Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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Читать онлайн книгу Das Dekameron - Giovanni Boccaccio страница 19
Zum Unglück stand nicht weit davon einer von seinen florentinischen Mitbürgern, der den Martellino sehr gut kannte, und wie er ihn, nachdem er sich ganz aufgerichtet hatte, gewahr ward, überlaut zu lachen anfing und sagte: „Dass doch der Henker den Kerl! Wer sollte nicht gedacht haben, wie er herkam, dass er wirklich gichtbrüchig wäre?“
Dieses hörten einige Leute aus Treviso und fragten, ob der Mensch denn wirklich nicht gichtbrüchig wäre.
„Gott bewahre!“ sprach jener, „Er war immer so gerade wie der Beste von uns, aber er versteht besser als irgendein anderer Gaukler die Kunst, sich eine jede Gestalt zu geben, wie ihr wohl gesehen habt.“
Wie dieses ruchbar ward, brauchte es nichts weiter, um den Pöbel aufzubringen, der hinzustürmte und schrie: „Greift den Schelm, den Spötter Gottes und seiner Heiligen, der so gesund ist wie wir und den Gichtbrüchigen mimt, um uns und unseren Heiligen zu verspotten.“
Mit diesen Worten ergriffen sie ihn, zogen ihn von dem Gerüst herunter, zerrten ihn bei den Haaren, rissen ihm die Kleider vom Leibe und bearbeiteten ihn mit Faustschlägen und Rippenstößen – kurz, man schien zu glauben, wer ihm nicht eins versetzte, der könnte kein braver Kerl sein. Martellino bat zwar um Gottes willen um Barmherzigkeit und wehrte sich dabei seiner Haut, so gut er konnte, allein es half alles nichts, und die Faustschläge und Fußtritte fielen immer dichter. Wie Stecchi und Marchese dies gewahr wurden, fürchteten sie, es möchte ein schlimmes Ende nehmen, und da sie für sich selbst besorgt waren, so durften sie es nicht wagen, ihrem Kameraden zu Hilfe zu kommen. Im Gegenteil schrieen sie so laut wie die Übrigen: „Schlagt ihn tot, den Hund!“ Doch sannen sie im Stillen auf ein Mittel, ihn den Händen des Pöbels zu entreißen, der ihn gewiss getötet hätte, wenn nicht Marchese beizeiten auf einen glücklichen Einfall gekommen wäre. Dieser, der bemerkt hatte, dass die ganze löbliche Polizei zugegen war, ging, so eilig er konnte, zu dem vom Stadtvogt bestellten Kommandanten und rief: „Helft um Gottes willen! Hier ist ein Spitzbube, der mir meinen Beutel mit mehr als hundert Goldgulden gestohlen hat; ich bitte Euch, lasst ihn festnehmen, damit ich das Meinige wiederbekomme.“
Den Augenblick liefen ein Dutzend Häscher dahin, wo man dem armen Martellino den Pelz wusch. Mit knapper Not gelang es ihnen, den zusammengerotteten Pöbel zu zerstreuen und ihm den Martellino, übel misshandelt und zerzaust, aus den Händen zu reißen. Sie brachten ihn nach dem Rathause, wohin ihm viele von denen nachfolgten, die sich für beleidigt hielten. Wie sie hörten, dass man ihn als einen Beutelschneider eingezogen hatte, glaubten sie, sie könnten ihn nicht besser an den Galgen bringen als durch ähnliche Beschuldigungen, und ein jeder fing an zu schreien, er sei auch von ihm bestohlen worden. Wie dies der Richter hörte, der ein gestrenger Mann war, ließ er ihn gleich ins heimliche Verhör bringen und fing an, ihn zu befragen. Martellino antwortete ihm mit lauter Scherzreden und schien sich aus seiner Verhaftung nichts zu machen, worüber der Richter aufgebracht ward, ihn auf die Folter spannen und ihm einige tüchtige Hiebe geben ließ, um ihn zum Bekenntnis zu bringen und ihn dann hängen zu lassen. Wie man ihn wieder aufstehen ließ und der Richter ihn fragte, ob es wahr sei, was man gegen ihn vorbrächte, und Martellino wohl merkte, dass das bloße Leugnen ihn nicht retten würde, sprach er: „Mein Herr, ich bin bereit, Euch die Wahrheit zu bekennen. Fragt aber vorher einen jeden Eurer Ankläger, wann und wo ich ihm seine Börse gestohlen habe, so will ich Euch hernach sagen, was ich getan habe und was nicht.“
