Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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als nach außen bekundete. Er ragte auf dem berge wie ein Castell und war weithin sichtbar. Er faßte nicht viel weniger im Raum, als die Kirchen zu Trawies. Von ferne sah er glatt und völlig fensterlos aus; das Dach stieg steil empor, die Giebelwände wurden noch erst eifrig geschmückt mit Tannenkränzen. In der Nähe besehen waren die Wände rauh und an den Ecken ragten die Köpfe der Zimmerbäume ungleichmäßig hinaus. Die Pforte, welche ins Innere führte, war schmal und mit einem wuchtigen Thore versehen, das an beiden Seiten weit vorstand und mit schweren Bändern und Schlössern wie ein Gefängnißpförtlien beschlagen war. Das Doppelschloß hatte der alte Schmied vom Thale geliefert und einen »Himmelsriegel« hineingeschmiedet, dessen Geheimniß ohne den Schlüssel weder Feind noch Bruder lösen konnte. Der Schlüssel lag in der Hand des Wahnfred. Das Innere des Baues war in Dämmerung. Die Sonnenscheiben, welche hoch zu den runden Fensterlein, hingen an den Wänden wie leuchtende Lampen. Der Fußboden war aus behauenen Baumstämmen; an der dem Pförtlein gegenüberstehenden Wand stand ein breiter steinerner Sockel als Altar. Über demselben in einer Nische war Platz für das Heiligthum. Im Gebälke das Daches ähnelte dieser Tempel einer Basilika, doch gingen die wuchtigen Balken viel zahlreicher, unregelmäßiger und formloser durcheinander, es war ein Gewirre von Hölzern, Brettern und Stangen, die bestimmt schienen, das Dach zu halten und zu stützen.

      Der Bau war ohne Festgelage und Segensspruch fertig geworden. Die Feier der Einweihung sollte am Sonnenwendtage stattfinden, wozu Alle, die sich Trawieser Leute nannten und die gegen eine Aussöhnung mit Kirche und Staat stimmten, durch Wahnfred beschieden worden waren. Wer an diesem Tage auf dem Johannesberge nicht erscheine, der sei aus Trawies gestoßen. Mehrere Männer waren im Inneren des Tempels beschäftigt, mit Reisig und bunten Lappen das Gebälk zu zieren. Sie führten dabei ausgelassene Gespräche; sie freuten sich, wieder eine Kirche zu haben, weil jetzt wohl die großen Kirchweihludereien noch einmal aufkommen würden.

      »Gar nichts kommt mehr auf!« rief Einer trotzig, »bei dem nicht.«

      »Bei wem?«

      »Beim hohen Priester Wahnfred. Der mag keine Lustigkeit leiden. Das ist ein Bitterer. Das ist Einer, vor dem man sich fürchten muß.«

      »Geh, Narr, wer wird sich fürchten. Wird er uns zu arg, so spalten wir ihm den Schädel.-«

      Wahnfred stieg ins Thal hinab und ging der Trach entlang; er wollte seinen Sohn Erlefried sehen. Er ging an der Dreiwand vorbei, er ging über den Platz, wo das Haus des Gallo Weißbucher gestanden war. Er kämpfte gegen Erinnerungen, die wie Nattern sein Herz umzingelten. Im Dürrbachgraben sah er plötzlich vor sich auf dem Rasen einen Menschen liegen; der lag regungslos auf dem Bauche, sein Haupt auf den Stein des Bachufers gelegt, seine Hände hingen ins rauschende Wasser. Wahnfred blieb ein paar Schritte vor diesem Körper stehen – es mußte ein noch junger Mann sein, die Füße waren nackt, die Haare waren blond und kraus. Wenn’s Erlefried wäre! Wahnfred dachte an den Erschlagenen in der Kirche. Wenn hier die Vergeltung vor ihm stünde! – Er wollte den trauten Namen rufen, er stöhnte ihn nur. In demselben Augenblicke richtete sich der Hingestreckte empor und in seiner Hand schwänzelte eine weißbauchige Forelle.

      »Erlefried!« stieß Wahnfred hervor. Er war’s. In Kraft und Schönheit stand er da. Ruhig stand er da, nur warf er zum Zeichen, daß er sich des Ernstes dieser Begegnung bewußt war, den Fisch wieder in das Wasser zurück.

      »Erlefried,« sagte der Wahnfred noch einmal. Der Bursche fühlte den Vorwurf, der in diesem Tone lag.

      »Suchst Du mich, Vater?« fragte er.

      »Der Sohn vergißt des Vaters.«

      »Ich habe Deiner nicht vergessen, aber ich hätte Dich nicht gesucht.«

      »Du wirst Dich am Tage der Sonnenwende auf dem Johannesberge zur neuen Gemeinde versammeln,« sagte Wahnfred.

