Unparteilichkeit dartun sollte. Ein schleuniges Verfahren war um so nötiger, als, trotz der einleuchtenden Unschuld des Verdächtigten, Gefahr im Verzug obwaltete. Selbst der Umstand, daß ein Bewohner des Städtchens mit in seine Entweichung verwickelt war, erschien von einer um so größeren Bedeutung, als wirklich mehrere sehr gefährliche Verschwörungen von Ausländern in der Hauptstadt entdeckt worden waren. Allein der Kapitän fand in dieser seiner menschenfreundlichen Bemühung, den jungen Mann so schnell als möglich aus seiner kritischen Lage zu reißen, nicht geringe Schwierigkeit in diesem, der es recht darauf angelegt zu haben schien, seine gute Sache selbst zu verderben. Der junge Mann hatte den Kopf gänzlich verloren und schon bei seinem Eintritte in die Verhörstube dieses durch einen Trotz, eine Hintansetzung alles Anstandes bewiesen, der die sämtlichen Offiziere mit Unwillen erfüllte. Im Verlaufe des Verhörs sah sich der Kapitän einigemal genötigt, ihn ernstlich zurechtzuweisen. Das Verhör hatte bereits mehrere Stunden gedauert, ohne ein Resultat zu ergeben. Selbst die Frage, ob er mit einem der Einwohner des Städtchens im Einverständnisse gewesen, wollte er, trotz des Flehens dieser, nicht beantworten. Mehrere waren bereits mit ihm konfrontiert worden und unter diesen unser Schenkwirt, den wir unter dem Namen Benito kennen. Die Offiziere schritten nun zum letzten Punkte, nämlich der Konfrontation mit den Indianern. Zuerst wurde Rosa eingeführt.
»Ihr bekennt also nicht, daß Ihr mit Tokeah und den Seinigen in Verbindung gestanden seid?« fragte Kapitän Percy.
»Der Gefangene gab ein verdrießliches »nein« zur Antwort.
»Kennt Ihr diese junge Dame?« fragte der Kapitän.
Rosa war an der Hand zweier Offiziere durch die geöffnete Türe eingetreten. Sie verneigte sich sittsam vor den Anwesenden, die ihrerseits aufstanden und sie baten, sich auf den Sessel niederzulassen, den einer der Offiziere für sie hinstellte. Sie hatte jedoch den Gefangenen kaum ersehen, als sie auf ihn zutrat, und, seine Hand erfassend, ihn fragte: »Mein Bruder! Du bist sehr blaß; wer hat dir etwas