Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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wir hören nicht mehr das Schreien der Rehe im Wald, nicht mehr das Rauschen des Wildbaches, wir hören das Ticken der ewigen Uhr, die das Leben des Menschen mißt.

      Der Erzähler dieser Ereignisse gesteht es: er war der Erste, der vor all dem, was die Sagen und Aufzeichnungen über Trawies darthun, tief erstaunte. Doch mußte er sich sagen: die Zeit war damals eine andere, die Menschen waren befallen von ungeheuren Irrthümern.

      Wer aber, der mitten in der Menschheit steht, hat das Recht so zu sprechen? Sind wir heute im Reinen? So wenig wie damals. Wir spotten jener Zeit, da die Leute sich abhetzten und peinigten vor dem Anblicke des leibhaftigen Teufels. Uns plagt nicht mehr der Teufel; die Phantome, von denen wir besessen sind, haben andere Namen. Wir begreifen jene Weltordnung nicht, in welcher die Kirche mit ihrem Fluche Einzelne und Gemeinschaften zerschmettern konnte und zerschmettert hat, ohne daß ihr ein menschliches Gesetz in den Arm gefallen wäre! Sehen wir heute nach – und bei der aufgeklärten Zeit wird’s nicht viel Mühe machen – ob von jenen dämonischen Vorurtheilen auch nur eins dahin ist: Religion, Forschung, Socialismus, Politik haben immer noch ihre Pfaffen, Irrlehrer und Henker, denen Hunderttausende von Menschen zum Ofper fallen.

      Die menschlichen Wünsche und Leidenschaften sind heute keine anderen, als sie damals waren, nur die Mittel, sie zu befriedigen, sind gewaltiger und feiner. Das ist der Sieg. Aber Befriedigung der Wünsche ist nicht Befriedigung der Menschen; ruhelos jagen wir der »Wahrheit« nach und ihr Inhalt ist, daß wir unglücklich sind. Nur die flachen Köpfe sind es, die in Selbstgefälligkeit sich sonnen können an dem Lichte ihrer Zeit; dem Schärferblickenden weitet und vertieft sich mit seiner Erkenntniß das menschliche Elend, er sieht nichts mehr als das unselige, immer tiefer sinkende, trostlos untergehende Geschlecht. Ihm ist zumuthe, wie dem Schreiner Wahnfred in seinem verbrannten Trawies. Noch getragen von seinem nach Leben lechzenden Herzen, von seinem nach Freiheit ringenden Geist kann er’s nicht glauben, daß alles verloren sein soll, er sucht Auswege, sucht Ideale, sucht einen Gott.

      Himmelsucher hat es allerwege gegeben; männiglich strebt ihn an mit allen Kräften – und wäre es auch nur der Himmel auf Erden: Alltagsmenschen suchen den Himmel; Sonntagskinder, die tiefen Herzen und auserwählten Geister suchen Gott. Sie suchen das, was sie über oder hinter dem Materiellen ahnen, sind gequält und beseligt zugleich in diesem Hinstreben zum Idealen.

      Unsere Zeit besonders hat ein Volk von Gottsuchern geboren. Zwar bekreuzt sie sich vor dem Worte Gott, wie sich das Mittelalter vor dem Teufel bekreuzt hat; sie giebt ihm andere Namen und sucht ihn; sie mag ihn nicht bekennen und nicht entbehren.

      Jene Generationen, die zum Bewußtsein gekommen sind, Gott verloren zu haben, sie mögen unglücklich sein, aber sie sind nicht verworfen. Sie sinken nicht mehr, sie steigen aufwärts, denn der Mensch sucht Gott oder was er darunter versteht, nicht in der Tiefe, sondern in der Höhe. Er schafft – es ist ja wahr – Gott nach seinem Ebenbilde; aber dieses Ebenbild ist der denkbar vollendetste, ein Vorbild, dessen kein Lebender und Sterbender entbehren kann.

      Irrlichter und Mißverständnisse, ach wie viele! Wer jedoch, dem das eigene Herz im eigenen Widerstreite blutet und verbluten muß, erdreistet sich, hier Richter sein zu wollen! Die Wege der Suchenden sind überaus verschieden, manche sind nicht minder phantastisch, als die Pfade waren, die der Schreiner Wahnfred und sein Sohn in Trawies gewandelt. Mancher thut sich Splitter und Schrebn in die Schuhe und wankt büßend und betend am Pilgerstabe. Mancher zieht lachend, singend und tanzend seine breiten Straßen. Mancher wandelt abseits seine Pfade, irrt in den Wildnissen umher, kämpft sich mit steigender Sehnsucht fort im heißen Gestein, bis er mit verzweifeltem Blick nach den Himmelshöhen sterbend zusammenbricht.

