Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band - Walther Kabel

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gerade sehr.

      So fügte es sich, daß Irma Hölsch eine Viertelstunde später die Restaurationsräume des ›Nordwest Hotel‹ in der Turmstraße betrat. Es war dies das einzige Lokal, das in Moabit für eine junge Dame in Betracht kam. Irma war schon häufiger, zumeist in Gesellschaft der Geschwister Melcher, dort gewesen.

      Die Tische waren sämtlich besetzt, selbst in dem langgestreckten Nebenraum. Irma wollte schon enttäuscht wieder fortgehen, da sie sich nicht zu Fremden setzen mochte, als ein an einem kleinen Tischchen sitzender Herr sich schnell erhob und auf sie zukam.

      »Darf ich Ihnen einen Platz bei mir anbieten, gnädiges Fräulein?« fragte Egon Larisch sehr höflich, aber auch mit jener etwas überlegenen Sicherheit, die durch all seine liebenswürdige Bescheidenheit hindurchleuchtete. Und leise fügt er hinzu: »Fritz Melcher hatte die drei Briefe schon ausgehändigt.«

      Irma verstand sofort, was Larisch mit dieser Bemerkung andeuten wollte: ›Bisher hast du dich am Mittagstisch der Frau Mikla mir gegenüber ablehnend wie eine Fürstin verhalten. Jetzt brauchst du mich. Und wir können diese zufällige Begegnung gleich dazu benutzen, die bewußte Sache persönlich durchzusprechen.‹

      Und Irma erwiderte daher auch:

      »Sehr liebenswürdig, Herr Larisch. – Ich wollte hier nur zu Abend essen.«

      Dann nahm er ihr den halblangen Frühjahrsmantel und dem Schirm ab und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Dann ließ er die Speisekarte bringen, fragte, was sie trinken wolle, und bestellte bei dem Kellner nach ihren Angaben.

      Seine zwanglose Art zerstreute schnell jede Spur von Verlegenheit bei ihr. Irma Hölsch war ja auch schon recht früh an die Selbstständigkeit des alleinstehenden Weibes gewöhnt worden, – vielleicht gerade dadurch, daß sie so ganz unter Fremden aufgewachsen war.

      Verstohlenen betrachtete sie Egon Larisch jetzt genauer, – zum erstenmal, denn in dem stets halbdunklen großen Eßzimmer der Frau Mikla hatte sie hierzu kaum Gelegenheit gehabt.

      Sie mußte sich eingestehen, daß der Schriftsteller das besaß, was auf viele Frauen mehr wirkt als ein regelmäßiges, sogenanntes ›schönes‹ Gesicht, – eben einen Charakterkopf von imponierender Häßlichkeit. Am meisten fiel an diesem mageren Antlitz wohl das breite, vorspringende Kinn auf, über dem wie eine lange Kerbe der schmallippige, viel zu große Mund lag. Auch die Nase war reichlich lang, leicht gebogen, aber dünn wie ein Messerrücken, während die Stirn wieder mit dem Polizeiausdruck ›gewöhnlich‹ am besten gekennzeichnet wurde. Anders die Augen. Die waren wirklich recht ausdrucksvoll, groß, dunkel und wirkten gerade im Gegensatz zu dem blonden, gescheitelten Kopfhaar und den hellen, kräftigen Brauen besonders leuchtend und lebendig.

      Während er in leichtem Plaudertone jetzt von seinem dreijährigen Münchener Aufenthalt erzählte, versuchte Irma sich darüber klar zu werden, weshalb ihr dieser Mann, den sie zunächst bei Frau Mikla als eine Zufallsbekanntschaft kaum beachtet hatte, trotz dieser ganz oberflächlichen Beziehungen sehr bald geradezu unsympathisch geworden war, wozu doch gar kein Grund vorlag. Hatte er sie doch stets in einer Weise behandelt, wie sie es als Dame verlangen konnte, wenn er auch kein Hehl daraus gemacht hatte, daß er ihrer eigenartigen Schönheit huldigen zu dürfen glaubte, so durch allerlei kleine Aufmerksamkeiten bei Tisch und durch unermüdliche Versuche, sein kühles Gegenüber in ein Gespräch zu ziehen.

      Irma sann vergeblich über die Ursachen dieser leichten Abneigung nach. Vielleicht – ja vielleicht beruhte diese darauf, daß das Weib in ihr hier in dieser Persönlichkeit die starke, selbstbewußte und berechtigte Überlegenheit des Mannes spürte und daß aus einem ebenso starken Selbstständigkeitsgefühl heraus sich ihr Geist dagegen sträubte, diese Überlegenheit anzuerkennen.