      »Ich werde fern bleiben,« versetzte Erlefried, »Ich habe was Anderes vor. Es ist mit lieb, Vater, daß ich Dir’s sagen kann: ich nehme am Sonnenwendtage ein Weib.«

      Wahnfred schwieg eine Weile, dann murmelte er: »Ich habe lange geglaubt, Erlefried, Du wärest gestorben.«

      »Glaube es noch, Vater, es wird Dir besser sein,« versetzte der Jüngling; »Deinen Weg kann ich nicht gehen, ich kann nicht. Ich bete für Dich, daß er Dir der rechte sei. Aber mich laß im grünen Wald und bei meinen Freuden.«

      »Die Freuden im Wald, mein Sohn, die sind gefährlich. Alle, Alle will ich hervorrufen aus den Wäldern und versammeln im Schafstall.«

      »Mich laß, ich will den Wald roden und Feldbau treiben. Der Bart am Tärn hat mir sein Haus gegeben, da werde ich mit meiner Sela in Frieden leben und sterben.«

      Es steht nicht geschrieben, was Wahnfred darauf erwidert hat, auch nicht was er empfunden hat, als er so seinem Sohne gegenüber stand. Der Eine geht sterben, der Andere geht freien.

      »Wir können nicht dafür, daß wir uns fremd geworden sind,« sagte Erlefried, »im Himmel wird’s wohl aufgeschrieben bleiben, daß wir zusammengehören. Lebe wohl, Vater!«

      »Und Du willst ihm die Hand versagen, dem alten von Gott und Menschen verlassenen Mann!« rief Wahnfred, und mit einem Schrei des Schmerzes fiel er dem Burschen um den Hals. »O Kind, o mein Kind, hast denn ganz vergessen auf den armen Mann, dem Du einst sein Glück auf Erden bist gewesen! Hast vergessen auf Deine Mutter, die uns Beide so oft in den Armen hat gehalten, wie ich Dich jetzt halte, und nimmer lassen möchte, Du geliebtes Kind! O, komm mit mir, Erlefried, Du bist jung und fromm, Du hast noch gut sterben. Der Einzige unter uns Verlorenen, der gut sterben hat. Siehe, Dein Weg führt Dich jetzt so nahe an die Himmelsthür, da drinnen warten auf Dich Deine Voreltern, wartet Deine Mutter, da drinnen lebt Dein Gott. O sage nicht, Du seiest noch zu jung und wollest Dich der schönen Welt erfreuen. Kehrst du jetzt nicht ein, bald wendet sich der Weg zur Welt zurück, zur falschen Welt, führt Dich weit ab, wirst gehetzt von Deiner Begier; was Dir begegnet, ist Furcht, Angst, Schrecken, wo Du Lust wähnst, erwartet Dich der Schmerz. An Gräbern weinen, ist noch das Süßeste. Die Untreue mordet Dein Vertrauen, das Elend der Menschen mordet Deinen Glauben an Gott; Du kannst nimmer beten, nimmer weinen, alles, was Du thust, ob in Lieb’, in Haß, ob in Genuß, in Verzweiflung, es wird Dir zur Schuld. Dann wirst Du wie Einer, den die Nacht überfallen hat, diesem Weg zu suchen, auf dem Du heute stehst, aber jeder Schritt führt Dich tiefer ins Verderben. Erlefried, denk’ an Deine Seele!«

      Der junge Mann blickte befremdet auf, bei dem letzten Worte fuhr’s wie ein Blitz durch sein Herz. Sein Dämon fragte ihn, on die Seele denn gerettet sei oder noch dem Bösen angehöre? Wahnfred sah ihn wankend, glühenden Auges fuhr er fort in glühender Rede:

      »Und denke an sie, die Du Dir hast auserwählt. Bringe Deine Braut, sie ist wohl wie eine Blume im Schnee, sie ist wie ein Engel unter Verdammten, rette sie zu Gott. Den Himmel mach’ ihr zur Brautgabe, nur im Himmel werden die Ehen geschlossen – vergiß das nimmer, Sohn! O, laß Dich nicht bethören, die Welt ist hin, ‘s ist alles aus. Ich führe Dich, wir gehen miteinander ins himmlische Reich!«

      Erlefried erkannten nun, was aus dem Manne sprach; gegenüber dem Wahne wurde er vernünftig, er suchte sich dem unheimlichen Schwärmer zu entringen. Wahnfred bebte vor Erregung, mit beiden Armen umfaßte er den Jüngling und rief: »weich’ hinweg! Hinweg, du höllischer Teufel! ich will mein Kind haben, ich laß es nicht. O, steh mir bei, du himmlisches Heer! Jhr Engel Gottes, steht mir bei.«

      Ein Wahnsinniger! Erlefried raffte seine volle Kraft zusammen, schleuderte den rasenden von sich und floh davon.

      Auf der Höhe blieb er stehen und blickte zurück. Er sah seinen Vater nicht. Jetzt überkam ihn ein unsägliches Weh, ein herzzermalmendes Mitleid mit dem armen Manne.

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