Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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Am folgenden Tage erbarmte sich der Himmel seiner oder die Windrichtung. Er war schon porös geworden wie ein Schwamm und klammerte sich an die Seiten der Kiste verzweifelt fest, wie ein Ertrinkender in Todesangst. Da trieb er an das Ufer der Insel Korfu, wo von ungefähr ein armes Weib ihre Töpfe mit Sand und Seewasser scheuerte. Wie sie ihn und seine Arche schwimmen sah und keine deutliche Gestalt unterscheiden konnte, fürchtete sie sich und lief schreiend davon. Er selbst hatte nicht die Kraft zu sprechen oder auch nur zu sehen, sodass er ihr nichts sagen konnte. Doch wie ihn die Wogen ans Ufer spülten, ward das Weib erstlich die Kiste gewahr, dann die Arme, die sie umschlangen, hernach das Menschengesicht, und erriet nun endlich das Ganze. Vom Mitleid bewogen, watete sie ein wenig ins Meer hinaus, das sich schon beruhigt hatte, und zog ihn bei den Haaren samt der Kiste ans Land, wo sie mit Mühe seine Arme von ihr losmachte. Die Kiste ließ sie von ihrer Tochter, die bei ihr war, auf dem Kopfe tragen. Sie selbst trug Landolfo wie ein Kind auf ihren Armen nach Hause und brachte ihn in eine Badestube, wo sie ihn so lange rieb und mit warmem Wasser wusch, bis die erloschene Farbe sich auf seinen Wangen wieder einstellte und die verlorenen Kräfte allmählich wiederkamen. Wie sie glaubte, dass es Zeit wäre, nahm sie ihn aus dem Bad und erquickte ihn mit etwas gutem Wein und Backwerk und bewirtete ihn, so gut sie konnte, einige Tage, bis er wieder zu Kräften und völliger Besinnung kam, worauf sie es für Pflicht hielt, ihm seine Kiste, die sie geborgen hatte, wieder zuzustellen und ihm zu sagen, dass er nun wieder für sich selber sorgen könne. Er wusste zwar von keiner Kiste, doch nahm er sie gern an, wie die gute Frau sie ihm darbot, weil er dachte, sie müsste wenig wert sein, wenn sie ihm nicht einmal auf einen Tag zu seiner Zehrung verhelfe. Wie er sie aufhob und sehr leicht befand, verging ihm beinahe diese Hoffnung. Doch einst, wie die gute Frau nicht zu Hause war, erbrach er sie, um zu sehen, was darin wäre, und fand, dass sie eine Menge köstlicher Steine, gefasste und ungefasste, enthielt, von denen er einigermaßen ein Kenner war, und fand, dass sie von großem Werte waren. Er dankte dem Himmel, der ihn noch nicht verlassen hatte, und ward recht guten Muts. Weil ihn aber das Glück nun schon zweimal an der Nase herumgeführt hatte, so traute er ihm das dritte Mal nicht, sondern hielt für nötig, es sehr vorsichtig anzufangen, diese Kostbarkeiten nach Hause zu bringen. Er wickelte sie in alte Lumpen und sagte zu seiner Wirtin, er könnte die Kiste nicht mehr brauchen, sondern bäte sie, ihm lieber einen Sack dafür zu geben, was die gute Frau herzlich gerne tat. Er dankte ihr darauf innig für die Wohltat, die sie ihm erwiesen hatte, nahm seinen Sack auf den Buckel, fuhr in einem Boot hinüber nach Brindisi und wanderte längs der Küste fort bis nach Trani, wo er einige Tuchhändler fand, die seine Landsleute waren, die ihn aus Barmherzigkeit kleideten, nachdem er ihnen alle seine Begebenheiten, die mit der Kiste ausgenommen, erzählt hatte, ihm außerdem ein Pferd liehen und ihn bis nach Ravello geleiteten, wohin er zurückzukehren wünschte. Als er nun hier in Sicherheit zu sein glaubte, dankte er Gott, der ihn zurückgeführt hatte, öffnete sein Bündel und fand bei genauer Untersuchung, dass er so viele und köstliche Steine besaß, dass er, wenn er sie auch unter ihrem Wert verkaufte, doppelt so reich war als damals, da er ausreiste.
Nachdem er Mittel gefunden hatte, seine Schätze zu Geld zu machen, schickte er eine schöne Summe nach Korfu, um der guten Frau ihre Dienste zu belohnen, die ihn aus dem Wasser gezogen hatte, und auch nach Trani an diejenigen, die ihn gekleidet hatten. Den Rest behielt er, ohne sich fürder um Geschäfte zu bekümmern, und lebte hochangesehen und im Wohlstand bis an sein Ende.
FÜNFTE NOVELLE
Andreuccio von Perugia kommt nach Neapel, um Pferde zu kaufen. In einer Nacht begegnen ihm dreierlei Unglücksfälle, aus welchen allen er glücklich entkommt und mit einem Rubin wieder nach Hause geht.
Bei den Edelsteinen, die Landolfo fand – begann Fiametta, an der die Reihe des Erzählens war –, fällt mir eine Geschichte ein, die nicht weniger von Gefahren wimmelt als die von Lauretta erzählte. Der Unterschied ist aber der, dass jene sich innerhalb vieler Jahre, diese sich aber in einer einzigen Nacht zutrugen, wie ihr sehen werdet.
Es war, wie man erzählt, in Perugia ein junger Mann namens Andreuccio di Pietro, ein Pferdehändler, der hörte, dass in Neapel treffliche Pferde zu bekommen wären. Er steckte eine Börse mit fünfhundert Goldgulden zu sich, und weil er noch nie aus seiner Vaterstadt gekommen war, reiste er mit einigen anderen Kaufleuten dahin. Er kam an einem Sonntag um die Vesperzeit an, erkundigte sich bei seinem Wirt, wo der Pferdemarkt wäre, und ging am folgenden Morgen hin, besah eine Menge Pferde, fand einige, die ihm gefielen, handelte bald über das eine, bald über das andere, ward aber mit niemandem über den Preis einig und ließ unterdessen, um zu zeigen, dass er kaufen und auch bezahlen könne, jung, unvorsichtig und unerfahren wie er war, seine Börse in Gegenwart aller, die hin- und hergingen, sehen. Indem er so stand