Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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Sepp und der Waldstuber gingen hinaus. »Jakob«, sagten sie, »das darfst uns nicht antun, daß du uns abspenstig wärest an diesem Tag. Wir haben gut Nachbarschaft miteinander gehalten, wir wollen als gute Kameraden auseinandergehen. Einen Krug Wein mußt du heute wohl mit uns trinken, das geht nicht anders. Wer weiß, wann wir wieder einmal zusammenkommen. So jung nimmer wie heut'. Auf dich haben wir alleweil was gehalten, Jakob. Schade, daß du nicht mit uns gehst in die schöne Welt hinaus. Aber ins Wirtshaus geh' mit uns. Geh', komm!«

      Sie nahmen ihn am Arm, er ging willenlos mit ihnen. Feindselig wollte er nicht sein, er ging mit ihnen.

      Am Lindentisch, wo auch der Waldmeister jetzt bei den Bauern saß, ließen sie sich nieder. Der Waldmeister hatte eben den alten Sandler in der Arbeit und redete ihm halb ernsthaft, halb hänselnd zu von wegen Verkauf des Sandlerhofes. Zum Glück verstand der Gebirgsbauer das Deutsch nicht recht, das der Pole in der Absicht, die Bauernmundart nachzuahmen, hier vorbrachte. »Dös Bauern müsset wohl dö Sache halt überlegen. I bitt' Ihnen, da gibt's nix nit zum Überlegen nit, alsdann! Halt lieber am Hungertuch nagen, wie altes Gerümpel verkafen. Nit? Wann's halt dös Bauern amal g'scheit werd's! Dö alten Kaloppen! San halt eh' nix wert. Fort damit!« – An die Umsitzenden wandte er sich, daß sie es bestätigten.

      Tat jetzt der Jakob den Mund auf und sagte: »Wenn unsereiner so allein des Weges geht, da fällt einem allerhand ein. Ist mir voreh' das Kruziloch eingefallen, ihr kennt es ja?«

      »Oben auf der Höh', vom Freisingtal herüber«, bemerkte der Waldstuber. »Die Höhlen soll neuzeit stark verfallen sein, kann keiner mehr durch.«

      »Ist vor Wochen ein Herr aus Wien dagewest«, erzählte der Steppenwirt, »muß so ein Löchersucher sein gewest, hat alten Höhlen nachgefragt. Ja, sag' ich, das Kruziloch, wenn's dem Herrn nicht zu finster ist. Geht hinauf und wie er wieder zurückkommt, ist er voller Freud', und er hätt' was gefunden. Zum wenigsten, denk' ich, ein Trum Gold. Ist aber nichts, als so ein grauer Stein gewest, das weiß ich. Er sagt, er hätt' eine Steinsammlung. Die haben wir Altenmooser auch, sag' ich. Nur nit in der Blasen!«

      »Vor Zeiten soll von der Krebsau herüber der Fußsteig durch das Kruziloch gegangen sein«, sagte der Sepp. »Zehn Minuten lang hat man durch die Höhle gebraucht und hat eine Stunde Weg abgekürzt.«

      »Ist mir eingefallen unterwegs«, fuhr der Jakob fort, »daß – wie die Pest in der Sandeben ist gewesen, die Leut' eine Bittprozession ins Kruziloch haben gemacht. Mitten drin soll ja ein Tropfstein stehen, wie ein Muttergottesbild anzuschauen. Davor ist eine Mess' gelesen worden. Die Pest hat nachher aufgehört. So hab' ich mir gedacht, jetzt kunnten wir auch wieder eine Prozession ins Kruziloch machen.«

      »Habt's ihr auch die Pest?« fragte der Waldmeister spöttisch.

      »Leider Gottes, ja«, antwortete der Jakob ernsthaft. »Arg grassiert sie, es vergeht kein Tag mehr, ohne daß sie einen hinwegrafft. Wenn es so fortgeht, ist Altenmoos bald eine menschenleere Wildnis. Heut' ist in diesem Wirtshaus ein Totenfest.«

      »Daß sich der Reuthofer vor Ansteckung nicht fürchtet!« bemerkte der Waldmeister.

      »Mir wird die Auswanderungspest nicht gefährlich«, sagte der Jakob. »Dem Nachbar Sandler hingegen möchte ich schier raten, daß er sich davonmachen soll.«

      »Für einen solchen Rat wollte ich mich bedanken«, darauf wieder der Waldmeister. »Wenn ich das Glück habe, mir etwas zu verbessern und so ein guter Nachbar möchte mich davon abhalten! Ist's ein Wunder? Jeder denkt auf sich selber, und weil der eine seinen Besitz nicht anbringt, so will er halt auch dem anderen daran hinderlich sein. Ich glaube es wohl, daß ihm die Weile lang werden wird – als Einsiedler in Altenmoos.«

      Der Jakob hatte die Faust auf den Tisch gelegt, klopfte mit den Fingerrippen etlichemal auf das Brett; zwei-, dreimal hob sich die Faust, legte sich aber wieder zurück, und der Jakob schwieg.