      Zu wirklich Klarheit schaffendem Grübeln ließ ihr Egon Larisch auch kaum Zeit. Aus einem trefflicheren Feingefühl heraus suchte er den Ton zwischen ihnen, während Irma jetzt Suppe und Braten verzehrte, auf eine gewisse kameradschaftliche Note abzustimmen, – eben damit das junge Mädchen bei den bevorstehenden Erörterungen über die geheimnisvollen Schreiben nicht mehr das Empfinden haben sollte, einem Wildfremden ihre verborgensten Gedanken über diese Sache anvertrauen zu müssen. Und dasselbe Feingefühl bestimmte ihn dazu, erst nachher, als Irma ihre Mahlzeit beendet und sich noch eine Tasse Kaffee bestellt hatte, auf die ›treue Hand‹ zu sprechen zu kommen.

      Inzwischen hatte Irma über Egon Larisch und dessen Beziehungen zu Melchers doch so manches durch unaufdringliche, in die Unterhaltung zwanglos eingestreute Fragen erfahren, daß ihr ihrer Freundin Hedwig heutiges Benehmen noch seltsamer und rätselhafter erschien.

      Der junge Schriftsteller – Irma schätzte ihn auf vielleicht dreißig Jahre, obwohl er eigentlich jünger aussah und nur seine ganze Art sich zu geben diese Annahme beeinflußt hatte – war plötzlich als geborener Berliner, wie er andeutete, drunten in München von einer nicht zu überwindenden Sehnsucht nach dem großzügigeren Leben der Reichshauptstadt gepackt worden und hatte kurz entschlossen dann sein Bündel geschnürt, um wieder mal in der alten Heimat seine Zelte aufzuschlagen. Der Briefwechsel mit Fritz Melcher war schon lange gänzlich eingeschlafen, und erst die Übersiedlung nach Berlin hatte die beiden wieder zusammengeführt. Sie stellten fest, daß ihre einst so enge Freundschaft, die auf gegenseitiger Wertschätzung aufgebaut war, nichts an Aufrichtigkeit durch diese Jahre der Trennung eingebüßt hatte, traten sofort in regen Verkehr und hatten schon manchen Abend in der Wohnung der Geschwister angenehm durchplaudert, wobei Larisch dem an Influenza bettlägerig erkrankten Jugendgefährten die Zeit vertreiben half. Jedenfalls mußte der Schriftsteller bereits so oft bei Melchers gewesen sein, daß es schon aus diesem Grunde höchst merkwürdig war, weshalb keines der Geschwister Irma gegenüber je dieses häufigen Gastes Erwähnung getan hatten, zumal aus einer Bemerkung des ohne Rückhalt plaudernden Larisch hervorging, daß Melchers gewußt hatten, mit wem Irma jetzt fast täglich mittags bei Frau Mikla zusammenkam.

      Das junge Mädchen, selbst eine sehr offenen Natur und allen Unklarheiten abhold, hätte zu gern den Schriftsteller gefragt, ob er vielleicht wüßte, aus welchem Grunde Melchers ihn vor ihrer Bekannten in dieser Weise geradezu verleugneten. Aber eine gewisse Scheu, hier an Dinge zu rühren, die vielleicht etwas heikler Art waren, verschloß ihr den Mund. –

      Egon Larisch fragte jetzt, nachdem der Kellner den Kaffee gebracht hatte, ob er sich eine Zigarre anzünden dürfe.

      Nach den ersten Zügen – man merkte ihm an, daß er leidenschaftlicher Raucher war – begann er dann:

      »Wenn es Ihnen recht ist, gnädiges Fräulein, sprechen wir jetzt diese etwas dunkle Angelegenheit durch, die ich, offen gestanden, nicht für ganz harmlos halte.« –

      Als Irma eifrig nickte, fuhr er fort: »Zunächst einige Fragen. – Hat Ihnen ein Postbote diese drei Briefe persönlich übergeben, oder haben Sie sie im Briefkasten gefunden? – Ich nehme an, Sie haben einen eigenen Briefkasten an der Flurtür, zum mindesten doch aber Ihre Wirtin.«

      »Einen eigenen. Und die beiden ersten Briefe fand ich abends darin vor, den dritten heute morgen.«

      »So. Das dachte ich mir. – – Fritz Melcher wußte mir zu berichten, daß Sie den ersten Brief am Abend des Todestages Ihrer Großmutter, den dritten heute früh erhielten, – besser gesagt im Briefkasten vorfanden. Wann kann der zweite an?«

      »Am 6. April abends, also drei Tage später als der erste. Und auch aus Hamburg. Nur der letzte ist hier in Berlin aufgegeben worden.«

      »Hm – aus Hamburg und Berlin!« Egon Larisch lächelte überlegen. Die beiden Städtenamen hatte er stark betont. »Hm – und aufgegeben!« fügte er ebenso sonderbar hinzu. »Haben Sie sich die Briefumschläge recht genau angesehen, gnädiges Fräulein?

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