Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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abgesehen von anderem, darauf zu entgegnen, daß heutzutage der Bauer schon eine sehr tüchtige Kraft sein und einen sehr klugen Kopf haben müsse, wenn er sich in seinem Stande tapfer soll behaupten können.

      Denn es ist fast alles gegen ihn. Während man allerorts, vom Reichsrate bis zum letzten Winkelverein herab, die Phrasen von der Wiederaufrichtung des braven Bauernstandes hören kann, spitzen sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf das schärfste zum Nachteile unseres Bauernstandes zu. Mancher reiche Herr, der im Parlamente schöne Reden hält für den Bauer, für den Mann der Arbeit, drückt daheim auf seinen Gütern den Arbeiter so arg er kann, bringt die nachbarlichen Bauern um Haus und Hof und zwingt ihnen, wenn sie sich nicht lieber in der weiten Welt zerstreuen und verlieren, wieder die Zustände der alten Hörigkeit auf.

      Aber der Bauer ist in dieser Sache auch nicht ohne Schuld, und nun kommt der Grund, aus welchem man dem Landmann von heute die Bildung absprechen muß. Er mag und will sich nicht mehr schicken in seinen Stand, er schämt sich seiner, nicht allein, weil dieser Stand gedrückt und verhöhnt wird, sondern noch vielmehr, weil auch den Bauern der Größenwahn erfaßt hat. Er will etwas »Besseres« sein, als der Vater gewesen. Er trachtet zu lernen, aber nicht für seinen Stand, oder des Wissens wegen, sondern um möglichst ein »Herr« zu werden. Das ist nicht ein Zeichen der Bildungsbedürftigkeit, es ist ein Zeichen von Verrohung des Gemütes, vom Schwinden der Treue, und vom Hunger nach »Ehre« und »vornehmeren« sinnlichen Genüssen. Es wäre einerseits kein Wunder, daß man von einem Stande abspringen will, der von allen Seiten ausgezogen, mißbraucht und übervorteilt wird. Indes, so war es mehr oder minder ja zu allen Zeiten, und dem Bauer wohnt naturgemäß eine Kraft inne, solchen Widerwärtigkeiten zu trotzen. Die Gegenwart hätte ihm vielleicht Mittel geboten, sich wahrhaft frei und geachtet zu machen. Aber er verlor seinen festen Bauerncharakter und damit seine Beharrungskraft. Die Krankheiten der Zeit haben ihn erfaßt, die Fahrigkeit, der Größenwahn. Er ist nicht mehr für seinen Stand gebildet und gestählt, und so vollzieht sich gegenwärtig eine merkwürdige Flucht. Es vollzieht sich eine Flucht vom Pfluge zum Hammer, vom Hammer etwa zum Zirkel, von diesem zur Feder, zum Doktorhut und so weiter. Nichts will im Staate mehr Grundstein bilden, alles will Dachgiebel sein – wäre es ein Wunder, wenn eines Tages der Bau das Übergewicht bekäme? Der Bauer, weil er nicht in die Höhe kann, so strebt er in das Weite aus; nach allen Richtungen der Windrose hin eilt der schollenflüchtige Landmann; von zehn Flüchtlingen versinken auf fremdem Boden neun...

      Unsere hohen Herren – die lüstern nach der Scholle greifen, aber nicht um sie zu bebauen, sondern um sie verwildern zu lassen und darauf ihres Lebens höchstem Berufe, der Weidmannslust zu frönen – haben bereits die Stirn, zu behaupten, daß in den Alpen der Bauernstand nicht mehr zu halten und auch überflüssig sei. »Mit der Einfuhr von Feldfrüchten keine Konkurrenz mehr möglich.« Das ist der Standpunkt des Händlers und nicht der des Bauers. Der Alpenbauer ist überhaupt nicht da, um zu »konkurrieren«, sondern um auf seinem Boden für sich zu arbeiten und zu leben. Zwar einfach zu leben, aber naturgemäß und als freier Mann. Es wird sich zeigen, ob bei dem steten Wachstum der Bevölkerung unsere wenn auch oft kümmerliche Erdscholle verachtet werden darf, ob der Mensch des Jagdwildes willen heimatlos sein soll, und ob das Reh und der Hirsch seine Herrschaft in unseren Bergen behaupten kann. Schon heute vollzieht sich alljährlich eine Völkerwanderung von den Städten aufs Land, ins Gebirge. Noch kehren sie, wenn die Blätter gilben, wieder in ihre Mauern zurück, aber es wird eine Zeit sein, da werden die wohlhabenden Stadtleute sich Bauerngründe kaufen und bäuerlich bewirtschaften, Arbeiter sich solche aus der Wildnis roden und reuten. Sie werden auf Vielwisserei verzichten, an körperlicher Arbeit Gefallen und Kräftigung finden, sie werden Gesetze schaffen, unter denen wieder ein festständiges, ehrenreiches Bauerntum bestehen kann, und das Schlagwort vom »ungebildeten Bauer« wird man nicht mehr hören.