      Der Waldstuber und der Zwieselbaumer hatten sich dem alten Sandler zugewendet und stellten ihm vor, wie es nun werden müsse in Altenmoos und mit dem Sandlerhause. – Die Nachbarn haben verkauft. Die Bauern in dieser Gegend sind aber auf gegenseitiges Zusammenhalten angewiesen. Die Leute weniger. Auch kaum Dienstboten mehr. Alles weiß sich draußen besseren Erwerb, und der Mensch will von der Welt was haben. Die Wege werden verwildern, der einzelne kann sie nicht imstand halten. Auf den brachliegenden Feldern wird Wald wachsen, im Walde Wild, das frißt den Einödbauer auf. Da ist kein Bestehen. Der Hof schützt auch nicht mehr vor dem Soldatenleben. Das neue Gesetz! Wenn der Sandler einen Haufen Kinder hätte, die den Heimgang ins Elternhaus haben wollten. Ja. Aber das ist nicht. Der einzige Sebast. Und der lebe hundertmal besser draußen mit Bargeld. Und was würde es dem Alten wohltun, nicht allemal, wenn er eine Kirchenglocke hören will, den weiten Weg machen zu müssen! Beim Treidler in Sandeben ist ein Stübel zu haben, vor dem Fenster die Kirche, untenauf der Weinkeller. Für einen mühseligen Menschen ist das was wert. Das Glück meldet sich selten zu Altenmoos, aber wenn es sich meldet, da sollt' man's nicht mit dem Fuße von sich stoßen.

      Während die Bauern als Auswanderer so sprachen, hielt der Waldmeister die dreitausend Gulden bereit auf dem Tisch. Der alte Sandler zitterte eine Weile mit dem Haupt, mit der Hand, dann schlug er ein. Sein Haus war verkauft.

      »Also wieder eine Leiche!« rief der Waldmeister und schlug dem Reuthofer höhnend die Hand auf die Achsel.

      »Laß mich in Fried', Aasgeier!« gab der empörte Bauer zurück.

      »Und jetzt, Jakob!« rief der Sepp in der Grub lachend, »jetzt schlag' auch du los. Schlag' los, es geht auf eins!«

      »Und der Aasgeier«, setzte der Waldmeister bei, »legt dir bare viertausend Gulden auf die Hand.«

      »Wofür?« fragte der Jakob.

      »Für den Reuthof.«

      »Für den Reuthof?« sagte der Jakob, »der ist nie mehr als an zweitausend Gulden wert gewesen. Oder wäre das Geld für mein und meiner Familie Heimatshaus? Das ist mit Geld nicht zu bezahlen. – Heute«, so fuhr er fort, ernst, aber ganz ruhig, »heute habe ich nachgeschlagen draußen im Pfarrbuch. Das Pfarrbuch ist vor dreihundertundsechzig Jahren angelegt worden, und dazumal ist schon von den Steinreutern die Rede gewesen, die auf dem Reuthof in Altenmoos gehaust haben. Noch ältere von diesem Stamm werden auf dem Grund die Steine ausgereutet haben, und davon wird – so meint auch der Pfarrer – der Name Steinreuter herrühren. Von den neun Steinreutern, die im Pfarrbuche stehen, ist, so viel ich weiß, keiner reich gewesen und keiner arm. Einmal ist der Reuthof niedergebrannt, die Steinreuter haben auf Gott vertraut und ihn wieder aufgebaut. Oft hat uns der Hagel die Feldfrucht vernichtet und das wilde Wasser die Wiesen mit Steinen überschüttet, die Steinreuter haben gearbeitet und Mut gehabt. Sie sind dem Unglück nicht ausgewichen und nicht entgegengegangen; sie sind ihm gestanden, wie der Tannenbaum dem Sturm, möcht' ich sagen. Die Kinder sind beim Haus verblieben oder haben an andere Höfe geheiratet, ich habe von keinem gehört, das nicht rechtschaffen gewesen wäre. Nur von meinem Großvater ein Bruder, der ist Soldat geworden, ist nachher geflüchtet, hat oben im Felsloch gehaust, ist wieder eingefangen und zu tot geschlagen worden. Sonst haben fast alle ein langes Leben gehabt. Freiwillig fortgehen, in die Fremde gehen, gar ein Herr werden, das ist im Reuthof, so lang' er steht, nicht gedacht worden.«

      »So magst jetzt du dran denken«, sagte der Zwieselbaumer.

      »Wir sind ein Bauernstamm«, fuhr der Jakob fort, und seine Stimme hob sich und zitterte ein wenig. »Wir hören vielleicht einmal etwas läuten von Reichtum und Herrlichkeit draußen in der weiten Welt. Wir gönnen es jedem, der dran glücklich wird. Wir brauchen es nicht. Wir haben nie davon geredet, aber jetzt – jetzt müssen wir davon reden,

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