Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 230

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Sohn Erlefried war wieder erschienen, den er schon zweimal gestorben sein ließ. Als ihn – wie er hörte – die Räuber erschossen hatten, beweinte er den Sohn, den er für ein glücklicheres Leben geboren wähnte, als er selbst trug. Da es später hieß, bei einem Waldbrande wäre Erlefried zugrunde gegangen, freute er sich, daß es seinem Kind gegönnt war, ohne Schuld aus dieser Welt zu gehen. Nun lebte der Junge doch, aber lebte einem Tag entgegen, an dem er mit Trawies die Sühnung zu theilen haben würde. Und vielleicht nun mit Recht ...

      Er hätte seinen Sohn gern wiedergesehen, aber es bange ihm davor. Er trug in seiner Seele das offene, kindlich-reine Antlitz des geliebten Erlefried, und dieses Bild war ihm stets Labniß und Seligkeit in seinem unseligen Leben gewesen. Nun fürchtete er, ein bleiches eingefallenes Gesicht sehen zu müssen, auf dem das Laster und das Elend steht. – Es beunruhigte ihn, daß Erlefried nicht selbst kommen wollte, um seinen Vater zu zu suchen. Sollte das eine stille Verurtheilung der That sein? Wohlan, dafür segnet er den Sohn. Er konnte aber auch Mangel an Kindesliebe sein. Dafür segnet er ihn nicht. Nein, Wahnfred will nicht segnen und nicht fluchen; leicht könnte der Himmel den Segen eines solchen Mannes verkehren und den Fluch erhören.

      Ferner befremdete ihn, daß sich Erlefried nicht an dem Baue des Bethauses betheiligte. Wenn er die Arbeit flieht, was soll ihn denn schützen oder retten?

      Von der Höhe des Berges nieder klangen die Balken des im Aufzuge begriffenen Dachstuhls, das Hämmern der Zimmerleute und das Schreien der Holzträger.

      Wahnfred horchte den Tönen der Arbeit und Arbeiter, sie waren ihm trostreicher als Osterglocken. In dieser Richtung allein konnte Zukunft liegen, und gelänge es ihm, die Leute regelmäßig zu beschäftigen, daß sie vom Tempelbau sich auch wieder dem Feldbau zuwendeten, dann wäre viel gewonnen. Hätten sie erst nur wieder Eigenthum, so würden sie trachten, dieses zu bewahren, Ordnung zu begründen, würden die Notwendigkeit einsehen, sich wieder der Welt zu fügen und dem Lande anzuschließen.

      So wurde der Mann auf dem Johannesberge noch immer zwischen Verzweiflung und Hoffnung hin und her geworfen. Rasch folgte er seinen Stimmungen. Er hatte den Segen noch nicht ausgedacht, den ehrliche Arbeit über Trawies bringen könne, und daß Arbeit allein imstande sei, den Fluch der Kirche von nun an unschädlich und des staatlichen Schutzes sich wieder würdig und theilhaftig zu machen, als das klingende Pochen oben am Bau unterbrochen wurde, hingegen sich anderer Lärm erhob.

      Über den Wipfeln junger Fichten leuchtete im blauen Himmelsgrunde scharf gezeichnet das Gebälke des Dachstuhles. Rasch verließen die Arbeiter First und Giebel und stiegen nieder. Schreien, Fluchen und Poltern war vernehmbar, darunter fielen auch Schüsse. Und schon eilte ein Bote durch das Dickicht und rief nach dem Meister. Bald wußte Wahnfred, was es galt. Es galt den Bau zu schützen; Feinde waren da, ganze Haufen von Strolchen und Wegelagerern, sie wollten die neue Burg anzünden. Der Kampf wurde mit den mannigfaltigsten Waffen geführt, mit Kolben, Hacken, Gewehren, Äxten, Steinen und Stangen. Wie früher die Bäume, so purzelten jetzt die Menschen. Den Angreifern gelang es, einen brennenden Strohwisch in den Bau zu schleudern, den Verteidigern gelang es, den Brand zu ersticken. Das Geschrei war so mächtig, daß der Ruf Wahnfreds ungehört blieb.

      »Nieder mit den Schanzen«, war das Feldgeschrei der Angreifer, »wir brauchen keine Zwingburg!« Aber dieses Feldgeschrei wurde immer einsilbiger und verwandelte sich in Ächzen und Stöhnen und Todesröcheln. Ein Theil entkam, ein Häuflein wurde gefangengenommen und vor den Richter gestellt. Wahnfred befragte die Gefangenen, weshalb sie gekommen wären, den Bau zu vernichten?