      Aber das alte Bauerngeschlecht wird vernichtet sein. Wie in unserem Alpenlande der Kampf gegen dasselbe und die Vernichtung vor sich geht, das soll dieses Buch erzählen. Es sei jedoch nicht geschrieben, bloß um ein Bild von dem äußeren Wandel zu stellen, sondern vor allem, um bei Lostrennung von der Heimatsscholle die Vorgänge im Menschenherzen zu schildern; und es sei geschrieben der Treue wegen, die in meinem Jakob lebt.

      Erster Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Ein seltsames Pfingstfest

       Inhaltsverzeichnis

      Das war am heiligen Pfingstsonntag nach der Mahlzeit.

      Jakob, der Hausvater, saß in der wohldurchwärmten Stube und las in einem alten Buche. In weißen Hemdärmeln, wie er war – der durchnäßte Lodenrock trocknete am großen Kachelofen – stützte er seine Arme breit auf den Eschentisch, und die Finger über dem Buche ineinandergeschlungen, las er das »Besetzel« vom heiligen Geist. Er las vielleicht nicht mit voller Andacht, wie sie sich für einen so hohen Festtag wohl geziemte, denn bisweilen hob er sein Haupt und blickte hinaus in das Schneegestöber. Die Flocken wirbelten so dicht, daß die Linde, die dort an der Wegtorschranke stand, nur als dunkle verschwommene Masse durch das trübe Grau schattete. Die hohen Fichtenbäume vor dem Hause, welche kaum über die Hälfte hinauf sichtbar waren, beugten ihre verknorrten Äste unter den Schneelasten, die jungen Lärchen auf dem Anger standen wie Zuckerhüte, und dort, wo gestern die maienhaft blühenden, duftenden Holundersträucher gestanden, waren eitel Schneeberge. Die Säulen der Torschranke hatten hohe Hauben auf, wie der Bischof, wenn er draußen zu Sandeben die Firmung hält. Die Zaunstecken hatten spitze und stumpfe Hütlein, Helme, Schnäbel, Kissen und Bänder von Schnee.

      Wenn das Pfingststaat sein soll!

      Jetzt kam der Wind und fegte den Schneestaub von den Bäumen, Sträuchern und Dächern des Hofes und ließ ihn tanzen und wehte ihn an die Fenster, wo er sich in die Ecken, Ritzen und an die Rahmen schmiegte.

      »Gott sei Dank, daß der Wind kommt!« sagte der Jakob, »sonst wollt's bald Fetzen geben in den Kirschbäumen und Linden. Die Elessen-(Traubenkirschen-)Stauden hat's schon zerrissen. Ist ein schlimmer Kamerad, der Schnee, wenn er zu solcher Jahreszeit kommt.«

      Auf den Dachgiebeln und unter den Vorsprüngen der Dächer hüpften und schwirrten Vögel umher; die Finken und Drosseln waren vom Walde, die Zeischen und Lerchen von dem Felde hergekommen und mußten sich bei den Schwalben zu Gaste laden, Schutz und Unterstand suchen im Reuthofe. Aus dem Hause war ein wilder Knabe gestürmt, um mit Schneeballen nach ihnen zu werfen.

      Der Jakob beobachtete den Knaben, der mit heißen Wangen und Augen im Schneegestöber umlief, von jungen Bäumen den Flaum auf sich niederschüttelte und mit Geschrei und Geschleuder das ratlose Geflügel verfolgte. Schier mit Wohlgefallen schaute der Jakob darauf hin, als dächte er: das wird auch einmal ein rechter Altenmooser Jodel! Dann öffnete er das Fenster und rief scharf hinaus: »Jackerl! Laß mir die Vögel in Ruh' und geh' herein, es ist zum Beten!«

      Jetzt stand der Hausvater aufrecht. Was er in seiner Gebirgstracht für ein strammer stattlicher Mann war! Das frische jugendliche Gesicht glatt rasiert bis auf den Schnurrbart; die Nase scharf und kühn gebogen, die Augen unter dunkeln Brauen etwas tief liegend und freundlich blau von Farbe. Bart und Haar waren lichtblond und schimmerten schier ein wenig golden; das Haar war rückwärts kurz geschnitten und vorne quer und locker über die Stirne gelegt. An der Stirne waren, wer genau sehen wollte, einige Blatternarben. So aufrecht der Mann dastand, der Kopf war leicht vorgeneigt, das ist kein Wunder bei einem hochgewachsenen Haus- und Familienvater, der auf die Seinen immer herabschauen muß, der auch das kleinste zu seinen Füßen kniende oder an seinen Knien krabbelnde Wesen nicht übersehen darf, der seine Kraft und seine Sorge und seine Liebe aus dem Boden

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