Der Richter war es zufrieden und ließ einige von den Klägern rufen. Der eine sagte, er hätte ihm vor acht Tagen, der andere vor vier und wieder ein anderer, er hätte ihm heute seinen Beutel genommen. Wie dieses Martellino hörte, sprach er: „Mein Herr, alle diese Menschen lügen in ihren Hals, und das kann ich Euch leicht beweisen, denn wollte Gott, ich wäre so gewiss nie in Eure Stadt gekommen, als ich bis vor wenigen Stunden meinen Fuß nicht hierher gesetzt habe und zu meinem Unglück gleich bei meiner Ankunft hingegangen bin, den heiligen Leichnam zu sehen, wobei man mich so abgedroschen hat, wie Ihr mich seht. Dass dieses wahr sei, kann Euch der Torschreiber mit seiner Rolle beweisen, und auch mein Hauswirt, wenn‘s nötig ist. Wenn Ihr demnach findet, dass ich Euch die Wahrheit sage, so bitte ich Euch, mich nicht diesen gottlosen Lumpen zu Gefallen martern und töten zu lassen.“
Indem die Sache so stand und Marchese und Stecchi hörten, dass der Richter dem Martellino hart zusetzte und ihn schon gefoltert hätte, ward ihnen bange und sie dachten: „Wir haben einen dummen Streich gemacht und bringen unseren Kameraden aus der Pfanne auf die Kohlen.“ Sie eilten demnach geschwind zurück zu ihrem Wirt und erzählten diesem den ganzen Verlauf der Sache. Er lachte über die Geschichte und brachte sie zu einem gewissen Sandro Agolanti, der in Treviso wohnte und viel bei dem Landesherrn galt, welchem er alles in gehöriger Ordnung erzählte und nebst den anderen ihn bat, mit der Lage des Martellino Mitleid zu haben. Sandro musste herzlich lachen, ging zu dem Herrn und erhielt von ihm, dass nach Martellino gesandt würde, was auch geschah. Die Boten, die nach ihm geschickt wurden, fanden ihn noch im Hemd, ganz angst und verzagt in den Händen des Richters, der nichts von seiner Rechtfertigung hören wollte, sondern (weil er die Florentiner vielleicht heimlich hasste) große Lust hatte, ihn hängen zu lassen; daher er ihn auch durchaus nicht eher herausgeben wollte, bis er gezwungen ward, es zu tun.
Wie Martellino vor den Herrn kam und ihm alles aufrichtig gestanden hatte, bat er um nichts so angelegentlich als um die Gnade, ihn nur gleich gehen zu lassen, weil er noch immer so lange glauben würde, den Strick um die Gurgel zu haben, bis er wieder nach Florenz käme. Der Herr konnte sich des Lachens nicht mehr enthalten und ließ einem jeden von den Dreien ein Kleid geben.
So entgingen sie unverhofft einer großen Gefahr und zogen mit heiler Haut wieder heim.
ZWEITE NOVELLE
Rinaldo d‘Asti kommt, nachdem er ausgeplündert worden, nach Castel Guglielmo, wo ihn eine Witwe beherbergt. Nachdem er seinen Verlust reichlich ersetzt bekommen, kehrt er gesund und vergnügt nach Hause zurück.
Die Frauen lachten herzlich über die Abenteuer des Martellino, und unter den Jünglingen am meisten Filostrato, dem die Königin, da er neben Neifile saß, auftrug, weiter zu erzählen. Er gehorchte ohne Verzug und sagte:
Schöne Frauen, ich kann nicht umhin, euch ein Geschichtchen zu erzählen, das aus frommem, tragischem und verliebtem Stoff zusammengewebt ist, das aber dennoch für den, der es anhört, vielleicht nicht ohne Nutzen sein wird, besonders für solche, die das unsichere Gebiet der Liebe bereisen, wo der, welcher das Paternoster des heiligen Julian nicht gesprochen hat, oft übel herbergt, wenn er auch gebettet wird.
Es kam einmal zu Zeiten des Markgrafen Azzo von Ferrara ein Kaufmann namens Rinaldo d‘Asti um seiner Geschäfte willen nach Bologna. Als er sie abgewickelt hatte und wieder nach Hause reiste, stieß er, kaum aus dem Weichbild von Ferrara heraus in der Richtung auf Verona reitend, auf einige Männer, die er für Kaufleute hielt, die aber Schnapphähne und räuberisches Gesindel waren, mit denen er sich unvorsichtigerweise in Gespräche und in Gesellschaft einließ. Wie diese merkten, dass er ein Kaufmann war, und folglich nicht zweifelten, dass er Geld bei sich führe, beschlossen sie, ihn bei der ersten Gelegenheit zu berauben, und damit er ja nichts