      »Weil wir müssen«, knirschte der Wortführer.

      »Wer ist der Herr, der euch zwingt?«

      »Unsere linke Hand.«

      »Wir hauen sie euch ab.«

      »Tut es! Noch auf dem Rasen wird sie ihre Finger ausstrecken, mit denen sie den Schwur gethan hat.«

      »Welchen Schwur?«

      »Alles zugrund zu richten, was wir zugrund richten können.«

      »O ihr Erbärmlichen, und krümmt Euch jetzt auf der Erde, wie ein Wurm, den man zertritt.«

      »Zertretet uns! Tut es, Ihr gehorcht damit nur unserem Gesetz. Morgen werdet Ihr zertreten sein. Wir sind überall und sind allmächtig. Wisset Ihr, wer wir sind?«

      »Bösewichter! Verbrecher!« rief Wahnfred.

      »Das sind zahme Worte, Lobnamen, mit denen Ihr Euch gegenseitig schmeicheln mögt. Wir sind die Erlöser, wir sind die Kinder des ewigen Todes.«

      »Wahnwitzige seid Ihr.«

      »In euren blöden Augen.«

      »Ihr wisset nicht, was Ihr wollt.«

      »Wisset Ihr es?« rief der Gefangene. »Ihr wollt leben und seht, daß alles sterben muß, ihr wollt Lust haben und tut alles, daß Euch leid werde. Ich seid die Wahnwitzigen; wir wissen, was wir thun, wir wollen dieser Mißgeburt ein End’ machen. Alles muß aus werden. Wir haben Feuer in den Tärn geworfen, wir haben die Pest nach Trawies getragen. Uns ist die Welt vergällt, alles muß zunichte sein!«

      Wahnfred wurde todtenblaß. Hier auf einmal stand’s vor ihm, das Ungeheuer, großgewachsen und entfesselt. Fürchterlich wahr, fürchterlich klar stand’s da, was er bisher wie einen Schatten in der Seele getragen hatte. Von allen Wegen, die er gesucht, soll der der rechte sein! Von allen Evangelien, die er erdacht, soll dieses das größte sein! Das größte und letzte! – Alles vernichten! ...

      Wahnfred lachte. Sein Lachen erscholl in den neuen Wänden des Baues. Sein Haupt war, als wachse es noch höher aus dem Körper empor, seine langen Haare waren wie lebendig, seine hageren Hände streckte er zur Höhe, so stand er da und lachte. Die Trawieser Leute hatten schon manches Unheimliche gesehen, aber so grauenhaft wie jetzt, da ihnen Wahnfred in diesem Bilde erschien, war ihnen kaum jemals zumuthe gewesen.

      Einige verhüllten ihr Gesicht und murmelten: »Ich kann ihn nicht anschauen.«

      »So wird am Jüngsten Tag der Richter sein«, sagten andere.

      Wahnfred hub nun, gegen die Gefangenen gewendet, an zu sprechen: »Ihr seid die Kinder des Todes und seine Henkersknechte, und seid gekommen, diesen Tempel zu zerstören?«

      »Wir werden ihn zerstören«, antwortete der Vorderste in finsterem Grolle.

      »Dann wißt Ihr nicht, was Ihr thut. Dann wißt Ihr nicht, daß wir diesen Tempel ja eben jener Gottheit gebaut haben, die alles zerstört. Das ist das Haus des Feuers. In diesem Tempel wird sich Trawies versammeln, um den Vernichter und Verzehrer anzubeten und ihm zu opfern. Wir halten es mit Euch, so werdet ihr mit uns halten. Das Feuer ist die Fahne, zu der wir alle schwören!«

      Die »Kinder des ewigen Todes« verstanden ihn nicht, wie ihn ja keiner verstehen konnte, aber es gelüstete ihnen weiter zu leben und sie schworen zur Fahne. [ eingefügt aus einer anderen Ausgabe – Nun, die Traweiser Gemeinde hatte sich durch den Beitritt der »Kinder des ewigen Todes« erklecklich vergrößert und die Arbeiten nahmen ihrem weiteren Verlauf.

      Wahnfred aber stieg nieder zu seinem Hause, dort nahm er die Lampe, in welcher das Flämmchen des Feuerwart glimmt – nahm sie zur Hand, starrte so scharf in das Lichtlein, daß dieses vor seinem Auge zu zucken und zu zittern schien und sprach; »Alle Sterne sind untergegangen, Du allein bist uns geblieben.« –

      Zwei Tage vor der Sonnenwende war das Blockhaus fertig. Sie hießen es das Blockhaus, ohne daß es ein solches

Скачать книгу