      Auf allen Straßen und auf allen Wüsten, Du magst Dich gegen Morgen wenden oder gegen Abend, gegen Mittag oder gegen Mitternacht, überall wirst Du der Gottsucher Spuren entdecken, hier ein Rosenbett, dort steinerne Tafeln, hier ein Schwert und dort ein Kreuz. Das Rufen des Derwisch auf der Moschee, das Knarren der Klappern im Wigwam, das Glockenklingen im Dome, es ist der Kinder des Leibes ewiger Nothschrei nach einem göttlichen Retter, es ist die brennende Sehnsucht nach einer Kraft, die das Thier in uns besiegt, den Geist befreit und uns die Vollendung giebt.

      Eine große Menge aber ist – und wer widersteht ihrer gewaltigen, schrecklichen Lehre! – die wühlt ihren Weg durch das Thierreich, durch Pflanzen und Moder in die Erde hinein. Das sind nicht Gottsucher, sie verneinen das Ideal, sie suchen das Gegentheil. Sie wollen das Rechte, aber sie finden es nicht, sie sind auf dem Wege zur Wahrheit – blind geworden. Möge es ihnen niemals ganz gelingen, den Boden zu unterminiren, auf dessen grünen Rasen die Glücklichen wandeln, auf dessen Steppen Andere ruhelos, aber nicht trostlos den Idealen des Guten und schönen nachjagen!

      Und mögen die Gottsucher heute und immerdar ihr ersehntes Anbild, ihre Erlösung an besserem Orte finden, als unser armer, sühnender, des Weges unkundiger Wahnfred sie finden mußte und gefunden hat.

      Trawies muß zugrunde gehen, denn es hat keinen Gott, das heißt hier, es hat kein Vorbild und kein Gesetz. –

      Auf dem Berge des Joahnnes klangen die Hämmer. Sie klangen hinaus in die weiten Wälder, in welchen der Frühling wob. Und in den Wäldern krachten und stürzten die riesigen Bäume.

      Dem Wahnfred war es gelungen, die arbeitsfähigen Leute von Trawies ins Joch zu bringen. Theils war es der Aberglauben, theils das Gottbedürfnis, weswegen sie so emsig Hand an den Tempelbau legten, theils waren es die phantastischen Worte und Predigten des Schreiners, theils war es der Reiz der geregelten Arbeit selbst.

      Endlich glaubten sie sich in dem neuen Bau eine Burg zu gründen, in der sie Halt hätten gegen die Welt da draußen, die sie immer mehr haßten und fürchteten. Lagen doch die Wälder von Trawies mitten im Feindeslande, nur die treuen Wüsten des Trasank waren den Verbannten ein Hort. Es verging keine Woche, daß draußen vor den Grenzen nicht Einer aus den Wäldern gelyncht wurde. Mit dem Frieden und der Ordnung, die sich draußen zur Noth wieder hergestellt hatte, war nach einem neuerlichen, aber vergeblichen Versuche, Trawies zu gewinnen, noch schärfere Gewalt gegen die Verstoßenen angeordnet worden. Nun war’s offen, man mußte und wollte sie erdrücken, ersticken, in sich selbst zugrunde gehen lassen.

      Das fühlten sie, die Söhne das Waldes, und sie bäumten sich dagegen wahnsinnig auf. Sie überschritten in Rotten den Flammenring und plünderten Höfe aus und mordeten auf den Straßen.

      Eines Tages kam eine Schaar von Bauern und Soldaten von der Gegend der fünf Kiefern her in der Absicht, das Räubernest an der Trach zu vertilgen. Aber die Männer von Trawies, so bestialisch sie auch selbst miteinander umzugehen pflegten, fanden sich dem gemeinsamen Feinde gegenüber rasch zusammen, und an der Dreiwand entspann sich ein wildes Gebalge und Gemetzel, in welchem Trawies Sieger blieb.

      Eines anderen Tages, zur Zeit als die Seuche noch nicht ganz erloschen war, waren zwei fremde Männer in das Thal der Trach gekommen. Sie trugen lange Lodenmäntel und unter denselben allerlei Werkzeuge, denen es nicht abzusehen war, ob sie Arbeitsgeräthe oder Waffen sein sollten. Für den Nothfall wohl beides. Diese Fremden gaben an, daß sie Ärzte wären, daß sie gehört hätten, an den Hängen des Trasank wachse ein Kräutlein gegen den schwarzen Tod, und daß sie gekommen wären, dieses Kraut zu suchen. Das war den Leuten etwas sehr Interessantes. Sie bespähten die Fremden von allen Seiten, gingen ihnen aich nach und waren zuvorkommend gegen alle Wünsche, welche jene äußerten. Ärzte? Sie konnten ja auch Zauberer sein! Sie hatten ein geheimnißvolles Aussehen.

      Die Fremden strichen so etliche Tage in den Gräben herum. Sprachen in den Wohnungen zu und ließen sich mit Manchem, der des Weges kam, in freundlichen Wortwechsel ein. Endlich erklärten sie, daß sie nicht gern eigenmächtig handeln möchten; sie wollten doch beim Oberhaupte der Gemeinde anfragen, ob es ihnen wohl gestattet sein, das Kräutlein zu suchen.

      Beim Oberhaupte der Gemeinde? Niemand wußte recht, zu wem die Fremden

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