Hann Klüth. Georg Engel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hann Klüth - Georg Engel страница 7
Der leichte Seewind spielte mit den Enden des ihm so ungewohnten Bratenrockes, und unter dem wolligen Zylinder, der noch immer sein Haupt bedeckte, fühlte sich Siebenbrod feierlich angeregt.
Deshalb sprach er auch kein Wort, sondern horchte mit Ernst auf das Einströmen der Milch.
»Strull — strull,« ging es gleichmäßig fort.
Da schlug vom nahen Kirchturm die Uhr, deren goldene Buchstaben in der Abendsonne gleißten und funkelten.
Die entscheidende Unterhaltung begann. Erst harmlos und ungewollt, wie fast alle großen Ereignisse.
»Acht,« sagte Dietrich Siebenbrod, und nachdem er seine sogenannte Warmbieruhr gezogen hatte, setzte er hinzu: »Nu is der Herr all sechs Stunden begraben.«
»Ach, Gott!« —
In das »Strull-strull« mischte sich ein Schlucken, man hörte das Rascheln des frischen Heus, das von den Kühen aus den Raufen gezogen wurde, und dann rann die Milch wieder stoßweise in den Holzeimer.
Nach einer Pause der Sammlung fuhr Siebenbrod fort: »Der Lotsenkapitän aus Göhren war auch beim Begräbnis.«
Und die melkende Witwe antwortete seufzend: »Ja, ja, sie haben meinem sel'gen Mann alle viel Ehr' angetan.«
Darauf zog sie mit der Linken ihr Taschentuch hervor und führte es an ihre weinenden Augen, mit der Rechten melkte sie fürbaß.
»Den Lotsenposten bekomm' ich nich,« sprach Siebenbrod ruhig weiter — »Der Kapitän hat gesagt, es is wegen ...«
»Den Schnaps,« tönte es aus dem Stall — »ja, ja Siebenbrod, das is nich recht von Ihnen.«
»Jetzt gewöhn' ich mir ihn aber ab,« unterbrach der Bootsmann mit festem Entschluß.
»Is das sicher?«
»Ganz sicher.« — —
Die Witwe setzte den vollen Eimer beiseite, jedoch bevor sie den andern heranzog, wandte sie ihr ältliches, vergrämtes Gesicht der Stallöffnung zu. Dann betrachtete sie den Bootsmann aufmerksam, brach aber sofort, kopfschüttelnd, in ein leises Weinen aus: »Ne — ne, — es is zu slimm.«
»Was? — Frau Klüth.«
»O nix nich — Siebenbrod — ich meinte man so.«
Damit machte sie sich an die letzte Kuh.
»Strull — strull.«
Siebenbrod rührte sich. Er hatte sich in der Nacht vorher alles überlegt. Es ging nicht anders. Er mußte es tun.
»Frau,« begann er und nahm vor der Wichtigkeit des Moments den Hut in beide Hände: »Ich wollt' nun noch fragen, wie es mit mir wird?«
»Mit Ihm?«
»Ja, da ich ja nun den Lotsenposten nich bekomm, und da das mit der Pension wohl auch man dumm's Zeug von oll Kusemann is, so wollt ich man fragen, wie ich mich von nu an gehaben soll?«
»Je, Siebenbrod, wie mein lieber Mann gesagt hat — dann wollen wir es in Gott's Namen mit der Fischerei versuchen. Man muß doch leben. Und vier Kinder sind auch nich leicht durchzubringen.«
»Je, das sag' ich man. Aber — aber, Frau, nehmen's nich übel — ich bin doch nu auch all siebenunddreißig Jahr alt.«
»Je, was meint Er damit?«
Die Witwe melkte hastiger, so daß die Kuh ein wehklagendes, mißbilligendes Brummen ausstieß.
Siebenbrod überzählte noch einmal die Kühe, dann sagte er ruhig: »Je, es is man wegen den Zesnerfischern.«
»Was wollen die, Siebenbrod?«
»Strull — strull.«
»Je, Madamming, nehmen's nich übel — aber sie nehmen keinen Unverheirateten auf.«
»Huch,« rief die Witwe tief erschrocken.
Was der Bootsmann da vorbrachte, bedeutete ja eine Gefahr für das verwaiste Häuschen. Ein Fremder würde sich ihrer sicher nicht annehmen, und die paar Groschen, die ihr armer seliger Mann erübrigt hatte, ja, du lieber Gott, die reichten gerade für ein halbes Jahr.
»Strull — strull.«
Und dann das Studium von Paulen — und Bruno mußte erst Kaufmannslehrling werden (Ladendiener nannte es Frau Klüth). Gott — o Gott, die offenste Angst sprach sich in dem ältlichen, so merkwürdig glatten, ausdruckslosen Weiberantlitz aus. Und wenn nun Siebenbrod sie auch noch im Stich ließ? Vielleicht besaß er bereits eine Braut? Ja, dann saß sie ja ganz hilflos mit zwei alten Booten und vier unversorgten Menschen da!
Was war hier zu tun? Sie wurde sehr nervös, und ihre Gedanken schwenkten immer rechnender von dem Toten zu dem Heute zurück.
»Hat Er denn schon eine?« begann sie plötzlich überstürzt, und als Siebenbrod ein wenig verlegen vor sich hinnickte, setzte sie halb weinend hinzu, warum er das denn nicht schon früher geäußert hätte.
An der Kuh wurde lebhaft gerissen. Schmerzlich brüllte das Tier auf. —
»Muh!«
»Je, Madamming,« sagte Siebenbrod schon etwas sicherer, »ich dacht mich auch, es hätt' bis nach dem Begräbnis Zeit.« Und während er den wolligen Zylinder etwas langsamer drehte, fügte er noch ehrbarer bei: »Denn vorher schickt sich das doch wohl nich gut?«
»Ach, mein Gott!« murmelte die Witwe.
Dann trat Stille ein.
Eine lange, feierliche Schweigsamkeit, während welcher das Strull-strull immer langsamer auftönte, um endlich ganz zu verstummen. Auch Siebenbrod versank wieder in seine würdige Ruhe. Nur daß er jetzt den Zylinder aufsetzte, als hätte dieser seine Dienste verrichtet, und daß er aufmerksam in die Ecke des Kuhstalls hinüberlauschte, von wo einige schwere Seufzer laut wurden. Auf einmal sprach aus der Dunkelheit eine traurige Stimme: »Siebenbrod, will Er sich denn wirklich das Trinken abgewöhnen?«
»Je, Madamming, seit drei Tagen all keinen Tropfen mehr. Nich rühr an.«
»Das is gut,« lobte die Witwe und fiel wieder in ihr früheres Grübeln.
»Ja,« fuhr Siebenbrod nun schon beruhigter fort, »und die beiden Ältesten gehen ja nun aus dem Haus, und Hann lern' ich an, und wenn dann die lütte Dirn auch erst in die Stadt kommt, je, dann werden wir ganz gut fertig werden, Madamming.« Und die Witwe nickte in ihrer festeren Ecke und murmelte in sich hinein: »Ja, ja, Siebenbrod, das is ja soweit ganz richtig.«
»Je, Madamming, und dann freu' ich mich auch, daß alles so schön in Ordnung